BVB: Der Kader von Borussia Dortmund in der Analyse

Jochen Tittmar
23. Juli 202117:47
Muss beim BVB durch eine zerstückelte Vorbereitung: Der neue Trainer Marco Rose.getty
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Am Freitag beginnt das Trainingslager in Bad Ragaz, das erste Pflichtspiel zweieinhalb Wochen entfernt: Wie steht der BVB personell da? Die Kaderanalyse von Borussia Dortmund.

Bei Borussia Dortmund ist es besonders in den Jahren eines Turniers wie der Europameisterschaft immer so, dass die Vorbereitung auf die neue Saison aufgrund der zahlreichen Nationalspieler zerstückelt ist. Auch aktuell befinden sich noch einige EM-Fahrer im Urlaub, während der neue Trainer Marco Rose seit Anfang Juli bereits mit einem Rumpfkader an Profis trainiert.

Am Freitag nun beginnt der BVB mit dem Trainingslager im schweizerischen Bad Ragaz, am 7. August steht dann beim SV Wehen Wiesbaden im DFB-Pokal das erste Pflichtspiel an. Rose wird also enorm improvisieren müssen. Auch die Athletiktrainer stehen vor einer riesigen Herausforderung, alle Nachzügler schnellstmöglich auf einen gesunden Fitnessstand zu bekommen, ohne dabei Verletzungen zu riskieren.

Allzu viel Bewegung wird in den BVB-Kader voraussichtlich nicht mehr kommen. Dennoch gibt es bereits jetzt Fragezeichen, Sorgenkinder und Verkaufskandidaten.

BVB, Transfers: Die Zu- und Abgänge zur Saison 2021/22

ZugängeAbgänge
Gregor Kobel (VfB Stuttgart, 15. Mio. Euro)Lukasz Piszczek (Goczalkowice, ablösefrei)
Soumaila Coulibaly (PSG, ablösefrei)Jeremy Toljan (US Sassuolo, war zuletzt ausgeliehen, 3,5 Mio. Euro)
Abdoulaye Kamara (PSG, ablösefrei)Leonardo Balerdi (Olympique Marseille, 11 Mio. Euro)
Marius Wolf (1. FC Köln, Rückkehr nach Leihe)Sergio Gomez (RSC Anderlecht, 2,25 Mio. Euro)

Tor

  • Personal: Gregor Kobel (Vertrag bis 2026), Marwin Hitz (Vertrag bis 2023), Roman Bürki (Vertrag bis 2023), Luca Unbehaun (Vertrag bis 2022)
  • Fragezeichen: Roman Bürki
  • Kandidaten: -

Die Hierarchie im Dortmunder Kasten ist eine neue, der aus Stuttgart gekommene Kobel wird als Nummer eins in die Saison gehen. "Wenn wir einen jungen und talentierten Torhüter holen, von dem wir sehr viel halten und überzeugt sind, dann natürlich, um ihn spielen zu lassen", sagte Trainer Rose bereits.

Der langjährige Stammkeeper Bürki sucht sich derzeit einen neuen Verein und dass er bislang noch keinen gefunden hat, liegt daran, dass einige Interessenten zwischenzeitlich abgesprungen sind. Der Schweizer kann den BVB für eine Ablösesumme von rund fünf Millionen Euro verlassen. Es ist ein durchaus bemerkenswerter und in dieser Form gleichsam überraschender Abstieg, den Bürki im vergangenen Jahr in Dortmund hingelegt hat.

Das liegt auch an dessen Landsmann Hitz, der als Nummer eins solide, aber nicht herausragend hielt. Der 33-Jährige wird künftig wieder in die gewohnte Rolle als zweiter Mann hinter Kobel schlüpfen.

Bleibt noch Unbehaun, der im Vorjahr zehn Mal bei Pflichtspielen der Profis auf der Bank saß und ansonsten Stammkeeper der U23 ist. Daran dürfte sich auch in Liga drei nichts ändern, ab und zu wird dort wohl auch wieder Stefan Drljaca zu Einsätzen kommen.

