Ralph Krueger im Interview: "Der Sport wird ein Impfstoff sein für die Menschheit"

Ralph Krueger erzählt im Interview, wie er Jürgen Klopp kennenlernte.
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Ralph Krueger war 13 Jahre lang Schweizer Eishockey-Nationaltrainer. Er war Head Coach in der NHL bei den Edmonton Oilers, ehe er sich in ein sechsjähriges Fußball-Abenteuer als Präsident des FC Southampton in der Premier League stürzte. Seit Mai 2019 ist der 61-Jährige zurück in der NHL - als Head Coach der aufstrebenden Buffalo Sabres.

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Im Interview mit SPOX und Goal blickt Krueger auf seine Zeit in der Premier League zurück und verrät, was seine schwierigste Stunde war.

Außerdem erklärt er, warum es ihn wieder auf die Trainerbank zurückzog, was für ihn Jürgen Klopps Führungsstil ausmacht und warum der Sport in der Corona-Pandemie wie ein zweiter Impfstoff wirken könnte.

Herr Krueger, Southampton war am letzten Spieltag kurzzeitig Tabellenführer der Premier League, wie sehr fiebern Sie noch mit Ihrem alten Klub mit?

Ralph Krueger: Ich verfolge Southampton sehr intensiv. Gerade jetzt in der Phase, in der wir in der NHL noch Pause haben, habe ich auch die Zeit, mir alles anzuschauen. Einige meiner Spieler bei den Sabres sind auch große Premier-League-Fans. Ich bin überglücklich, dass es bei den Saints so gut läuft. Mich freut es vor allem, dass das Team von Spielern geprägt wird, die schon sehr lange im Klub sind. Ich denke sofort an James Ward-Prowse, der 17, 18 Jahre alt war, als ich anfing, und der sich jetzt zu einem herausragenden Premier-League-Spieler gemausert hat. Das Herz der Mannschaft sind immer noch Ward-Prowse, Bednarek, Romeu, Stephens, Armstrong, Redmond - und dazu sind einige Spieler gekommen, die sehr gut hineinpassen. Wir hatten in der Vergangenheit schon ein paar Mal mit Theo Walcott über einen Wechsel gesprochen. Dass er jetzt quasi nach Hause gekommen ist und seine internationale Erfahrung in die Mannschaft einbringt, hat das Gebilde nochmal gefestigt. Wir hatten einige schwierige Jahre in Southampton, umso mehr freut es mich, dass sich der Klub jetzt wieder zu einem ernsthaften Top-10-Kandidat entwickelt.

Sie waren sechs Jahre Southampton Boss, wie würden Sie das Abenteuer Fußball mit dem Abstand von heute beurteilen?

Krueger: Für mich war es ein Abenteuer, das aus zweierlei Sicht extrem wertvoll war. Zum einen war es eine unglaubliche Erfahrung, die ich machen durfte. Bevor ich nach Southampton kam, stand ich kurz davor, Mitglied eines Councils im Weltwirtschaftsforum zu werden. Das Thema dort wären verschiedene Modelle von Leadership gewesen. Aber statt mich dort nur in der Theorie damit zu beschäftigen, konnte ich es in Southampton direkt in die Praxis umsetzen. Meine Rolle dort war wie ein Führungs- und Teambuilding-Projekt, wie ich es mir besser nicht hätte erträumen können. Ich hatte die Chance, ein Management-Team und eine Klubkultur aufzubauen, es hat zum damaligen Zeitpunkt perfekt in mein Leben reingepasst. Ich bin Katharina Liebherr (ehemalige Besitzerin der Saints, Anm. d. Red.) sehr dankbar für das Vertrauen, das sie in mich gesetzt hat.

Trotzdem hat es Sie wieder zurück in die Trainerrolle gezogen.

Krueger: Es war wie ein Magnet, der mich mit der Zeit immer näher zurück auf die Trainerbank gezogen hat. Ich habe das ganz stark gespürt, als ich Ralph Hasenhüttl überreden konnte, nach Southampton zu kommen. Seine Verpflichtung war so etwas wie mein Abschiedsgeschenk an die Saints. Als ich mich mit Ralph traf und die Gespräche führte, merkte ich: So gut er auch ist, eigentlich wollte ich das machen, was er macht. Das war ganz witzig. Die Erfahrung, ein Sport-Unternehmen auf Weltklasse-Niveau aus der Vogelperspektive zu leiten, war grandios. Ich habe Beziehungen fürs Leben aufgebaut, ich habe zum Beispiel immer noch Kontakt zu Ronald Koeman. Für das alles bin ich dankbar. Aber die Erfahrung hat auch dafür gesorgt, dass mir die Pause vom Coaching so gutgetan hat, dass es mich wieder aufs Feld bzw. jetzt wieder aufs Eis gezogen hat. Ich habe in Buffalo die Freude am Coaching wiedergefunden.

