NBA

Mathematiker an die Front

Von Tilman Rakers
Durant (r.) und James zählen zu den besten Spielern der NBA. Was sagen die Statistiken?
© getty
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Offensive Rating (ORtg)/Defensive Rating (DRtg) für Teams: Das von Dean Oliver entwickelte Offensive Rating für Teams geht noch einen Schritt weiter als die True Shooting Percentage, indem es außer den Wurfstatistiken noch Turnover und Rebounds beinhaltet, um die erzielten Punkte einer Mannschaft auf jede einzelne Possession (Poss) zu berechnen. Es gibt an, wie viele Punkte eine Mannschaft im Durchschnitt bei 100 Angriffen erzielt. Wichtig ist dabei zu beachten, dass es nicht um Angriffsaktionen wie zuvor bei den Quoten geht, sondern um Angriffe selbst.

Daher wird außer für Turnover auch für Offensivrebounds korrigiert, da ja ein Angriff weitergeht, wenn es der angreifenden Mannschaft gelingt, nach einem Fehlwurf einen Offensivrebound [OREB] zu holen.

In der Grundform bei nicht vorhandenen Play-by-Play Stats lautete die approximative Formel von Oliver ORtg = Points/(TmFGA + 0,4*TmFTA + TmTO - TmOREB)*100, wobei der Term im Nenner eine Schätzung für die Possessions ist. Also eine Formel, die den vorherigen Formeln stark ähnelt und sehr einleuchtend ist. Abweichend zu Hollingers Approximation von 0,44 zur Korrektur der mit einem Freiwurf gleichzusetzenden Feldwurfversuche kam Oliver in seinen Auswertungen auf einen Faktor von 0,4.

Bei näherer Betrachtung von Datensätzen, für die auch Play-by-Play Statistiken und damit auch die genaue Anzahl der Possessions vorhanden sind, fiel jedoch auf, dass hier noch eine Situation fehlt, mit der eine Angriffsaktion enden kann: die Situation, wenn ein Fehlversuch von keinem Spieler einer Mannschaft durch einen Rebound unter Kontrolle gebracht werden kann, bevor er ins Aus geht. Solche sogenannten Teamrebounds tauchen in kumulierten Mannschaftswerten seit 1969 in der NBA nicht mehr auf, da sie keinem Spieler zugeordnet werden können.

Annahme: Beide Teams haben in etwa gleich viele Angriffe

Die Anzahl der gesamten Reboundduelle kann mittels der Differenz zwischen Fehlversuchen und den Rebounds beider Mannschaften unter dem jeweiligen Korb geschätzt werden. Eine genaue Ermittlung ist bei fehlenden Play-by-Play Stats nicht möglich, weil nicht jeder Freiwurffehlversuch zum Rebound freigegeben ist. Wie viele dieser Teamrebounds eine Mannschaft ergattern kann, schätzt Oliver über die Offensive Rebound Percentage.

Außerdem macht er sich zunutze, dass im Durchschnitt beide Mannschaften etwa gleich viele Angriffe pro Begegnung haben sollten und schätzt die Angriffe eines Teams letztlich aus dem Mittelwert der Schätzwerte für die eigenen und die gegnerischen Angriffe: Possessions = 0,5*((TmFGA + 0,4*Tm FTA - 1,07*(TmORB/(TmORB + OppDRB))*(TmFGA - TmFG) + TmTO) + (OppFGA + 0,4*OppFTA - 1,07*(OppORB/(OppORB + TmDRB))*(OppFGA - OppFG) + OppTO)). Opp steht in dieser Formel für Opponent - also Gegner. Die 1,07 in dieser Formel korrigieren genau dafür, dass TmFGA-TmFG einem nicht die genaue Anzahl an Reboundduellen liefert und sind erneut ein Faktor, der aus Auswertungen von historischen Daten stammt.

Diese Schätzung der Angriffe ist auch die Grundlage für die Statistik Pace Factor, die sich aus den Angriffen pro Minute hochgerechnet auf 48 Minuten ergibt: Pace = Poss/MP*48. Gingen keine Spiele einer Mannschaft in eine Verlängerung, kann das Offensive Rating also auch mit der Formel ORtg = Points per Game/Pace Factor bestimmt werden. Sind Overtime Spiele vorgekommen, müssen zunächst entweder die Punkte pro Spiel auf 48 Minuten herunter- oder der Pace Faktor auf die durchschnittlich pro Spiel gespielten Minuten hochgerechnet werden.

Das Defensive Rating eines Teams entspricht einfach den erzielten Punkten des Gegners je 100 Angriffen.

Four Factors: Ob eine Mannschaft effizient die eigenen Angriffe nutzt beziehungsweise den Gegner effizient verteidigt, hängt im Wesentlichen also von jeweils vier Statistiken ab: der eFG%, der FTr multipliziert mit der FT%, der OREB% und der TO% in der Offensive sowie diesen Statistiken der Gegner für die Defensive; wobei anstatt der Offensive Rebound Percentage für den Gegner die Defensive Rebound Percentage des eigenen Teams - also Eins minus die OREB% des Gegners - berichtet wird.

Offensive Rating (OffRtg) und Defensive Rating (DefRtg) für Spieler: Bei der Übertragung der Vorgehensweise für die Offensive Ratings der Teams auf einzelne Spieler ist Dean Oliver inkonsistent gewesen, da er für Spieler nicht die gleiche Formel wie für Mannschaften verwendet, stattdessen auch noch Assists über geeignete Annahmen in das Rating einfließen lassen möchte. Bei individuellen Defensive Ratings wird es noch schwieriger, eine sinnvolle Statistik aus Boxscores abzuleiten, weil Daten darüber, welcher Spieler einen Fehlwurf des Gegners verursacht hat, fehlen.

Vielleicht auch wegen dieser Inkonsistenz hat sich "stats.nba.com" für eine andere Variante von Offensive (OffRtg) und Defensive Ratings (DefRtg) für Spieler entschieden: Berichtet werden die Offensive und Defensive Ratings des eigenen Teams, wenn der betreffende Spieler auf dem Feld war. Sie geben also an, wie effizient die Mannschaft in der Offensive respektive der Defensive gewesen ist, während ein Spieler sich auf dem Parkett befand.

Diese Statistiken gehen also etwas weiter, als simple Plus-Minus Statistiken, bei denen einfach die erzielten Punkte abzüglich der zugelassenen Zähler der Mannschaft in der Einsatzzeit eines Spielers gezählt werden. Wie bei diesen gilt aber auch für das OffRtg und das DefRtg für Spieler, dass sie davon abhängen, mit welchen Mitspielern ein Spieler auf dem Court war.

Lineup Statistiken: Der Frage, mit welchen Mitspielern ein Spieler besonders effizient in Offensive und Defensive zusammenarbeitet, gehen Lineup Statistiken nach. Hier werden die gespielten Minuten des Teams in 5- bis 2-Mann-Kombinationen zerlegt und anhand vieler der hier vorgestellten Statistiken analysiert.

Seite 1: Coaches - leichtere Arbeit durch Statistiken

Seite 2: Von Effective Field Goal Percentage bis Usage Percentage

Seite 3: Offensive- und Defensive Rating

Seite 4: Assist-Turnover Ratio und Pure Point Rating

Seite 5: Der "heilige Gral" - das Player Efficiency Rating

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