FCB: Was kommt nach dem Drama dahoam?

Von Thomas Gaber
Karl-Heinz Rummenigge (l.) und Uli Hoeneß wirken zunehmend ratlos.
© Getty

Der FC Bayern muss eine traumatische Saison der zweiten Plätze aufarbeiten, wird sich dabei aber nicht neu erfinden. Um endlich wieder Titel zu gewinnen, sind Maßnahmen allerdings unumgänglich.

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Es ist nicht mal eine Woche her, als Bayerns oberster Herr im Staat mit seinen eigenen Leuten abrechnete. Ministerpräsident Horst Seehofer nahm sich nach dem Wahldebakel der CDU in Nordrhein-Westfalen die vermeintlichen Verursacher zur Brust. "Ich bin nicht mehr bereit, das zu akzeptieren. Wir müssen in allen Bereichen besser werden und ich werde nicht zur Tagesordnung übergehen", lautete Seehofers Botschaft.

In der Nacht von Samstag auf Sonntag, lediglich drei Stunden nach dem Drama dahoam des FC Bayern München, rechnete Bayerns zweitoberster Herr im Staat mit seinen eigenen Leuten ab.

"Ich habe auf dem Platz ein paar Dinge gesehen, die mir nicht gefallen haben. Wenn man drei Titel verspielt, gibt es gewisse Probleme. Ich habe auf Dauer keine Lust auf Platz zwei. Das ist ein Zustand, den ich nicht akzeptiere. Vielleicht haben wir nicht genug Spieler, die so einen Sieg erzwingen wollen. Ich habe keinen Jens Jeremies gesehen, der dem Gegner schon beim Einlaufen in die Wade beißt", sagte Klub-Präsident Uli Hoeneß, nachdem er die erste Enttäuschung überwunden hatte.

Kein besonders charmanter Angriff auf eine Mannschaft, die immerhin binnen drei Jahren zwei Champions-League-Finals erreicht hat. Doch diese Mannschaft ging eben auch zwei Mal als Verlierer vom Platz, 2012 freilich extrem unglücklich, weil die Bayern über 120 Minuten die klar spielbestimmende Mannschaft waren, es allerdings versäumten, einen ihrer zahlreichen Matchbälle zu verwehrten.

Müller geht voran

Hoeneß dürfte nicht gefallen haben, dass sich die Mehrheit der Spieler vor dem Elfmeterschießen drückte. Und dass Bastian Schweinsteiger Arjen Robbens verschossenen Elfmeter fernab des Geschehens mit dem Rücken zum Chelsea-Tor erlebte, ebenfalls nicht. Derbe ausgedrückt, unterstellt Hoeneß einigen Spielern Verpisser-Mentalität.

Thomas Müller und Manuel Neuer demonstrierten, dass es auch anders geht. Nach seiner Auswechslung sprang Müller permanent von der Bank auf, um mit Worten und Gesten lautstark auf seine Kollegen einzuwirken. Vor dem Elfmeterschießen flehte er Anatolij Tymoschtschuk an, gefälligst anzutreten.

Neuer legte sich in der regulären Spielzeit sogar mit Mannschaftsarzt Dr. Müller-Wohlfarth an, als der den nach einem Foul am Boden liegenden Franck Ribery behandeln wollte. Neuer scheuchte Müller-Wohlfarth mit einer eindeutigen Handbewegung weg; der Doc solle ja nicht den Spielfluss unterbrechen.

Wieder kein Plan B erkennbar

Dass die Bayern am Samstag bereits das dritte Finale (zwei CL-Finals und das Pokalfinale gegen Dortmund) innerhalb der letzten drei Spielzeiten verloren und zudem in dieser Saison das Meisterschaft vorentscheidende Duell beim BVB, liegt aber sicher nicht nur am vermeintlichen Fehlen von Führungsspielern.

Gegen Chelsea wurde erneut deutlich, dass dem FC Bayern ein Plan B fehlt gegen gut organisierte Defensivreihen. Robben und Ribery wurden von den Londonern meist erfolgreich gedoppelt; eine Strategie, mit der Borussia Dortmund in den letzten Spielen gegen die Bayern erfolgreich war. Ohne ihre Flügelspieler sind die Münchner in ihrem Angriffsspiel limitiert.

Mario Gomez konnte sich in 120 Minuten nur einmal gegen Kettenhund Gary Cahill durchsetzen und war auch als Anspielstation im Zentrum nicht zu gebrauchen.

Mangelnde Alternativen auf der Bank

Das größte Problem hat der FC Bayern aber im Fehlen echter Alternativen zur Stammformation. Der FC Chelsea hatte trotz vier gesperrter Spieler noch Fernando Torres, Michael Essien oder Daniel Sturridge auf der Bank. Bei den Bayern fehlten drei Spieler gesperrt, die Qualität auf der Ersatzbank war überschaubar.

Insbesondere in der Offensive mangelt es an Spielern, die den etablierten Ribery, Robben oder Gomez Druck machen. Ob der Schweizer Xherdan Shaqiri dazu fähig ist, muss sich erst noch herausstellen.

60 Millionen Euro hat der FC Bayern in dieser Champions-League-Saison eingenommen. Es ist stark anzunehmen, dass davon ein nicht unerheblicher Teil in die Verbesserung des Kaders fließen wird, zumal Jupp Heynckes bereits kurz nach seinem Amtsantritt die fehlende Breite des Kaders moniert hatte.

Stürmer Olivier Giroud aus Montpellier bestätigte bereits das Interesse des FC Bayern. Claudio Pizarro soll Medienberichten zufolge schon fast auf dem Rückweg nach München sein. Auch der Name Robert Lewandowski ist in München weiterhin ein Thema, obwohl der BVB einen Wechsel des Polen nach der EM kategorisch ausgeschlossen hat.

BLOG: Welcher Weg wird eingeschlagen?

Hoeneß' Ziel: National wieder Nummer eins

Hoeneß und Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge kündigten an, in den nächsten Tagen die Saison der zweiten Plätze analysieren zu wollen. Einen radikalen Schnitt wird es nicht geben. Der Kern der Mannschaft hat langfristige Verträge und auch Jupp Heynckes soll seinen Vertrag bis 2013 in jedem Fall erfüllen.

Inwieweit das Trauma vom Samstag die Zukunft des Vereins beeinflusst bzw. belastet, ist nicht vorhersehbar. Fest steht, dass die Verarbeitung lange andauern wird. Hoeneß stellte Sonntagnacht klar, dass es in der nächsten Saison in erster Linie darum gehe, national wieder die Nummer eins zu werden.

Von der Champions League hat Hoeneß scheinbar erst einmal genug. Verständlich. Von den letzten sechs Landesmeistercupfinals verloren die Bayern fünf (1982, 1987, 1999, 2010, 2012).

Vielleicht hat das Drama dahoam aber auch etwas Gutes. Nach dem Sekundentod von Barcelona 1999 holten die Bayern zwei Jahre später den Pokal nach München. "2001 wäre nicht halb so schön gewesen, hätten wir zwei Jahre zuvor nicht so dramatisch verloren", sagte damals einer, den Uli Hoeneß am Samstag gerne dabei gehabt hätte: Jens Jeremies.

Nachbericht: Alles noch viel schlimmer als 1999

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