"Nicht alle wollen einen neuen Radsport"

Von Daniel Börlein
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© Getty

München - Gerne denken wir an den Sommer 2006 zurück. Deutschland war Gastgeber für eine rundum gelungene Fußball-Weltmeisterschaft. Auch den Januar dieses Jahres hat man in guter Erinnerung. Damals feierten die Handballer ihr Wintermärchen, mit einer perfekten WM.

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Eine Weltmeisterschaft findet auch in diesen Tagen wieder in Deutschland statt. Von einer gelungenen will allerdings niemand reden, von einem "Herbstmärchen" schon gar nicht. Die sportlichen Leistungen stehen ohnehin längst nur noch an zweiter oder dritter Stelle.

Beherrschendes Thema ist einmal mehr: Doping, und alles was dazu gehört. Doch so richtig scheint sich der Radsport nicht von seinem größten Problem lösen zu können - oder zu wollen.

"Wir wollten bei einem Neuanfang mithelfen"

"Wir wollten mithelfen bei einem Neuanfang im Radsport. Aber das ist - Stand heute - nicht gelungen", sagte Stuttgarts Sport-Bürgermeisterin Dr. Susanne Eisenmann im Gespräch mit SPOX.com.

"Nicht alle wollen scheinbar einen neuen Radsport", so Eisenmann, die weiter erklärt: "Wir haben eine dreiseitige Vereinbarung ausgehandelt, die die Zielsetzung eines Neuanfangs definiert, in dem sie sehr strikte Bekämpfungsmaßnahmen gegen Doping vorsieht und damit verbundene Konsequenzen festlegt."

Doch an diese Vereinbarung will sich nun scheinbar nicht jeder halten. "Bedauerlich ist, dass die, die am meisten daran interessiert sein müssten, nämlich die Radsportverbände, sich von dieser Grundlage immer weiter entfernen", so Eisenmann.

Auch Doping-Jäger Professor Werner Franke bewertete die Vorgänge bei der WM in der "tz" als Farce: "Die Stadt Stuttgart ist vorgeführt worden. Frau Eisenmann ist doch richtig verarscht worden. Frau Eisenmann ist die verarschteste Person der ganzen Welt."

Kein Verständnis für McQuaid

Stuttgarts Sport-Bürgermeisterin hat vor allem für das Verhalten von UCI-Präsident Pat McQuaid keinerlei Verständnis. "Ich finde es bedauerlich, dass McQuaid sagt, dass Paolo Bettini (italienischer Fahrer, der die Vereinbarung nicht unterschreiben will, Anm. d Red.) für ihn ein ganz wichtiger Faktor ist, er auch starten wird und er das auch richtig findet. Das ist für mich mit einem Neuanfang definitiv nicht vereinbar."

McQuaid habe die Vereinbarung selbst unterschrieben, so Eisenmann. Doch nun müsse man "den Eindruck haben, als ob die UCI der Meinung ist, es lohnt sich nicht, in Stuttgart tatsächlich einen Neuanfang zu beginnen. Das sieht man auch an Herrn McQuaids Äußerung, man müsse den Doping-Kampf zwar ernst nehmen, aber man müsse es nicht übertreiben. Das ist die bezeichnendste Aussage."

Klage gegen UCI möglich

Auch die "Sport-Stadt" Stuttgart leidet unter dem inkonsequenten Auftreten der UCI. Zwar sei kein Imageschaden zu befürchten, so Eisenmann, weil "wir sehr viel positive Resonanz und Respekt erfahren haben, dafür, dass wir uns klar positioniert haben." Doch finanziell ist die WM für die Schwaben ein erhebliches Verlustgeschäft. "Es wird ein deutliches Defizit zu erwarten sein. Es ist in einer Größenordnung bis zu einer Million denkbar", sagte Eisenmann.

Zumindest einen Teil des Geldes will sich die Stadt aber wieder vom Radsport-Weltverband zurückholen. "Wir behalten uns vor, mit einer Schadensersatzklage gegenüber der UCI aufzutreten", kündigt die Bürgermeisterin an.

Fürs Straßenrennen am Sonntag hofft Eisenmann auf einen Sieger "ohne Doping-Vergangenheit". Aber selbst wenn es so kommt: Als "Herbstmärchen" wird die WM in Stuttgart sicher nicht in die Geschichtsbücher eingehen.

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