Abwehr

  • Personal: Manuel Akanji (Vertrag bis 2023), Dan-Axel Zagadou (Vertrag bis 2022), Mats Hummels (Vertrag bis 2022), Soumaila Coulibaly (Vertrag bis 2024), Raphael Guerreiro (Vertrag bis 2023), Nico Schulz (Vertrag bis 2024), Marcel Schmelzer (Vertrag bis 2022), Thomas Meunier (Vertrag bis 2024), Mateu Morey (Vertrag bis 2024), Felix Passlack (Vertrag bis 2023)
  • Fragezeichen: Marcel Schmelzer
  • Kandidaten: Marcel Halstenberg (RB Leipzig)

Der aktuelle Problembereich im BVB-Kader ist die Innenverteidigung. Hummels weilt noch wie Akanji im EM-Urlaub, plagt sich aber mit anhaltenden Patellasehnenproblemen herum. "Er ist auf einem guten Weg. Er hat jetzt ein bisschen Zeit, um sich zu regenerieren und wird in der Zeit auch behandelt", erklärte Rose zuletzt bei Sky.

Es ist noch nicht sicher, ob Hummels im am Freitag beginnenden Trainingslager zur Mannschaft stoßen wird, Akanji wird es aber tun. Das heißt jedoch, dass die beiden Stamm-Innenverteidiger alles andere als gesund oder topfit zum Pflichtspielstart im Pokal bei Wehen Wiesbaden einzuplanen sind - und in Sachen Ersatz sieht es nicht viel besser aus.

Das Knie von Hummels bereitet weiter Sorgen.imago images

BVB-Kaderanalyse: Innenverteidigung als Problemzone

Pechvogel Zagadou kämpft seit einem guten Jahr mit Knieproblemen und erlitt immer wieder Rückschläge. Sportdirektor Michael Zorc sagte gegenüber den Ruhr Nachrichten: "Er ist weiterhin im individuellen Training, der Saisonauftakt ist aber kein Thema für ihn."

Auch Neuzugang Coulibaly laboriert noch an den Folgen seines in Paris erlittenen Kreuzbandrisses, der Franzose befindet sich im Aufbautraining und soll langsam herangeführt werden. Mit ihm ist wohl nicht vor Herbst zu rechnen - und dann käme er ohnehin aus einer langen Phase ohne Spielpraxis.

Das war es schon an gelernten Innenverteidigern im Dortmunder Kader. Bei den Profis mittrainieren durfte der 17-jährige Nnamdi Collins. Die BVB-Verantwortlichen halten große Stücke auf den schnellen 1,91-Meter-Mann und es wäre nicht auszuschließen gewesen, dass er angesichts der angespannten Lage zu ersten Einsatzminuten kommt. Collins verletzte sich am vergangenen Wochenende aber am Knie und wird mehrere Wochen fehlen.

Allrounder Can stünde wie in der Vorsaison ebenfalls noch als Innenverteidiger parat, doch auch der deutsche Nationalspieler ist noch nicht ins Training eingestiegen. Die EM-Fahrer Witsel und Delaney wären weitere Notnägel. Angesichts der vielen Gegentore im Vorjahr und der Möglichkeit, dass sich die Personalsituation weiter dramatisiert, bereitet dieser Bereich doch arge Bauchschmerzen. Aus der U23 hat Rose die Innenverteidiger Albin Thaqi, Lennard Maloney und Antonios Papadopoulos für das Trainingslager nominiert.

Auf den Außenverteidigerpositionen hat sich bis auf eine große Veränderung nichts getan: Lukasz Piszczek ist nach elf Jahren in Schwarzgelb Geschichte, ansonsten bleibt erst einmal alles beim Alten. Hinten rechts startet der im Vorjahr schwache Meunier einen Neuanfang, sobald er aus dem Urlaub zurückkehrt.

BVB angeblich mit Interesse an Marcel Halstenberg

Morey ist nach seiner schweren Knieverletzung noch lange außer Gefecht und könnte gar die gesamte Saison verpassen, so dass nur noch der auf beiden Seiten einsetzbare Passlack übrigbleibt. Notfalls müsste wieder Can aushelfen, auch Wolf wäre theoretisch denkbar - ideal sind diese Konstellationen nicht.

Auf der linken Seite wird Schulz, für den man weiterhin keinen Abnehmer findet, erneut chancenlos gegen Guerreiro sein. Der Portugiese ist jedoch deutlich besser etwas vorgezogener im Mittelfeld aufgehoben, so dass die Gerüchte um einen Transfer von Leipzigs Halstenberg durchaus Sinn ergeben. Momentan steht nicht fest, wie Rose dort plant, auch wenn er bei einem ausführlichen Einzelgespräch mit Schulz zu sehen war. Klar ist: Ohne einen Schulz-Abgang wird es keinen neuen Linksverteidiger geben.

