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"Kevin, du klaust unsere Übungen!"

Holger Geschwindner hat mit seinem Schützling Dirk Nowitzki noch Großes vor
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SPOX: Wie sehen Sie die Personalien Kaman und Dennis Schröder?

Geschwindner: Für Chris sind das Trainer-Thema und Dirks Entscheidung natürlich wichtig. Er weiß, dass es für Deutschland ohne die komplette Truppe schwierig wird. Kaman wünscht sich ein Konzept für eine funktionierende Mannschaft. Bei Schröder ist die Ausgangslage etwas anders: Er wird davon profitieren, die Mannschaft zu leiten, unabhängig von ihrem Abschneiden. Wenn es ein Konzept gibt und die Drei dabei sind, ist bei der EM ein Platz unter den ersten Fünf möglich - was uns einen großen Schritt Richtung Rio näher bringen würde.

SPOX: Sehen Sie in Schröder bereits einen fertigen NBA-Profi?

Geschwindner: Es gibt noch etliche Dinge, die er lernen kann. Noch lassen die Gegner ihn einfach stehen, weil er noch nicht konstant genug werfen kann. Es sind ein paar Zauberpässe dabei, nur wenn man den Wurf nicht verteidigen muss, wird es für den Trainer schwierig. Tony Parker hat gezeigt, dass man das Werfen lernen kann. Selbst Jason Kidd hat sich das im fortgeschrittenen Alter angeeignet. Schröder hat noch Zeit, er besitzt auf jeden Fall Talent.

SPOX: Nowitzkis Wurftechnik hingegen ist stilbildend für die NBA, sodass sogar Kevin Durant einen privaten Shot Doctor engagiert hat, der mit Ihren Trainingsmethoden vertraut ist: Adam Harrington, zwischen 2002 und 2003 kurzzeitig in Dallas und 2006/2007 in Bamberg unter Vertrag. Wie kommt das?

Geschwindner: Adam hat sich damals unserer Trainings-Gruppe in Bamberg angeschlossen. Er war immer sehr neugierig und ließ sich auf alles ein. Er war mit uns am Starnberger See zum Rudern und abends im P1. Seitdem gehört er zu uns. In einer Fernsehsendung über Durants Sommertraining konnten wir unsere Übungen bestaunen, woraufhin Dirk an KD textete: "Kevin, du klaust unsere Übungen!". KD antwortete: "Wenn man schon klaut, dann nur vom Besten."(lacht)

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SPOX: Neben der Arbeit mit Nowitzki sind Sie bei "BasKIDball" engagiert. Obwohl es als soziales Projekt konzipiert ist, entwickelt sich "BasKIDball" zunehmend zu einem Zentrum zur Förderung von Toptalenten. In einer umgebauten Lagerhalle in Bamberg trainieren unter anderem Jugendspieler vom ortsansässigen TTL, die 2013 deutscher Meister bei der U 14 wurden. Was ist der Hintergrund?

Geschwindner: Wir wollten Jugendlichen eine Möglichkeit anbieten, ihre Freizeit sinnvoll zu gestalten und dabei etwas zu lernen. Daher schließe ich am Samstag und am Sonntag die Halle auf, und jeder kann kommen, um an seinen Individualfähigkeiten zu arbeiten. Freiwillig, unabhängig von Leistungsstärke und Vereinszugehörigkeit. Und es scheint gut anzukommen: Viele rufen an, wenn sie eine freie Schulstunde haben, und fragen, ob sie in die Halle können.

SPOX: Warum die Betonung auf "Individualfähigkeiten"?

Geschwindner: In dem Alter geht es darum, dass die Kids Spaß haben und dabei das technische Handwerkszeug mitbekommen. Die Idee ist ein bisschen wie damals in Würzburg mit Dirk und den Buben. Die Kids sollen Basisfähigkeiten erlernen. Es macht wenig Sinn, zu früh mit dem Hallenschach anzufangen. Das kommt schnell genug und es reicht, wenn man als 16-Jähriger damit konfrontiert wird. Als wir 2011 in Bamberg anfingen, waren 12-Jährige dabei, die Spaß an der Sportart fanden und jetzt noch regelmäßig kommen.

SPOX: Mit "Hallenschach" beschreiben Sie das Bemühen vieler Nachwuchstrainer, Jugendlichen relativ früh mannschaftlich-taktische Elemente beizubringen.

Geschwindner: Unsere Überlegung war: Wir bieten ausschließlich Individualtraining an, so sollte kein Jugendtrainer der Welt sauer sein, weil sich seine Spieler individuell verbessern und wir nicht in seine Taktik reinreden. Allerdings ist das in der Realität, mit Vereinspolitik und Trainingszeiten, oft nicht so einfach wie gedacht.

SPOX: Aussagen von Ihnen wie "Wenn jeder Bundesligaspieler könnte, was diese Buben können, wäre ich heilfroh" werden von einigen im Basketball-Establishment als Provokation bewertet. Wie gut sind denn die Jugendlichen, die Sie betreuen?

Geschwindner: In Deutschland neigt man bisweilen dazu, die Kids zu früh zu Stars machen zu wollen. Die werden in Hotels einquartiert, statt wie Dirk früher in der Turnhalle zu schlafen. Es wird viel dummes Zeug gemacht. Aber bei "BasKIDball" sind einige wirklich Pfiffige und Gute dabei, die Übungen beherrschen, die einige Bundesliga-Spieler nicht mal ansatzweise nachmachen könnten. Mit Sicherheit werden viele, die regelmäßig zu uns kommen, bei BBL-Truppen unterkommen.

SPOX: Um was für Übungen handelt es sich?

Geschwindner: Wir machen kein Geheimnis daraus. Die Übungen kann man sich alle frei zugänglich auf dirkometrix.com anschauen. Die Grammatik des Basketballs erfordert technische Grundlagen. Und wer keinen grammatikalisch richtigen Basketball-Satz bilden kann, stottert und stolpert. Ein Problem im deutschen Basketball ist, dass diese Grundwerkzeuge noch nicht ausreichend vermittelt werden.

SPOX: Wie meinen Sie das?

Geschwindner: Ich ziehe den Hut vor jedem, der in seiner Freizeit die Turnhalle aufschließt und die Meute betreut, damit die Kids Basketball spielen können. Oft sind das Eltern, die selbst einmal Basketball gespielt haben und jetzt ihr Wissen von damals weitergeben. Das ist sinnvoll, es spricht nichts dagegen. Nur ist das zu wenig, um an die Spitze zu kommen. Trotzdem gibt es in Deutschland kaum systematische Trainerausbildung, um zu gewährleisten, dass die Talente der Kinder entwickelt werden - oder dass zumindest die schlimmsten Fehlentwicklungen vermieden werden. Mehr machen wir bei "BasKIDball" auch nicht.

Seite 1: Geschwindner über Nowitzki und den Bundestrainer

Seite 2: Geschwindner über Kaman, Schröder und die Jugendarbeit

Seite 3: Geschwindner über die BBL und den DBB

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