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Erkenntnisse zu Celtics vs. Heat, Spiel 2: Hat Jayson Tatum ein Problem im vierten Viertel?

Von Stefan Petri
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Die Boston Celtics haben auch Spiel 2 der Playoff-Serie gegen die Miami Heat vor eigenem Publikum verloren. Superstar Jayson Tatum wirft im Schlussviertel erneut Fragen auf, auch Head Coach Joe Mazzulla muss sich auf Kritik einstellen.

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Was die Heat angeht, muss dieser Autor allerdings Abbitte leisten: Die sind nämlich deutlich mehr als nur Jimmy Butler.

Den Überblick über alle Playoff-Serien gibt es hier.

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Celtics vs. Heat: SPOX-Redakteur muss Abbitte leisten

Ich gestehe: Das habe ich den Heat nicht zugetraut. Selbst nach der 4-1-Serie über die Milwaukee Bucks und dem abgeklärten Auftritt gegen die Knicks waren für mich die Celtics einfach mehrere Nummern zu groß. Sogar ein Sweep wäre möglich, hatte ich im Kader-Check geunkt, und dann auf Boston getippt, in 5 Spielen.

Asche auf mein Haupt.

Das heißt nicht, dass die Celtics diese Serie nicht doch noch gewinnen könnten. Sie sind extrem auswärtsstark, der Knoten kann immer noch platzen. Aber diesen zusammengewürfelten Haufen aus Rollenspielern - neun Mann aus dem 17-köpfigen Kader sind ungedraftet! - habe ich offenbar einfach unterschätzt.

Natürlich mutiert Jimmy Butler regelmäßig zum Superhelden, gerade in der Crunchtime. Natürlich ist Bam Adebayo ein All-NBA-Spieler, der defensiv dominieren und offensiv als Playmaker fungieren kann. Aber es ist eben auch nicht so, als würde das Duo alles im Alleingang regeln, wie wir es vor kurzem mit Devin Booker und Kevin Durant bei den Suns gesehen haben.

Boston Celtics vs. Miami Heat: Die Serie im Überblick

SpielDatumUhrzeitHeimAuswärtsErgebnis
118. Mai2.30 UhrBoston CelticsMiami Heat116:123
220. Mai2.30 UhrBoston CelticsMiami Heat105:111
322. Mai2.30 UhrMiami HeatBoston Celtics
424. Mai2.30 UhrMiami HeatBoston Celtics
5*26. Mai2.30 UhrBoston CelticsMiami Heat
6*28. Mai2.30 UhrMiami HeatBoston Celtics
7*30. Mai2.30 UhrBoston CelticsMiami Heat

*falls benötigt

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Nein, die Heat haben ein waschechtes Team aufgebaut, das größer ist als die Summe der einzelnen Teile. Die Rollenspieler sind hervorragend gecoacht, bringen die richtige Einstellung mit und haben sich das in sie gesetzte Vertrauen verdient, von Head Coach Erik Spoelstra bis hin zu Butler.

  • 10 Punkte waren die Celtics im 2. Viertel in Front und drauf und dran, nach dem 21:2-Run eine schnelle Vorentscheidung herbeizuführen. Auftritt Caleb Martin: 8 Punkte in Folge in knapp 80 Sekunden, alles wieder offen. 11-Punkte-Führung für Boston zum Ende des 3. Viertels, gleiches Szenario: 5 schnelle Punkte von Martin in Serie, wieder war ein Celtics-Run gestoppt. Wie oft der Swingman in dieser Saison schon 25 Punkte aufgelegt hatte? Klar: noch nie.
  • In Spiel 1 war Duncan Robinson in 7 Minuten ohne Punkte geblieben. Diesmal brauchte es den Scharfschützen aber unbedingt. Mit Butler auf der Bank war Boston zu Beginn des Schlussviertels 12 Punkte weg, aber Jimmy blieb sitzen - und sein Vertreter brachte Miami mit zwei Dreiern prompt wieder in Schlagdistanz.
  • Bei 1/7 aus dem Feld stand Gabe Vincent nach 47 absolvierten Minuten, zudem hatte er Jayson Tatum gerade beim Dreier gefoult - nur noch 105:103. Und was macht der Point Guard? Versenkt eiskalt einen Jumper über jenen Tatum und wenig später noch zwei Freiwürfe.

Ja, Butler ist mit Abstand der wichtigste Akteur aufseiten der Heat. Aber es ist kein Zufall, dass er in den letzten 2:33 Minuten nicht mehr scorte, sogar drei Würfe vergab, aber Miami den Sieg dennoch über die Ziellinie brachte.