Routinier Schmelzer, dessen Knie nun seit über einem Jahr Probleme macht, begann kürzlich wieder mit dem individuellen Training. Der Verein verlängerte seinen auslaufenden Vertrag um ein Jahr, Schmelzer liebäugelt mit einem Wechsel ins Ausland - beim BVB wird er unter normalen Umständen keine Chance mehr haben.

BVB: Alle Termine im Überblick

DatumTermin
23.-31. JuliTrainingslager des BVB in Bad Ragaz (Schweiz)
24. JuliTestspiel gegen Athletic Bilbao (St. Gallen)
30. JuliTestspiel gegen den FC Bologna (Altach)
7. AugustDFB-Pokal, 1. Runde gegen SV Wehen Wiesbaden (20.45 Uhr/Wiesbaden)
14. AugustBundesliga, 1. Spieltag gegen Eintracht Frankfurt (18.30 Uhr/Dortmund)
17. AugustSupercup-Finale gegen den FC Bayern (20.30 Uhr)

Mittelfeld

  • Personal: Emre Can (Vertrag bis 2024), Thomas Delaney (Vertrag bis 2022), Axel Witsel (Vertrag bis 2022), Jude Bellingham (Vertrag bis 2025), Mahmoud Dahoud (Vertrag bis 2022), Abdoulaye Kamara (Vertragsdauer unbekannt), Tobias Raschl (Vertrag bis 2022), Giovanni Reyna (Vertrag bis 2025), Julian Brandt (Vertrag bis 2024), Reinier (Vertrag bis 2022), Marco Reus (Vertrag bis 2023), Marius Wolf (Vertrag bis 2023)
  • Fragezeichen: Thomas Delaney, Tobias Raschl, Julian Brandt, Marius Wolf
  • Kandidaten: Marcel Sabitzer (RB Leipzig), Noni Madueke (PSV Eindhoven)

Am zentralen Mittelfeld mit Can, Delaney, Witsel, Bellingham - allesamt noch nicht im Training dabei - sowie Dahoud hat sich nichts geändert. Die Verpflichtung des 16-jährigen Kamara ist eine perspektivische, der Franzose trainiert aber wie auch bei PSG auf Anhieb bei den Profis mit.

Langfristig wird in diesem Bereich kein Weg an Bellingham vorbeiführen, auch Dahoud hat sich im vergangenen halben Jahr stark rehabilitiert. Raschl besitzt zwar wie Unbehaun oder Collins einen Profivertrag, war aber bereits im Vorjahr außen vor und wird entweder wechseln oder sich nach seiner guten Saison bei der U23 weiter in Liga drei versuchen.

Reinier im BVB-Kader wohl weiter mit schwerem Stand

Delaney gehört zu den möglichen Verkaufskandidaten im Kader. Der Däne träumt seit jeher von einem Wechsel in die Premier League, sein 2022 auslaufender Vertrag und eine gute Europameisterschaft dürfte diesem Wunsch entgegengekommen sein. Sein Abgang wäre zu verkraften, ein Verbleib jedoch auch keine schlechte Nachricht - Delaney ist mit seiner Erfahrung und Mentalität ein wichtiger Faktor im Team. Offenbar befindet sich der BVB mit ihm in Gesprächen bezüglich einer Verlängerung.

Nach zwei biederen Spielzeiten und der Nicht-Nominierung für die EM kämpft Brandt derzeit um einen festen Platz in der Mannschaft. Lucien Favre fand für Brandt keine Position und deshalb keine Verwendung, nun ist es an Rose, Brandts unverkennbare Stärken wieder zum Vorschein kommen zu lassen. In allererster Linie muss Brandt jedoch selbst zulegen, gerade was die Defensivarbeit betrifft. Zudem halten sich Gerüchte um einen vorzeitigen Abgang hartnäckig.

Reyna hat auf den Gold Cup mit der USA verzichtet, um in Dortmund im Kampf um die Stammplätze nicht hinten dran zu sein. Sein Einsatzgebiet - ob zentral oder auf den Außen - ist noch etwas ungewiss und wird auch damit zusammenhängen, welches Profil der Nachfolger von Jadon Sancho mitbringt.

Reinier dagegen wurde für Brasiliens Olympiakader nachnominiert und weilt nun in Tokio. Er dürfte einen ähnlich schweren Stand haben wie in der vergangenen Saison. Noch geringer sind die Perspektiven beim erneuten Leih-Rückkehrer Wolf, der sich wie im Vorjahr beim BVB wieder aufdrängen möchte, am Ende aber wohl ein weiteres Mal verliehen oder gar gänzlich verkauft wird.

