Ralph Krueger im Interview: "Der Sport wird ein Impfstoff sein für die Menschheit"

Ralph Krueger erzählt im Interview, wie er Jürgen Klopp kennenlernte.
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Verfolgen Sie auch die Pandemie mit einem Blick auf die Leadership-Fähigkeiten handelnder Personen?

Krueger: Mir hat es schon sehr imponiert, wie Angela Merkel Deutschland bis jetzt durch die Pandemie geführt hat. Das war aus meiner Sicht vorbildlich. Ich glaube aber, dass jeder Einzelne von uns in seiner kleinen Welt Verantwortung übernehmen und Leadership-Qualitäten beweisen muss. Und ich muss ehrlich sagen, dass ich sehr viel Disziplin sehe, wenn ich mich in letzter Zeit umgeschaut habe, ob das in Buffalo war oder jetzt in der Schweiz. Es gibt immer Menschen, die in die falsche Richtung schwimmen, die gibt es aber in jeder Mannschaft. Das sind Ausnahmen. Überwiegend sehe ich viele Menschen, die gemeinsam durch diese schwierige Zeit kommen wollen, das gibt mir Hoffnung.

Wir müssen zum Abschluss noch ein wenig über Eishockey sprechen. Leon Draisaitl wurde zum MVP der letzten NHL-Saison gekürt. Wie haben Sie seine Entwicklung beobachtet?

Krueger: Ich erinnere mich spontan an den World Cup 2016, als ich Leon trainierte. Er hat damals das wichtige Tor gegen Tschechien geschossen in der Verlängerung und wir haben ihm viel Vertrauen gegeben. Wir hatten ein Bully in der eigenen Zone und wir haben Leon, unseren jüngsten Spieler im Kader, rausgeschickt. Viele haben gelacht, als er aufs Eis gekommen ist. Aber wir haben damals schon gesehen und gespürt, dass er diese Verantwortung will und bereit für sie ist. Ich kenne Leon sogar noch viel länger aus Jugendzeiten, ich glaube, dass seine Mutter einen unglaublich großen Einfluss auf seine tolle Entwicklung hatte, vor allem auf den Menschen Leon. Er glaubt an sich, er hat immer mehr Selbstvertrauen bekommen und er hat extrem hart an seinem Spiel gearbeitet. Der verdiente Lohn war jetzt die MVP-Trophäe. Für das deutsche Eishockey ist das natürlich ein Wahnsinnserfolg. Dazu kommt, dass Roman Josi zum besten Verteidiger gewählt wurde. Zwei der wichtigsten Auszeichnungen sind an einen Deutschen und an einen Schweizer gegangen. Und auch in Österreich tut sich was, wenn wir an Top-10-Pick Marco Rossi denken. Leon wird eine ganze Generation an deutschen Spielern inspirieren, so richtig spüren werden wir das erst in acht bis zwölf Jahren.

Während sich bei den Spielern viel tut, ist es bei den Coaches noch etwas schwieriger. Marco Sturm ist seit einiger Zeit Assistent bei den L.A. Kings, aber als Deutscher Head Coach in der NHL zu werden ist verdammt schwer.

Krueger: Ich habe es selbst erlebt. Ich war 13 Jahre lang Nationaltrainer in der Schweiz und es war völlig unmöglich, mehr angeboten zu bekommen als eine Assistenzrolle. Die Ironie des Schicksals ist, dass mir meine Zeit im Fußball in Southampton mehr Türen geöffnet hat als alle Jahre zuvor meine Erfolge im Eishockey. Ich hätte nie gedacht, dass Southampton ein Sprungbrett für mich sein wird. Es ist schwierig, Head Coach in der NHL zu werden. Es gibt nur 31 Jobs, gefühlt zirkulieren 20 Coaches und dann gibt es vielleicht noch zehn Plätze, die neue Trainer ergattern können. Und meistens kannst du das nur schaffen, wenn du dich vorher als Head Coach unterklassig in der American Hockey League empfohlen hast. Aber Marco hat auf jeden Fall das Zeug dazu, Head Coach in der NHL zu werden. Das hat er als Bundestrainer gezeigt. Er hat die Basis dafür geschaffen, jetzt muss er auch das Glück haben, dass sich die richtige Tür öffnet, aber es ist wirklich schwierig.

Ralph Krueger ist als Head Coach der Buffalo Sabres in die NHL zurückgekehrt.
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Ralph Krueger ist als Head Coach der Buffalo Sabres in die NHL zurückgekehrt.

Ralph Krueger über Titel-Ambitionen mit den Buffalo Sabres

Im Moment ist noch unklar, wann die neue NHL-Saison startet. Aber wenn sie startet: Wie nahe sind die Sabres um Topstar Jack Eichel dran, ein Top-Team zu werden?

Krueger: Im Moment habe ich sehr viel Selbstvertrauen. Wir waren auch in der vergangenen Saison nicht weit von den Playoffs entfernt, bis uns eine schlechte Serie am Ende das Genick brach. Aber wir haben sehr viel daraus gelernt, wir haben jetzt ein viel stärkeres Fundament und wir haben im Sommer mit Taylor Hall und Eric Staal zwei Weltklasse-Spieler dazubekommen. In der NHL geht es immer um wenige Prozentpunkte, die den Unterschied ausmachen. Es ist nicht wie in Europa, wo die Leistungsstärken in den Ligen so weit auseinander liegen. Es geht extrem eng zu, aber ich glaube, dass wir in der nächsten Saison eine Playoff-Mannschaft sein werden und dass wir danach auch den Schritt gehen können, um ganz vorne anzugreifen. Davon bin ich überzeugt.

Sie sind jetzt 61 Jahre alt. Was macht Ralph Krueger in fünf Jahren?

Krueger: (lacht) Keine Ahnung. Als 61-Jähriger macht man keine langfristigen Pläne mehr. Ich habe sogar schon vor zehn Jahren aufgehört, 3-5-Jahrespläne aufzustellen. Ich genieße jedes Jahr und bin momentan super happy mit meiner Aufgabe in Buffalo. Wenn irgendwann nochmal der Zeitpunkt für eine Veränderung kommen sollte, werden wir sehen, was passiert. Vielleicht bleibe ich dann im Eishockey, vielleicht zieht es mich auch nochmal zurück zum Fußball. Der Fußball hat inzwischen auch seinen Platz in meinem Herzen, insofern würde ich niemals nie sagen.