NBA

Ein Anführer in jeder Hinsicht

Von Cliff Schmit
Derek Fisher machte in Spiel zwei gegen die Memphis Grizzlies sein bestes Spiel in dieser Saison
© getty

Derek Fisher wird im August 39 Jahre alt. Im schnelllebigen NBA-Zirkus ein fast biblisches Alter. Im Spiel zwei gegen die Grizzlies hat der Routinier jedoch bewiesen, dass er es nach all den Jahren immer noch drauf hat. Dabei ist der Point Guard nicht nur auf dem Court ein Anführer, als Präsident der Spielergewerkschaft schwingt er auch außerhalb des Spielfelds das Zepter.

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Um sich besser vorstellen zu können, wie lange Derek Lamar Fisher bereits in der NBA aktiv ist, muss man sich folgendes vor Augen führen: Als Fisher 1996 an 24. Stelle von den Los Angeles Lakers gezogen wurde, war sein heutiger Mitspieler Kevin Durant gerade einmal 7 Jahre alt, die Grizzlies spielten noch immer in Vancouver und Michael Jordan wurde als MVP ausgezeichnet.

16 Jahre später gehört der Absolvent der Little Rock University (Arkansas) mit fünf gewonnen Championships - alle mit den L.A. Lakers - einem ganz elitären Spielerkreis an. Nur dreizehn Akteure in der Geschichte der Liga konnten jemals mehr Titel einheimsen.

Wo Fisher ist, ist der Erfolg

Obwohl er die meiste Zeit seiner Karriere bei den Lakers spielte, erlebte D-Fish seine statistisch mit Abstand beste Saison 2006 bei den Golden State Warriors. An der Seite von Baron Davis und Jason Richardson legte er damals 13,3 Punkte und 4,3 Assists im Schnitt auf.

Dreizehn Jahre verbrachte der 1,85m große Aufbauspieler insgesamt allerdings in Tinseltown. Die wenigen Spielzeiten, in denen er für eine andere Franchise auflief, waren die schlechtesten Jahre in der Kobe-Ära der Lakers. Mit den Utah Jazz erreichte er 2006 die Conference Finals, mit Oklahoma City im vergangenen Jahr die Finals.

Legendärer Game-Winner gegen die Spurs

Unvergessen sein legendärer Game-Winner 2004 in den Western Conference Semifinals gegen die San Antonio Spurs. Ganze 0,4 Sekunden standen auf der Uhr, als Gary Payton den Ball zu Fisher passte, der den Ball annahm und blitzschnell aus der Drehung zum alles entscheidenden Treffer einnetzte.

Das Video zum Treffer gegen die Spurs

Liest man all diese Fakten, kann man zu zwei ganz unterschiedlichen Standpunkten gelangen. Entweder man sagt sich: "Wow, ich habe gar nicht gewusst, wie wichtig Derek Fisher für diese Teams gewesen ist," oder man kommt zu folgendem Entschluss: "All dies muss Zufall gewesen sein. Derek Fisher ist nichts weiter als ein durchschnittlicher Point Guard, der nur Glück hatte, zur richtigen Zeit bei erfolgreichen Teams unter Vertrag zu stehen."

Wie so oft liegt auch hier die Wahrheit irgendwo in der Mitte. Die Lakers verloren neben Fisher zur gleichen Zeit keinen geringeren als Shaq, bei den Jazz wurde der damalige Erfolg in erster Linie an dem Duo Deron Williams und Carlos Boozer festgemacht, und dass die Oklahoma City Thunder die Finals erreichen würden, darauf hätte man im vergangenen Jahr auch bereits vor der Ankunft des Routiniers wetten können.

Unumstrittener Anführer

Nicht leugnen lässt sich jedoch die Tatsache, dass Fisher bei all seinen Stationen ein unumstrittener Leader gewesen ist bzw. immer noch ist. Der Guard ist einer, der vorangeht, der sich nicht davor scheut, Verantwortung zu übernehmen und lautstark Kommandos zu geben.

Gibt es während einer Partie ein sogenanntes Huddle, sprich wenn die Spieler sich kurz ohne Trainer auf dem Court beraten, ist zumeist Fisher der Wortführer. Seine Meinung ist gefragt und wird gehört.

Fisher ist aber nicht nur ein Anführer auf dem Spielfeld. Auch außerhalb des Courts hat der vierfache Familienvater gerne die Zügel in der Hand. Seit 2006 steht er der "National Basketball Players Association" als Präsident vor und genießt sowohl bei den Liga-Verantwortlichen als auch bei den Spielern wegen seines stets korrekten Verhaltens ein hohes Ansehen.

Großes Lob von Bryant

Kein geringerer als sein langjähriger Mitspieler Kobe Bryant hat Fisher unlängst geadelt: "Du gewinnst keine fünf Meisterschaften per Zufall. Es gibt einen guten Grund, warum einige Spieler viele Titel holen und andere nicht. Da ich fast meine gesamte Karriere an der Seite von Derek verbracht habe, kann ich einschätzen, dass er ein wirklich guter ist."

