NBA

Mathematiker an die Front

Von Tilman Rakers
Durant (r.) und James zählen zu den besten Spielern der NBA. Was sagen die Statistiken?
© getty
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Player Efficiency Rating (PER): Eine der wohl am meisten zitierten und diskutierten Statistiken in der Basketball Community ist John Hollingers Player Efficiency Rating. Der Charme dieser Statistik ist, dass sie einen anerkannten Versuch macht, alle Einzelstatistiken in eine einzige Statistik über die Leistung eines Spielers auf dem Basketballcourt zusammenzufassen. Die Formel ist durch diese ambitionierte Zielsetzung natürlich die komplexeste der hier ausgewählten "Advanced Statistics", aber mit dem bisher aufgebauten Vorwissen sollte es nun möglich sein, die Formel - die vom Typ her von einigen Analysten scherzhaft als "heiliger Gral"-Statistik bezeichnet wird - in verständliche Einzelteile zu zerlegen.

Zunächst nun das Formelmonstrum: PER = (LgPace/TmPace) * (15/LgPER) * (1/MP) * [3P + (AST*0,67) + (FG*{2-[(TmAST/TmFG)*0,588]}) + (FT*0,5*{2-0,33*(TmAST/TmFG)}) + (DefREB*VOP*LgOffREB%) + (OffReb*VOP*LgDefREB%) + (STL*VOP) + (BLK*VOP*LgDefREB%) - (TO*VOP) - [(FGA-FG)*VOP*LgDefREB%] - {(FTA-FT)*VOP*0,44*[0,44+(0,56*LgDefREB%)]} - {PF*[(LgFT/LgPF)-((LgFTA/LgPF)*0,44*VOP)]}]. Lg steht in der Formel für Liga, VOP für Value of Possession und PF für Personal Fouls, wobei VOP = LgORtg/100.

Wie schon beim Pure Point Rating trifft Hollinger also Annahmen zur Bewertung der einzelnen Statistiken, bevor er sie zu einer einzigen Statistik zusammenfügt. Der erste Term korrigiert für das Tempo, mit dem ein Team spielt, da es in einem Team, das ein durchschnittlich hohes Tempo geht, einfacher ist, höhere Durchschnittsstatistiken zu erzielen, als in einem Team, das so langsam wie möglich spielt.

Ligadurchschnitt immer auf 15 korrigiert

Der zweite Term sorgt dafür, dass der Ligadurchschnitt immer auf 15 hoch korrigiert wird, um Statistiken aus unterschiedlichen Epochen besser miteinander vergleichen zu können. Dafür wird durch den tatsächlichen Ligamittelwert geteilt und dann mit 15 multipliziert. Der Wert 15 ist hierbei willkürlich gewählt. Das unkorrigierte PER bis zu diesem Punkt entspricht der Summe der positiven Aktionen abzüglich der negativen Aktionen jeweils multipliziert mit ihren jeweiligen Bewertungen.

Term Nummer drei ist dazu da, aus der ganzen Statistik eine per-minute Statistik zu kreieren, um Spieler mit unterschiedlicher Einsatzzeit besser vergleichen zu können. Ohne die Normierung des Durchschnittes auf 15 kann die Statistik als "statistisch relevante Aktionen pro Minute" verstanden werden.

Im großen Hauptterm tauchen nun die wesentlichen Einzelstatistiken Punkte, Assists, Defensiv Rebounds, Offensiv Rebounds, Steals, Blocks, Turnover, Fouls, Fehlwürfe aus dem Feld und Fehlwürfe von der Freiwurflinie auf. Für Punkte ergeben sich drei Einzelstatistiken - für Zweier, Dreier und Freiwürfe - während alle anderen Größen mit jeweils einem Term vertreten sind.

Schütze wichtiger als Passgeber

Dass die erfolgreichen Dreier mit dem Gewicht Eins in die Gleichung eingehen, bedeutet, dass Hollinger den Extrapunkt eines Dreiers komplett dem Verdienst des Schützen zuordnet. Die 0,67 für Assists sind entsprechend der Erklärung aus dem Pure Point Rating abgeleitet, die Hollinger übrigens damit begründet, dass der Schütze neben dem Wurf auch noch dafür verantwortlich ist, sich von seinem Gegenspieler frei zu machen, während der Passgeber mit dem Pass selbst also nur eine von drei Aktionen, die zu einem assistierten Korberfolg gehören, ausübt.