Schon dreimal haben die Heat in der laufenden Postseason übrigens schon einen 10-Punkte-Rückstand im Schlussviertel noch gedreht. Die Bilanz aller übrigen Teams in dieser Hinsicht: 1-53.

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Celtics vs. Heat: Hat Jayson Tatum ein Problem im 4. Viertel?

Wenn wir schon dabei sind: Die "1" aus der 1-53-Statistik haben die Celtics zu verantworten, aus der Serie gegen die Atlanta Hawks. Es war also nicht das erste Mal, dass Boston einen beträchtlichen Vorsprung aus der Hand gab. Was ist da los? Wie konnten die Heat Game 2 mit einem 24:9-Lauf beenden?

Im Zweifelsfall wird in solchen Fällen immer zuerst auf den Superstar geschaut. Und da kommt Jayson Tatum auf dem Statistik-Zettel nicht gut weg: In Spiel 1 wiesen die Stats keinen einzigen Wurfversuch im Schlussviertel auf. Diesmal waren es drei, alle von der Dreierlinie. Keiner fiel. Erst 0/0, dann 0/3 - eine Frage der fehlenden "Cojones"? Versteckt sich Tatum in den entscheidenden Phasen, und das nach seinen Heldentaten gegen die Philadelphia Sixers?

Diese Analyse ist natürlich viel zu billig. Man kann in Plays involviert sein, ohne am Ende den Wurf zu nehmen, und das war Tatum auch. Er versteckte sich keineswegs. Nicht umsonst ging er in besagten Vierteln insgesamt elfmal an die Linie und versenkte dabei alle elf Freiwürfe. Gerade im Pick-and-Roll war Tatum auch in Game 2 häufig am Ball (3 Assists im Schlussviertel).

Was aber nicht heißt, dass Tatum in den entscheidenden Minuten nicht schwach spielte. Schon wieder. Das gehört nämlich auch zur Wahrheit dazu. In Spiel 1 waren es im 4. Viertel drei völlig überflüssige Turnover in den letzten drei Minuten. Diesmal leistete er sich im Schlussabschnitt zwei Ballverluste, darunter ein Offensivfoul bei noch 1:38 Minuten zu spielen. Drei der fünf Freiwürfe bekam er bei einem Dreierversuch quasi "geschenkt", und bei den übrigen zwei Freebies bekam er den Ball am Korb zurück, nachdem er ihn zuvor fast vertändelt hatte.

Spoelstra sah seinen Game Plan übrigens nicht als Grund für Tatums Probleme: "Manchmal gehen die Würfe rein, manchmal nicht. Er ist in der Lage, sie allesamt zu treffen. Wenn man gewinnt, sieht es immer besser aus."

Trotzdem war es ihm gelungen, Tatum nach drei sehr starken Vierteln durch ständige Double Teams weitgehend zu neutralisieren. Was uns zum nächsten Punkt bringt.

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Celtics vs. Heat: Bostons Joe Mazzulla muss sich steigern

Wo Spo seine Defense nämlich darauf ausrichtete, Bostons größte Stärke zu neutralisieren, blieb Joe Mazzulla auf der Gegenseite passiv, was Jimmy Butler anging. Der konnte sich im Schlussviertel sein Matchup schön aussuchen, ob in Iso oder im Switch nach Pick-and-Roll, und dann zu Werke gehen. Double- oder gar Triple-Teams wie gegen Tatum? Fehlanzeige.

"Wir müssen die Rebounds bekommen, wenn er nicht trifft", erklärte er, in der Pressekonferenz darauf angesprochen. "Es ist wichtiger, dass wir uns darauf konzentrieren, dass ihre Rollenspieler nicht ins Spiel kommen", betonte er, und kritisierte neben den zugelassenen Offensiv-Rebounds auch die offenen Dreier von Robinson. Nur: Die hatte er durch seine Drop Coverage gegen das Pick-and-Roll auch selbst zu verantworten.

Wieder begann er die Partie mit zwei Big Men, was es den Heat erlaubte, Kevin Love gegen einen zu verstecken und einen guten Start hinzulegen. Zur zweiten Hälfte brachte er dann White, die Celtics legten prompt einen Run hin und Love musste runter. Erst danach spielte Boston konstant mit einem Center und drei Guards.