Auch in Dallas wusste er bei seinem kurzen Gastspiel im Dezember durchaus zu überzeugen. In 25 Minuten erzielte Fisher durchschnittlich knapp 9 Punkte und verteilte 3,4 Assists. Nach einer Knieverletzung bat er jedoch abermals um eine Vertragsauflösung, um sich im Kreise seiner Familie zu erholen.

Vorzeitige Vertragsauflösungen

Überhaupt fällt auf, dass Fisher es bereits dreimal "geschafft" hat, vorzeitig aus seinem Vertrag entlassen zu werden. Die Episode bei den Utah Jazz hat dabei natürlich einen traurigen Beigeschmack. 2007 verließ er Salt Lake City, um näher bei seiner zu der Zeit krebskranken Tochter zu sein. 8 Mio. gingen Fisher damals durch die Lappen, als er ein halbes Jahr bei den Lakers unterschrieb.

Es ist deshalb auch unangebracht, Fisher zu beschuldigen, er würde sich gerne einfach mal so aus Verträgen herausschummeln, um bei Titelanwärtern zu unterschreiben. Solche Stimmen waren nämlich laut geworden, nachdem er innerhalb eines Jahres sowohl den Rockets als auch den Mavericks vorzeitig den Rücken kehrte.

Glücksfall für OKC

Für die Thunder ist Fisher ein Glücksfall. GM Sam Presti verpflichtete den Guard im März anfangs nur als verlässliche Notlösung, die hinter den beiden jungen Aufbauspielern Russell Westbrook und Reggie Jackson für die nötige Ruhe sorgen sollte. Nach dem Supergau um Westbrook ist der Ernstfall jedoch schneller als erwartet eingetroffen und OKC sicherlich heilfroh, über einen derart erfahrenen Dirigenten zu verfügen.

Dabei lief es bei seinem zweiten Aufenthalt in Oklahoma City für den 38-Jährigen in der regulären Saison nicht wie gewünscht. 14 Minuten Einsatzzeit, 4 Punkte im Schnitt bei unterirdischen Trefferquoten (33 Prozent Field Goals, 35 Prozent Dreier) waren eines Derek Fisher im Grunde genommen unwürdig. Zumal er neben Durant und Westbrook nur als Spotup-Shooter funktionieren sollte.

Grausame Saison, Aufschwung in den Playoffs

Ein PER von 7.0 sowie eine 0/17-Quote innerhalb von sechs Partien ließen erste kritische Stimmen an Presti laut werden, weil dieser den jungen Point Guard Eric Maynor nach Portland für eine Trade Exception abgegeben hatte und stattdessen lieber auf Fisher vertraut hatte.

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Prestis Vertrauen hat sich in den vergangenen Wochen jedoch ausgezahlt, denn seit dem Saisonende für Russell Westbrook hat sich das Blatt für Fisher gewendet. Der Veteran bekommt deutlich mehr Minuten und liefert zuletzt wieder die Zahlen, die man von ihm erwartet.

Fisher ist zweifellos nicht mehr der Schnellste, erzielte in den letzten 6 Partien aber fast 10 Punkte im Schnitt und traf dabei beachtliche 16/26 Dreiern. Dadurch ist auch seine Feldwurfquote dramatisch in die Höhe geschnellt (50 Prozent). Vorläufiger Höhepunkt seiner Leistungssteigerung waren die 19 Zähler in der zweiten Partie gegen die Memphis Grizzlies.

"Derek bringt eine ganze Menge an Erfahrungen mit und ist zudem noch immer ein toller Spieler. Wir haben ihn nicht nur verpflichtet, damit er uns einige Anekdoten über Kobe und Shaq zum Besten gibt. Ich bin froh, dass er wieder zu alter Form gefunden hat und werde ihn weiterhin einsetzen," hatte Scott Brooks noch vor der Serie gegen die Grizzlies verkündet.

Karriereende im Sommer offen

Dass Fisher in dieser Saison das Trikot mit der Nummer 6 trägt, hat einen besonderen Grund.

"Die Zahl hat einen hohen Symbolcharakter für mich. Fünf Meisterschaften habe ich bereits gewonnen. Die 6 soll mir auf meinem Weg zum sechsten Titel Glück bringen," erklärte er bei seiner Vorstellung im März.

Ob es mit der sechsten Meisterschaft für D-Fish hinhauen wird, steht noch in den Sternen. Liefert der General in den kommenden Partien allerdings weiterhin so starke Leistungen ab, ist vorerst ein Weiterkommen gegen die Grizzlies mit Sicherheit nicht ausgeschlossen.

Sollte es dennoch mit der Saison schneller als erwartet zu Ende sein, kann Fisher sich durchaus einen weiteren Angriff im nächsten Jahr vorstellen: "Ich habe keine Pläne, meine Karriere nach dieser Saison zu beenden. Sollte jedoch im Sommer Schluss sein, habe ich es genossen, noch einmal Teil dieses Teams zu sein."

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