BVB: Keine Transfers im zentralen Mittelfeld geplant

Bleibt noch Kapitän Reus, der freiwillig auf die EM verzichtete und seit dem Trainingsauftakt mit dabei ist. Für ihn ist die Zehn reserviert, sollte Rose aber auf ein System mit zwei Spitzen setzen, wäre Reus auch dort ein Kandidat.

Die in der Gerüchteküche gehandelten Transfers von Sabitzer und Madueke sind zuletzt nicht heißer geworden. Die Vertreter von Rechtsaußen Madueke, 19 Jahre alt, wurden zwar schon am Trainingsgelände der Borussia gesichtet, dabei sollen aber nur Sondierungsgespräche geführt worden sein. Der Engländer bleibt grundsätzlich gewiss ein Kandidat.

Sabitzer könnte man als Antwort auf einen möglichen Delaney-Abgang interpretieren, für die kolportierte Ablöse von 20 Millionen Euro wäre der Österreicher sogar erschwinglich. Aktuell sind in Dortmund aber keine Bewegungen auf der zentralen Mittelfeldposition angedacht.

Sturm

  • Personal: Thorgan Hazard (Vertrag bis 2024), Ansgar Knauff (Vertrag bis 2023), Erling Haaland (Vertrag bis 2024), Youssoufa Moukoko (Vertrag bis 2023), Steffen Tigges (Vertrag bis 2024)
  • Fragezeichen: -
  • Kandidaten: Donyell Malen (PSV Eindhoven)

Donnerstag vor einer Woche hat Torjäger Haaland die Vorbereitung aufgenommen, trotz aller Gerüchte wird der Norweger ziemlich sicher ein weiteres und womöglich letztes Jahr in Dortmund spielen. Das ist schon die beste Nachricht in diesem Mannschaftsteil, seine 57 Tore in 59 Pflichtspielen bedeuten nichts anderes als die Lebensversicherung für den BVB.

Haaland flankieren soll Eindhovens Malen, der mit seinem Tempo und der Dribbelstärke auch über die Flügel kommen könnte. Beim Niederländer hängt es in den Verhandlungen mit der PSV noch an der Ablösesumme, Malens gewiefter Berater Mino Raiola macht's einem halt auch nicht einfach. Es sollte jedoch verwundern, wenn Dortmund und Eindhoven am Ende keine Einigung hinkriegen, denn der Spieler ist sich mit dem BVB bereits einig.

So bleibt für den Moment wie im vergangenen Sommer Youngster Moukoko der zweite echte Stürmer im Kader, zumal sich Tigges weiter bei der zweiten Mannschaft verdient machen und nur in Ausnahmefällen einen Bankplatz bei den Profis beanspruchen wird - oder per Leihe nach Köln wechselt? Moukoko jedoch kommt aus einer fast vier Monate währenden Syndesmoseverletzung, zum Start des Trainingslagers soll er nun wieder voll belastbar sein und ins Teamtraining zurückkehren.

Soll kurz vor einem Wechsel zum BVB stehen: Donyell Malen.getty

Thorgan Hazard mit Neustart beim BVB nach Verletzungen

Rose kündigte an, den 16-Jährigen "schon auch schützen und behutsam aufbauen", aber nicht bremsen zu wollen. Der Trainer: "Ich bin gewillt, so gute junge Spieler zu fördern und sie irgendwann ins Spiel zu werfen."

Da darf sich auch Knauff angesprochen fühlen, der bei seinen plötzlichen Einsatzzeiten im Vorjahr auf Anhieb Eindruck hinterließ und effektiv war. Der 19-Jährige befindet sich in der Rolle des Herausforderers und dürfte zu regelmäßigen Einwechslungen kommen. Gut möglich jedoch, dass Knauff je nach Gemengelage bei den Profis auch in der U23 eingesetzt wird, um auf regelmäßige Spielpraxis zu kommen.

Hazard hat noch Urlaub, gleich drei Verletzungen verhagelten ihm eine konstante Vorsaison. Der Belgier fliegt weiterhin etwas unter dem Radar, seine 31 Torbeteiligungen in 71 Pflichtspielen für den BVB sind aber beachtlich. Er dürfte - aus anderen Beweggründen - ähnlich große Motivation wie Brandt mitbringen, das vermaledeite vergangene Jahr vergessen zu machen.