NBA

"Kevin, du klaust unsere Übungen!"

Holger Geschwindner hat mit seinem Schützling Dirk Nowitzki noch Großes vor
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SPOX: Sie kritisierten in der Vergangenheit die BBL. Wobei es mittlerweile eine Lizenzbedingung ist, dass die Bundesliga-Teams hauptamtliche Jugendtrainer einstellen. Das dürfte Ihnen gefallen, oder nicht?

Geschwindner: Aus organisatorischer Sicht kann man das natürlich so machen. Das Problem dabei: Es gibt nur wenige qualifizierte Jugendtrainer für diese Stellen. Bei den meisten Klubs entscheidet der Cheftrainer der Profis, was die Jugendteams können sollen. Das ist in meinen Augen nicht gut durchdacht. Wenn ein Cheftrainer zum Beispiel sagt, dass alle Jugendmannschaften das Pick'n'Roll spielen müssen - wem bringt das was? Ein 15-Jähriger lernt das Pick'n'Roll und schafft es bis in die Profitruppe - aber ist der Coach von damals noch im Amt? Das ist eher unwahrscheinlich. Ein Kind sollte sein eigenes Talent entwickeln und nicht primär dem Trainer zuarbeiten. Ich spreche mich ganz klar dafür aus, dass Diversität gefördert wird.

SPOX: Der DBB hat offenbar Defizite erkannt und plant, einen zweiten Sportdirektor einzustellen. Wie es heißt, um die Jugendförderung zu stärken. Zumindest vom Ansatz her etwas, das Sie begrüßen?

Geschwindner: Auf dem organisatorischen Level kann man tausend Sachen beschließen, aber im Grunde ist es eine Mentalitätsfrage. Sind die Strukturen für die Kids da oder die Kids für die Strukturen? Wir diskutieren viel über Konzepte, nur wann erzielen wir eine Wirkung? In zwei Jahren? In fünf? In zehn? Der Ungar Laszlo Papp, nach dem zweiten Weltkrieg einer der besten Boxer der Welt und dreifacher olympischer Goldmedaillengewinner, wurde nach seiner Karriere zum Box-Trainer umfunktioniert und sollte andauernd irgendwelche Planpapiere verfassen, anstatt in der Halle zu stehen. Er stellte die sehr treffende Frage: "Wollt ihr Berichte oder Boxer?" Diese Einstellung vermisse ich häufig. Man sollte immer mit der Praxis beginnen.

SPOX: Ist das nicht illusorisch in einer bürokratisierten westlichen Gesellschaft?

Geschwindner: Die Konzepte und Visionen, die entwickelt werden, zeigen bis jetzt nur geringe Fortschritte Richtung europäische Spitze, wo wir eigentlich sein sollten. Die letzten Bundestrainer wollten alle langfristig planen. Nicht bis 2016, sondern bis 2020 und noch weiter in die Zukunft! Jedoch müssen wir im Hier und Jetzt antreten und uns messen lassen. Wir müssen bei der Nationalmannschaft weg vom "Jugend forscht"-Ansatz. Da können wir auf die Teilnahme an Großturnieren verzichten und den Spielern zuhause bei der Entwicklung helfen. Egal ob man es schafft oder nicht: Wenn man bei einer Europameisterschaft startet, sollte man Europameister werden wollen. Punkt.

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SPOX: Was beim DBB-Team während der letzten Großturniere auffällt, ist die fehlende Stressresistenz. Dabei bekommen viele Nationalspieler bei Ihren Klubs mehr Spielminuten als noch vor fünf Jahren.

Geschwindner: Die Quotenregelung mit sechs Deutschen in einer Mannschaft hat vor allem die Preise für die deutschen Spieler nach oben getrieben. Das Niveau hingegen blieb ähnlich niedrig. Es hätte andersherum laufen müssen: Erst die Grundausbildung der Basketballer verbessern - und dann die Quotenregelung bei einem größeren Angebot an qualifizierten Spielern. So sehen wir das Phänomen, dass in engen Spielen, vor allem in den europäischen Wettbewerben, oft nicht die Eigengewächse eingesetzt werden, die die Nationalmannschaft wiederum tragen sollen. Sollte da nicht umgedacht werden?

SPOX: Wie sehen Sie die Aussichten von Tibor Pleiß? Er geht einen ungewöhnlichen Weg und will sich über Spanien in die NBA durchbeißen.

Geschwindner: Leider kann man die NBA in Europa nicht simulieren. Du musst rüber und dich dort messen, eine echte Vorbereitung darauf gibt es nicht. Die durchschnittliche Dauer einer NBA-Karriere beträgt etwa drei Jahre. Und das auch nur, weil die Verträge für die in der ersten Runde gedrafteten Rookies garantiert sind. Ansonsten wäre sie vermutlich noch kürzer. Um in der NBA zu bestehen, gehören nicht nur die basketballerischen Fähigkeiten dazu, sondern ein stabiles mentales Konzept. Fünf Spiele in sieben Tagen, zig Flüge von Ost nach West - wer steht sowas auf Dauer durch? Tibor sieht beim FC Barcelona im täglichen Training, wie es in der europäischen Spitze zugeht. Und das ist nur Europa. In der NBA warten auf ihn Herauforderungen wie Anthony Davis.

SPOX: Sehen Sie nicht dennoch einen Aufschwung? An der Summer League nahmen beispielsweise so viele deutsche Profis wie nie teil.

Geschwindner: Stellen Sie sich ein Spiel gegen Spanien oder gegen Frankreich vor. Unsere BBL-Center gegen die Gasols? Unsere BBL-Point-Guards gegen Tony Parker? Die Summer League mag bei der ersten Teilnahme spannend sein, um neue Erfahrungen zu sammeln. Da lernt man zur Selbsteinschätzung potentielle Mitbewerber kennen. Aber die individuelle Ausbildung wird an der Summer League nicht gefördert, obwohl es eigentlich immer um die sportliche Entwicklung gehen sollte.

Seite 1: Geschwindner über Nowitzki und den Bundestrainer

Seite 2: Geschwindner über Kaman, Schröder und die Jugendarbeit

Seite 3: Geschwindner über die BBL und den DBB

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