Das war noch längst nicht alles!

Von Alexander Mey
Robben, Kuyt, Sneijder
© Getty

München - Küsschen für das kleine Fräulein Kuyt, Küsschen für das kleine Fräulein van der Sar, Küsschen für die Freundinnen. Die Elftal wollte nach dem 4:1 gegen Frankreich die ganze Welt herzen, auf dem Spielfeld reichten aber auch erst einmal die eigenen Familien.

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Jeder freute sich mit jedem über das vorzeitige Erreichen des Viertelfinals. Und das nicht gegen irgendjemanden. Immerhin setzten sich die Niederlande mit insgesamt 7:1 Toren gegen Weltmeister und Vize-Weltmeister durch.

"Italien war schon wunderbar, das ist genau dasselbe", sagte Spielmacher Wesley Sneijder, der wie gegen Italien auch gegen Frankreich zum Mann des Spiels gewählt wurde. "Super, Italien und Frankreich sind ja keine Mannschaften, über die man lacht."

110.000 Oranje-Fans lachten in Bern trotzdem und träumen nach nur zwei Spielen vom ersten großen Titel seit dem EM-Triumph 1988.

"Ich fand die Niederlande nicht so gut"

Youri Mulder hat nicht gelacht. Der ehemalige niederländische Nationalspieler war in Bern im Stadion und hat trotz des klaren Sieges noch deutliches Steigerungspotenzial gesehen.

"Ich fand die Niederlande gestern nicht so gut. 4:1 ist schön und gut, aber man muss auch auf das Spiel schauen. Frankreich hat super gespielt. Die Niederländer sind eine halbe Stunde lang sogar ziemlich weggespielt worden", analysiert Mulder im Gespräch mit SPOX.com.

Abfall gegenüber Italien-Spiel

Seiner Meinung nach war der Sieg sogar glücklich. "Sie haben in den richtigen Momenten die Tore gemacht. Wenn das 3:1 nicht fällt, dann gibt es hundertprozentig ein Unentschieden. 4:1 sieht zwar toll aus, aber man muss das schon relativieren. Gegen Italien waren sie viel besser."

Sein Eindruck täuschte offenbar nicht, denn Bondscoach Marco van Basten bestätigte: "Der Ausgang war glücklich. Ich glaube durchaus, dass es nach den Partien gegen Italien und Frankreich noch Kritikpunkte gibt."

"Natürlich ist man Favorit"

Natürlich kann man bemängeln, dass sich die Niederländer nach dem 1:0 zu sehr unter Druck haben setzen lassen und Glück hatten, dass Thierry Henry frei vor van der Sar stehend die große Chance zum 1:1 vergab.

Aber trotzdem bleibt am Ende die Erkenntnis, dass sich das Team auch gegen deutlich verbesserte Franzosen dank atemberaubenden Tempospiels und brillanter Technik durchgesetzt hat.

"Wenn man Weltmeister und Vize-Weltmeister schlägt, ist man natürlich Favorit", sagt Mulder und wagt die Prognose: "Ich denke, nur Portugal, Spanien und Deutschland können sie vielleicht schlagen."

Warnung vor Überheblichkeit

Aber auch nur vielleicht. Die Elftal ist so stark wie schon lange nicht mehr. Das wissen die Niederländer natürlich auch selbst. Und sie haben bei Deutschlands Niederlage gegen Kroatien gesehen, was passieren kann, wenn man sich seiner Sache ein bisschen zu sicher ist.

"Wir müssen auf dem Teppich bleiben", warnte Torschütze Arjen Robben. "Wenn wir in der K.o.-Runde ein Spiel verlieren, sind wir draußen und alles war für die Katz."

"Wir müssen uns für das Viertelfinale und die Spiele danach weiter steigern", sagte Ruud van Nistelrooy und erklärte, was seiner Meinung nach sein Team bei der EM so stark macht: "Ich stand schon zuvor in einigen Auswahl-Mannschaften, aber der Teamgeist war noch nie so gut wie diesmal."

"Die Jungs leben vom Teamgeist"

Aus einem Haufen starker Individualisten wie van Nistelrooy, Sneijder, Robben oder van der Vaart ist eine Einheit geworden. Das ist der eigentliche Unterschied zu der mäßigen EM-Qualifikation.

"Die Jungs leben vom Teamgeist", bestätigt Mulder. "Bei Qualifikationsspielen kann sich der in den drei Tagen, die man sich sieht, nicht entwickeln. In der EM-Vorbereitung haben die Trainer alles daran gesetzt, so einen Teamgeist zu entwickeln."

Mit Erfolg. Wenn die Elftal sich diese innere Geschlossenheit bewahrt, dann wird sie auf dem Weg zum Titel nur sehr schwer zu stoppen sein.

Denn am mangelnden spielerischen Potenzial kann eine Mannschaft, die es sich leisten kann, Arjen Robben und Robin van Persie auf die Bank zu setzen, eigentlich nicht scheitern.

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