Bei der 0,588 im Field Goal Term wird es etwas wild. Ohne näher ins Detail zu gehen, ist dieser Wert als Korrekturfaktor dafür zu verstehen, dass wenn ein Teil eines Korberfolges dem Assistgeber zugeschrieben wird, dem Scorer natürlich auf der anderen Seite etwas abgezogen werden muss - allerdings nur für den Anteil der Field Goals bei dem "assistiert" wurde.

"Wild" wird es an dieser Stelle, weil Hollinger einen Teil der Assists auf Freiwürfe umverteilt und deshalb den einleuchtenderen Wert von 0,67 noch einmal nach unten korrigiert, damit in Summe nicht zu viele Assists berücksichtigt werden und Spieler die häufig an die Linie gehen aus seiner Sicht nicht zu sehr überbewertet werden. Aus dieser Logik ergibt sich unter der Zusatzannahme, dass halb so viele Trips an die Freiwurflinie assistiert werden, wie erfolgreiche Feldwürfe, das Gewicht für erfolgreiche Freiwürfe.

Alle weiteren Teilstatistiken werden zunächst einmal mit den Durchschnittspunkten pro Angriff in der Liga bewertet, dem VOP, also einer ligaweiten Größe. Steals auf der Haben- und Turnover auf der Sollseite werden mit ihren vollen Werten mit dem VOP multipliziert. Mit einem Defensivrebound verhindert ein Spieler, dass eine Possession verlängert wird, was ligaweit im Durchschnitt genau in der Anzahl der Fälle passiert, in denen die angreifende Mannschaft einen Offensivrebound holt - deshalb das Extragewicht der LgOREB%.

Michael Jordan mit bestem PER

Ein Offensivrebound hingegen wird mit der ligaweiten Defensivrebound Percentage bewertet, da diese Aktion ja genau das Gegenteil eines Defensivrebounds ist. Ähnlich funktioniert Hollingers Logik zur Bewertung von verworfenen Feldwurfversuchen und Blocks: Da ein Block, bevor er eventuell gesichert wird, zunächst einmal mit einem Fehlwurfversuch des Gegners gleichzusetzen ist, müsse er das gleiche Gewicht wie ein verworfener Feldwurf haben, weshalb beide Teilstatistiken zusätzlich zum VOP mit der Defensivrebound Percentage gewichtet werden. Erneut steckt für die Blocks hier eine starke Annahme Hollingers, da diese ja nicht in der Defensivrebound Percentage enthalten sind.

Fehlen noch Freiwurffehlversuche und Personal Fouls. Bei den Freiwürfen findet sich die schon häufiger aufgetauchte 0,44 wieder - die Anzahl der Possessions, mit denen ein Freiwurf gleichzusetzen ist. Die 0,56 ist Hollingers aus Daten abgeleitete Schätzung für die Anzahl der Freiwürfe, die für den Rebound freigegeben sind. Fouls bewertet Hollinger mit einer Schätzung der Punkte, die ein Team auf Grund eines Fouls eines Spielers hinnehmen muss, wobei neben verworfenen Freiwürfen auch berücksichtigt werden muss, dass nicht jedes Foul zu Freiwürfen führt.

Insgesamt ist festzuhalten, dass trotz der Komplexität die Statistik PER den "Eye Test" besteht, sind doch regelmäßig Spieler in dieser Statistik vorne zu finden, die allgemein als besonders vielseitig und effektiv in den unterschiedlichen Statistikkategorien angesehen werden. So liegt beispielsweise mit seinem PER-Karriereschnitt von 27,91 weiterhin Michael Jordan an Nummer eins, während von den aktiven Spielern LeBron James mit einem bisherigen Durchschnitt von 27,71 nur leicht hintendran auf Platz zwei liegt.

Interessant ist die Namensgebung, da bei genauem Hinsehen schnell deutlich wird, dass es sich nicht um eine reine Effektivitätsstatistik wie beispielsweise die unterschiedlichen Shooting Percentages handelt, sondern eine höhere Produktivität bei gleicher Effektivität zu einem höheren PER führt. Deutlich wird dies schon dadurch, dass ein erfolgreicher Feldwurf höher bewertet wird, als ein misslungener Versuch, wodurch ein Spieler, der mehr Punkte mit der gleichen Quote erzielt, also ein besseres Player Efficiency Rating hat.

Seite 1: Coaches - leichtere Arbeit durch Statistiken

Seite 2: Von Effective Field Goal Percentage bis Usage Percentage

Seite 3: Offensive- und Defensive Rating

Seite 4: Assist-Turnover Ratio und Pure Point Rating

Seite 5: Der "heilige Gral" - das Player Efficiency Rating

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