Gegen die Zonenverteidigung schien den Celtics das richtige Rezept zu fehlen, dass Grant Williams im letzten Viertel Butler verteidigte, ging in die Hose - und Mazzullas Timeouts waren erneut fragwürdig. Nach Williams' Dunk zum 100:96 fiel den Celtics offensiv nicht mehr viel ein, Miami drehte sukzessive das Spiel, doch die Auszeit nahm Mazzulla erst wieder beim Stand von 103:107, 35 Sekunden vor Schluss.

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Auszeiten, Rotation, das Play-Calling, die Adjustments: Wirklich gut sieht der Rookie-Coach bislang nicht gut aus. Andererseits: Wenn die Würfe von draußen einfach nicht fallen, wird es jedes Team schwer haben. "Wir hatten gute Gelegenheiten", analysierte der 34-Jährige. "Wir haben sie einfach nicht verwandelt."

Angesichts der Schwierigkeiten, die Boston gerade in Late-Game-Situationen immer wieder an den Tag legt, sollte sich Mazzulla aber auch hinterfragen. Das hohe Pick-and-Roll von Tatum an der Dreierlinie wurde konstant geblitzt, weshalb er den Ball loswerden musste. Warum ihn nicht auch mal näher unter dem Korb füttern.

Gegen die Scrambling Defense der Heat musste dann andererseits ein guter Wurf eines freien Mannes gefunden werden, was natürlich zu Turnovern führen kann. Da agierten Tatums Nebenmänner auch oft kopflos: So stieg Jaylon Brown unter dem Korb einmal gegen gleich drei Gegenspieler hoch und wurde prompt abgeräumt, wenig später versuchte es Grant Williams one-on-one gegen Bam Adebayo - mit ähnlichem Erfolg.

Die Heat-Offense wirkte ungleich strukturierter, hatte es aber eben auch leicht. Butler bekommt in Isolation fast immer einen guten Wurf los, bei sehr niedriger Ballverlust-Gefahr.

Tatum verteidigte seinen Head Coach nach der Partie: "Joe hat heute keine Würfe verfehlt. Er hatte auch keine Ballverluste." Er wolle sich lieber darauf konzentrieren, was er selbst hätte besser machen können. Ohne Adjustments seines Coaches könnte das aber nicht genug sein.

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Celtics vs. Heat: Grant Williams taugt nicht zum Sündenbock

Ein Wort zum Schluss noch zu Grant Williams. Der Celtics-Reservist ist nicht immer der einfachste Spieler, ähnlich wie bei Marcus Smart deckt sich sein Selbstvertrauen nicht immer mit seiner Leistung.

In Spiel 1 schmorte er über 48 Minuten auf der Bank, weil Mazzulla auf Payton Pritchard setzte. Das ging schief, also durfte Williams ran, und zwar gleich 26 Minuten. Dass er insgesamt gut spielte (9 Punkte, 4/6, 2 Rebounds, 2 Assists) und im Schlussviertel minutenlang der einzige Celtic war, der aus dem Feld überhaupt traf, wird aber wenige interessieren - denn da war ja noch die Szene des Spiels, als er und Butler sich Stirn an Stirn angifteten.

Weil die Partie am Ende noch kippte, stand Williams natürlich prompt ein potenzieller Sündenbock bereit: Hatte sein Geplustere Butler nur dazu gebracht, noch eine Schippe draufzulegen? Hatte er einen schlafenden Hund geweckt? Als Butler prompt zweimal über ihn scorte und Mazzulla ihn anschließend rausnahm, schien alles klar. Grant Williams - Dillon Brooks 2.0!

Das ist dann doch ein bisschen einfach - und verkennt die Tatsache, dass Butler dieser Tage regelmäßig auftrumpft. Da braucht es keinen Trash Talk von Williams, um ihn zu motivieren. Wichtiger wäre die Frage, warum Butler von Williams verteidigt wurde und nicht von Derrick White. Der hatte im 3. Viertel nämlich einen richtig guten Job gemacht.

Es war also zweifellos richtig, dass Williams im Nachhinein von seinen Teamkollegen verteidigt wurde (mit einer Ausnahme). Beim nächsten Mal sollte der Celtic aber nicht nur Butler selbst im Blick haben, sondern auch die übrigen Heat-Akteure. Auf die hatte die Szene nämlich mit Sicherheit einen positiven Effekt - und wenn es nur ein Placebo-Effekt ist. "Ich wusste, dass uns gut für uns war", sagte etwa Caleb Martin. "Einen wütenden Jimmy nehmen wir immer gern."

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