Jaroslav Drobny: Auf zur nächsten Tür

Von Oliver Wittenburg
Jaroslav Drobny absolvierte bislang 120 Bundesliga-Spiele für Bochum, Hertha und den HSV
© Getty

Jaroslav Drobny ist ein Jahr später als geplant die Nummer eins beim Hamburger SV. Der Tscheche hat in seiner Karriere nicht immer nur Glück gehabt und ist trotzdem - oder gerade deshalb - genau der richtige Mann für den Neustart beim Bundesliga-Dino.

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Also mal wieder ein Debüt: zum ersten Mal als "rechtmäßige" Nr. 1 des Hamburger Sport-Vereins in der Bundesliga. Davor: Pflichtspieldebüt als HSV-Stammkeeper im Pokal in Oldenburg.

Es lässt sich nur mutmaßen, was sich Jaroslav Drobny für seine Premieren vorgenommen hat, aber vermutlich hat er sich die beiden Spiele etwas angenehmer vorgestellt, als sie dann liefen.

Vier Gegentore und dabei nahezu keine Möglichkeit, sich vernünftig auszuzeichnen, ist etwas zu wenig, um seinen Saisonstart in irgendeiner Weise als besonders gelungen zu beschreiben, auch wenn er sich keine nennenswerten Fehler geleistet hat.

Es lässt sich viel eher annehmen, dass sich der 32-jährige Tscheche keinen großen Träumereien im Voraus hingegeben hat. Und mit ziemlicher Sicherheit kann man davon ausgehen, dass er sich vom durchwachsenen Neustart nicht verunsichern lassen wird.

"Du kannst nichts planen im Leben. Du hast dich mit dem auseinanderzusetzen, was passiert. Das hat mir die nötige Gelassenheit gegeben", erzählt Drobny im Gespräch mit SPOX. "Wenn mal eine Tür zufällt, tut sich irgendwo eine neue auf."

Man könnte es sein Lebens- oder zumindest Karrieremotto nennen, das er verinnerlicht hat, weil er genau weiß, wie es aussieht, wenn man immer wieder von Rückschlägen gebeutelt wird, welcher Natur auch immer.

Die Premier League ruft

Drobny hat diverse Male von Null beginnen müssen in seiner Laufbahn.

2001 machte er sich nach ersten Profierfahrungen in der tschechischen Heimat auf Wanderschaft und landete in Griechenlands Hauptstadt bei Panionios. Vier Jahre war er dort Stammkeeper, avancierte zum besten Spieler der Liga. Zweimal erreichten er und sein Team den UEFA-Cup und schlugen sich mit Gegnern wie dem FC Barcelona und dem FC Sevilla herum.

Der nächste Karriereschritt war nur eine Frage der Zeit. Und richtig: Die Premier League wollte Drobny haben. London rief. Beim FC Fulham sollte der damals 25-Jährige Nachfolger eines gewissen Edwin van der Sar werden, den Manchester United dem Ligakonkurrenten abgeworben hatte.

Über Holland, Ipswich und Bochum fast in die CL

Drobny unterschrieb einen Dreijahresvertrag, doch sollte er nie ein Spiel für die Cottagers absolvieren. In der Vorbereitung in den USA zog er sich eine Knieverletzung zu, musste operiert werden und bekam keine Chance mehr, weil Fulham gleich zwei neue Keeper kaufte.

Über ADO Den Haag und den englischen Zweitligisten Ipswich Town landete Drobny schließlich Anfang 2007 beim VfL Bochum in der Bundesliga. Dort setzte er sich auf Anhieb durch und zog im folgenden Sommer weiter zur Hertha nach Berlin.

Auch dort avancierte er gleich zum Stammkeeper. Ein solider zehnter Platz mit den fünftwenigsten Gegentoren der Liga war die Bilanz der ersten Saison. Dann folgte Herthas irres Jahr, in der man noch am 25. Spieltag die Tabelle anführte. Am Ende reichte es haarscharf nicht für die Champions League, dennoch hatte die Hertha großen Eindruck gemacht - nicht zuletzt wegen ihres überragenden Keepers.

"Die schlimmste Erinnerung"

Und dann kam das, was Drobny sicher mit einbezieht, wenn er sagt "Du kannst nichts planen im Leben". Die Hertha spielte ein denkwürdiges Seuchenjahr und stieg ab. Für Drobny ist es die "schlimmste Erinnerung meiner Karriere". Doch er musste nicht mit in die 2. Liga, denn der HSV wollte ihn als neue Nummer eins für den in die Jahre gekommenen Frank Rost.

Doch der setzte sich in der Vorbereitung durch und schickte Drobny auf die Bank. Ganze fünf Einsätze bekam er, weil sich Rost am Knie verletzte. Mehr aber auch nicht. Auch das war sicher nicht geplant.

Jetzt ist Rost über den großen Teich und mit einjähriger Verspätung tritt Drobny seinen Dienst für den HSV an. Es ist der soundsovielte Neustart für den langen Schlaks und somit passt er ganz gut zum HSV. Für den Traditionsklub beginnt nach einem Prozess der Selbstreinigung ebenfalls ein neues Kapitel. Große Teile des Personals auf allen Ebenen sind neu, genauso wie das Selbstverständnis des Klubs.

Mit gutem Beispiel voran

Mit Drobny hat der HSV den perfekten Protagonisten am rechten Fleck. Einen, der auch in Stresssituationen gefasst und ruhig bleibt, aber zur Not auch mal laut werden kann, wenn es die Situation - nicht seine persönliche Eitelkeit - erfordert.

Und er will mit gutem Beispiel vorangehen und erstmal Leistung bringen: "Groß rumquatschen hilft nicht, wenn ich die ganze Zeit die Bälle aus dem Netz holen muss", sagt er. Und auch: "Ich will dabei mithelfen, dass wir wieder mehr als Mannschaft funktionieren. Das ist unser aller Ziel."

Die vergangene Saison, auch wenn er als Dauerreservist nicht allzu sehr im Fokus stand, empfand er so, wie man sie nur empfinden kann: schlecht.

Keine Alibis mehr

Doch jetzt sind die Grundlagen geschaffen, um etwas Besseres hinzukriegen, findet er: "Der Verein hat uns alle Voraussetzungen dafür gegeben. Irgendwelche Unruhe im Verein kann nicht mehr unsere Alibi sein. Wir müssen hier auch nicht über Einzelpersonen wie Elia oder Guerrero sprechen. Im letzten Jahr wurde ja wohl kaum jemand den Erwartungen gerecht. Wenn unsere Mannschaft funktioniert, funktioniert auch jeder einzelne besser."

Drobny ist einer, an dem sich andere und gerade die zahlreichen Jüngeren im HSV-Kader orientieren können. Und Drobny hat das neue Klubmantra verinnerlicht und weiß um die Fragilität des neuen HSV. Geduld ist jetzt gefragt und Bescheidenheit. Oder sollte man sagen: Sinn für Realität?

"Warum sollten wir jetzt wieder über große Ziele sprechen?", fragt Drobny. "Viele Spieler sind gegangen, ein paar junge dazu gekommen. Lasst uns jetzt arbeiten. So ein Umbruch braucht immer Zeit. Alle reden jetzt von Dortmund, aber die waren auch drei Jahre auf dem Weg."

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