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Grizzlies "vom Moment überfordert"

Von Philipp Dornhegge
Die Memphis Grizzlies bekamen den quirligen Tony Parker zu keiner Zeit richtig in den Griff
© getty

Der erste Auftritt in den Conference Finals der Franchise-Geschichte geriet für die Memphis Grizzlies zum Desaster. Das Team war nicht wach, bekam Tony Parker nicht in den Griff. Während die San Antonio Spurs vor Selbstbewusstsein strotzen, leckt der Underdog seine Wunden. Wie fällt die Reaktion aus?

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"Wir haben einfach schlecht gespielt", sagte ein frustrierter Lionel Hollins nach der bitteren 83:105-Niederlage (BOXSCORE) seiner Memphis Grizzlies zum Auftakt der Western Conference Finals bei den San Antonio Spurs. "Es war nicht einmal etwas Bestimmtes. Wir haben überdreht, offene Layups vergeben, schlechte Würfe genommen und richtig mies verteidigt. Und die Spurs haben sehr gut gespielt."

In der Tat lief in Spiel eins so ziemlich alles gegen die Memphis Grizzlies - und das von Anfang an.

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"Wir waren völlig übermotiviert, sind in der Defense wie verrückt hin- und hergelaufen", fasste Coach Hollins zusammen und wurde damit doch spezifischer, als er eigentlich wollte. "Vier Spieler haben in der Zone helfen wollen, aber keiner hat die Dreierlinie verteidigt. Das ist nicht unsere Art, Defense zu spielen."

Beste Defense der NBA von der Rolle

Wenn man für Memphis das Positive nach diesem katastrophalen Start in die ersten Conference Finals der Franchise-Geschichte herausheben will, dann dies: San Antonio deckte keinesfalls die großen Schwächen in der Verteidigung des Gegners auf und lieferte eben keine Blaupause dafür, wie Memphis zu schlagen ist.

Der Gast war an diesem Abend einfach nicht auf der Höhe des Geschehens und spielte ganz anders, als man es von ihm gewohnt ist. "Man macht das ja jetzt schon ein paar Jahre, und es ist doch immer wieder erstaunlich", sagte SPOX-Kommentator Markus Krawinkel während des Spiels. "Da kannst Du noch so viel philosphieren, wie es laufen wird und darauf hinweisen, was Memphis schon alles geleistet hat und wie stark sie bisher waren. Conference Finals sind einfach noch mal wieder etwas anderes, und wenn Du das Gefühl nicht kennst, ist es halt so: Dann bist Du oftmals vom Moment überfordert."

In Bestform hat Memphis die beste Verteidigung gegen den Dreier der ganzen Liga, muss aufgrund der starken One-on-One-Verteidiger kaum helfen und kommt so selten in die Verlegenheit, rotieren zu müssen und in Mismatches gezogen zu werden.

Hollins' Flehen verpufft

Im AT&T Center am Sonntagabend wollte plötzlich jeder zu viel machen, wollte bei der Penetration aushelfen, switchte bei Pick'n'Roll-Situationen und brachte so das gesamte Defensivkonzept durcheinander.

Mehr als einmal beschwörte Hollins seine Mannschaft in Auszeiten: "Hört endlich auf zu helfen! Lasst die Dreierschützen nicht freistehen!" Es half alles nichts. Die Grizzlies waren, wie Krawinkel richtig deutete, "vom Moment überfordert".

Von der ersten Minute konnte Spurs-Spielmacher Tony Parker immer wieder Blocks nutzen, um zu penetrieren. Hatte er die Zone erstmal erreicht, traf er stets die richtige Entscheidung zwischen Jumper, Layup und Pass.

Gasol in der Defense zum Statisten degradiert

Schlau ausgeklügelt hatte San Antonios Coach Gregg Popovich sicher, dass er meist den Gegenspieler von Zach Randolph als Blocksteller arbeiten ließ, weil so Defensive Player of the Year Marc Gasol fernab des Geschehens machtlos war und Randolph als Help-Verteidiger mit Parker einfach nicht mithalten kann.

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Dennoch: Das allein hätte den Spurs wohl nicht gereicht, um das Spiel zu gewinnen. Da half Memphis schon kräftig mit. Unter anderem durch uncharakteristisch viele Ballverluste (9 in der ersten Hälfte), die den Spurs leichte Punkte durch Fastbreaks erlaubten (10).

Unter anderem auch durch die ungewöhnliche Schläfrigkeit auf der Weakside. Immer wieder konnten die Flügelspieler Danny Green und Kawhi Leonard mit Backdoor Cuts für Gefahr sorgen, immer wieder tauchten sie unbehelligt beim Kampf um Offensivrebounds auf.

Ausgerechnet Tony Allen, der vielleicht beste Flügelverteidiger der Liga, verlor wiederholt seinen Mann aus den Augen. Bezeichnend.

Gasol hadert mit Fehlern

"Wann immer wir auch nur den kleinsten Fehler gemacht haben, haben sie uns bestraft", ärgerte sich Gasol zurecht. In einem Conference-Finals-Spiel muss man allerdings genau das erwarten. Zumal die Spurs nun wahrlich keine Laufkundschaft sind.