Sie haben in Southampton erfolgreiche Jahre erlebt, gerade unter Koeman, und in der Europa League mitgespielt, Sie haben aber auch sehr schwierige Jahre im Abstiegskampf nahe am Abgrund durchstehen müssen. Was war die schwierigste Zeit?

Krueger: Ich habe die guten Jahre nicht so genossen, wie ich es hätte tun sollen. Wenn ich eines bereue, dann ist es das. Wir hätten in den guten Jahren öfter innehalten und realisieren sollen, was wir geschafft hatten. Ich möchte aber auch den Abstiegskampf nicht missen. Der Abstiegskampf war eine sensationelle Lebenserfahrung. Ich habe viel mehr aus diesen Zeiten gelernt als aus den erfolgreichen Jahren. Ich habe keinen Schlaf verloren, weil ich mir Sorgen um meinen Job gemacht habe. Ich hatte Sorgen um 200 Mitarbeiter, die wir hätten entlassen müssen. Unser Budget wäre bei einem Abstieg von 180 Millionen Pfund auf maximal noch 80 Millionen geschrumpft. Mit diesen extremen Unterschieden planen zu müssen, war hart. Das schwierigste Jahr war mit Abstand die Saison, als wir Mauricio Pellegrini entlassen mussten und die Saison mit Mark Hughes beendeten. So viel Druck und Stress hatte ich vorher im Eishockey nur ein einziges Mal empfunden.

Ralph Krueger tauchte als Vorstandsvorsitzender in Southampton ins Fußball-Business ein.
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Ralph Krueger tauchte als Vorstandsvorsitzender in Southampton ins Fußball-Business ein.

"Gehst du diesen Schritt einmal, gehst du ihn für immer"

Wann war das?

Krueger: Das war bei der WM 2004. Wir trafen in Prag im letzten Zwischenrunden-Spiel mit der Schweiz auf Deutschland mit Coach Hans Zach und mussten das Spiel gewinnen. Deutschland reichte ein Unentschieden, damals gab es noch keine Verlängerung. Vor dem Spiel klar: Wer am Ende gewinnt, wird für längere Zeit zu den Top 8 der Welt gehören. Es stand extrem viel auf dem Spiel. Zum Glück haben wir durch ein Tor von Valentin Wirz im zweiten Drittel 1:0 gewonnen. Mit der Folge, dass das deutsche Eishockey danach stagnierte und es in der Schweiz extrem vorwärts ging. Mit Southampton war es dann das Spiel in Swansea im Mai 2018, das wir durch ein Tor von Gabbiadini in der 72. Minute 1:0 gewannen. Hätten wir das verloren, wären wir weg vom Fenster gewesen. Wenn du so knapp in der Liga bleibst, fühlt sich das wie ein Meistertitel an.

Sie haben es in England erlebt, wie es ist, mit chinesischen Besitzern zusammenzuarbeiten. Was war das für eine Erfahrung?

Krueger: Generell bin ich es aus Nordamerika und auch aus der Schweiz gewöhnt, dass Klubs Besitzer haben. Ich bin aber auch im Herzen Romantiker und war zu meinen Spielerzeiten in Deutschland bei der DEG oft bei Fortuna Düsseldorf. Es ist ganz schwierig zu sagen, welches Modell besser ist. Ich weiß aber, dass wir aus England immer neidisch nach Deutschland geschaut haben, wenn es um die Themen Zuschauer und Marketing ging. Genauso wie vielleicht Deutschland neidisch rüber schaut, wenn es die TV-Gelder und das Sponsoring betrifft. Wir haben immer gestaunt, wie in Deutschland die Massen bewegt werden, auf der anderen Seite haben wir es in England aber gar nicht nötig gehabt, uns damit größer zu beschäftigen, weil bis zu 75 Prozent der Einnahmen eh aus dem TV-Vertrag kommen. Da bist du dann nicht so sehr gezwungen, in anderen Bereichen noch Gelder zu generieren. Wichtig zu wissen ist, dass das Modell in Deutschland mit der 50+1-Regel gut funktioniert und dass man es nie wieder zurückdrehen kann, sollte es einmal geändert werden. Gehst du diesen Schritt einmal, gehst du ihn für immer.