Die Grizzlies haben jetzt in der dritten Serie in Folge Spiel eins hergeschenkt, die beiden Serien vorher konnten sie letztlich souverän gewinnen. Ob dies auch ein drittes Mal gelingt, ist nach der jüngsten Vorstellung ungewiss - ein Weiterkommen ist aber sicher nicht unmöglich.

Dazu wird es in den kommenden Partien aber mehr Besonnenheit in der Verteidigung brauchen und in der Offense mehr Zach Randolph. So schlecht das Ergebnis aussieht: Im Angriff lies es für viele Spieler eigentlich recht ordentlich.

Immerhin: Grizzlies offensiv ordentlich

Mike Conley (14 Punkte, 8 Assists) konnte mit Parkers Offensivproduktion (20 Punkte, 9 Assists) trotz vier Ballverlusten nahezu mithalten. Gasol (15), Allen (8), Tayshaun Prince (6) und Jerryd Bayless (8) blieben jeweils nur knapp unter ihrem jeweiligen Playoff-Schnitt.

Quincy Pondexter (17) trumpfte gar richtig groß auf, hätte seine Mannschaft mit einem persönlichen 8:0-Lauf im dritten Viertel sogar fast allein zum Comeback geführt.

Doch Randolphs Nicht-Leistung war für die Mannschaft nicht zu kompensieren. "Er ist ein Biest und ihr bester Scorer", nahm Parker den Power Forward in Schutz. "Er wird nicht jedes Mal so spielen, aber das passiert halt manchmal."

Randolph von Spurs-Big-Men kaltgestellt

Der All-Star brachte nur einen seiner acht Würfe im Korb unter und wurde lange vor Ende der Partie auf die Bank geholt. Die Spurs hatten es sich zur Mission gemacht, konsequent schon das Anspiel auf Randolph zu verhindern, Tim Duncan und sogar Matt Bonner oder Boris Diaw machten diesen Job hervorragend.

Und wenn der Topscorer der Grizzlies doch mal in guter Position an den Ball kam, wurde er nicht sofort gedoppelt und zum Passen gezwungen, sondern zunächst in Sicherheit gewogen. Erst wenn er auf dem Weg zum Korb war, kam blitzschnell die Hilfe von der Weakside, überwiegend von Green oder Leonard, die mit ihren schnellen Händen einen kontrollierten Wurf verhinderten.

Randolph frustrierte diese Strategie San Antonios zunehmend. Der 31-Jährige ist es sonst gewohnt, seine Gegner im Verlauf einer Partie mürbe zu machen. Diesmal hatte er selbst nach nur 28 Einsatzminuten und 2 mickrigen Punkten (Season-Low) die Nase gestrichen voll.

Die Grizzlies müssen Randolph auf Betriebstemperatur bringen, ansonsten könnte diese Serie schneller vorbei sein, als derzeit alle erwarten. Die Spurs wollen von einem Statement-Sieg indes nichts wissen: "Das war nur ein Spiel, das bedeutet gar nichts", so Parker. "Letztes Jahr waren wir gegen OKC mit 2-0 vorn und sind rausgeflogen. Wir haben einen weiten Weg vor uns, keiner von uns lehnt sich jetzt glücklich zurück."

Duncan nicht viel besser als Randolph

Memphis bleibt gefährlich und wird sich in Spiel zwei aller Voraussicht nach besser präsentieren. Aber auch San Antonio hat noch nicht am Limit gespielt.

Denn bei allem Lob, dass Parker oder Rollenspieler wie Leonard (18 Punkte), Green (16) und Bonner (12) gebührt, ging völlig unter, dass Tim Duncan nur 3 seiner 9 Würfe traf und die Partie mit 6 Zählern beendete - also nur unwesentlich besser war als Randolph.

"Wir wollen als Team gewinnen, und wir erwarten, dass jeder Spiel seinen Teil dazu beiträgt", blieb Duncan aber ganz gelassen. Im Gegensatz zu Memphis kann San Antonio schwache Spiele seiner Stars verkraften.

Spurs-Bank sehr selbstbewusst

Die Spurs gewannen schon Spiel sechs gegen die Warriors, obwohl Parker nur 3 von 16 Würfen traf. Die Texaner haben so viele Waffen, dass Duncans vornehmliche Aufgabe in dieser Serie wohl die Defense sein wird. Randolph und Gasol unter Kontrolle zu halten: Das ist der Schlüssel zum Weiterkommen, und dafür ist Duncan zuständig.

Die Punkte können andere machen. "Nach Oklahoma City ist es eine riesige Umstellung, gegen die Spurs zu spielen", gab Conley zu. "Man trifft nicht oft auf Teams, die zwölf Spieler haben, die dir wehtun können."

Die Spurs sind quasi der Prototyp einer solchen Mannschaft, und mit regelmäßigen Ruhephasen für die Stars und mehr Spielzeit für die Backups hat Popovich seine Mannschaft in der Regular Season dorthin gebracht.

"Unsere Bankspieler haben sich über die Saison sicher ein wenig Selbstvertrauen geholt", bestätigte Coach Pop. Und sie werden den Grizzlies noch drei Mal wehtun wollen.

Der Playoff-Spielplan im Überblick

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