Julian Nagelsmann: Opfer der Umstände oder Teil des Problems beim FC Bayern?

Von Justin Kraft
Richtungsweisendes Spiel für Julian Nagelsmann: Das Rückspiel gegen den FC Villarreal ist wohl das wichtigste Spiel seiner bisherigen Zeit beim FC Bayern.
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FC Bayern: Ist Nagelsmann Teil des Problems?

Alles an Nagelsmann festzumachen, wäre aber die falsche Schlussfolgerung. Wenn der Wechsel zurück zum 2-3-5 die goldene Lösung wäre, hätte der 34-Jährige es wohl längst versucht.

Denn eines kann man ihm sicher nicht vorwerfen: Dass er nichts probieren würde.

Dreierkette, vier Innenverteidiger, eine Sechs, Doppelsechs, zwei extrem offensive Flügelverteidiger, hohes Pressing, weniger hohes Pressing, neue Rollen für einzelne Spieler - Nagelsmann hat einiges getan, um Formschwächen und Ausfällen entgegenzuwirken. Wenig davon hat nachhaltig funktioniert.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der Kader ihm in den letzten Monaten nur wenige Optionen geboten hat.

Die Neuzugänge suchen nach wie vor ihre Form und selbst etablierte Stützen wie Thomas Müller, Serge Gnabry oder auch Joshua Kimmich sind zuletzt fehleranfälliger geworden.

Bayern hat ein Kader-Problem

Die Ausfälle von Goretzka und Müller konnten schlicht nicht ohne taktische Wechsel aufgefangen werden. Im Mittelfeld fehlte Kimmich dann plötzlich defensiv eine Stütze und auch im Spielaufbau war er zu oft auf sich alleine gestellt. Davies hingegen war einer der Schlüsselspieler für die engere Grundausrichtung. Kein anderer Spieler im Kader kann seine Rolle so offensiv interpretieren und gleichzeitig defensiv mit aushelfen.

Auch deshalb sah sich Nagelsmann wohl dazu gezwungen, einige gute Ideen erstmal zu verwerfen. Omar Richards war eine Wette auf die Zukunft, die bisher nicht aufging und Lucas Hernandez fehlt es an offensiver Qualität.

Seine Mittel waren also begrenzt. Eine Umkehr der Asymmetrie war ebenfalls nicht möglich, weil der Kader auf der rechten Seite keinen offensiv ausgerichteten Außenverteidiger bietet.

Diese Dysbalance gilt es im Sommer auf dem Transfermarkt zu beheben. Bayern muss sich wohl eingestehen, dass der Trainer, so wichtig seine Rolle auch ist, nicht alle Defizite eines Kaders mit taktischen Mitteln lösen kann. Diese Erwartungshaltung ist insbesondere auf Spitzenniveau utopisch.

Richtungsweisendes Spiel für Julian Nagelsmann: Das Rückspiel gegen den FC Villarreal ist wohl das wichtigste Spiel seiner bisherigen Zeit beim FC Bayern.
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Richtungsweisendes Spiel für Julian Nagelsmann: Das Rückspiel gegen den FC Villarreal ist wohl das wichtigste Spiel seiner bisherigen Zeit beim FC Bayern.

Großer Teil der Verantwortung liegt beim Trainer

Nagelsmann muss sich dennoch Kritik gefallen lassen. Das betrifft neben den taktischen auch personelle Fragen. Mit Tanguy Nianzou und Jamal Musiala zeigten zuletzt zwei Spieler, dass sie formstärker sind als ihre erfahreneren Konkurrenten. Dennoch vertraute Nagelsmann ihnen im Zweifelsfall nicht. Müller hängt beispielsweise seit einigen Wochen in einem Formtief, spielt aber nach wie vor fast immer.

Als Marc Roca eine gute Phase im Winter hatte, bekam er in Stuttgart ein Sonderlob vom Trainer, der selbstkritisch anmerkte: "Heute hat er mir gezeigt, dass es ein Fehler war, ihn so selten zu bringen." Bald ließ er den Spanier aber wieder fallen. Roca hat seine Defizite im Defensivspiel, bekam aber auch nie eine echte Chance. Alles nur Worthülsen von Nagelsmann?

In Hoffenheim und Leipzig wurde ihm jeweils zu Recht nachgesagt, dass er in der Lage sei, qualitativ eher schwächere und junge Spieler zu integrieren. Ihm wurde auch nachgesagt, dass er während eines Spiels oft die richtigen Mittel findet, um einen Spielverlauf positiv zu verändern. Beides hat er bei den Bayern noch nicht nachhaltig nachgewiesen.

So berechtigt einige Argumente sind, die ihn in Schutz nehmen: Vielleicht ist die Verantwortung, die Nagelsmann für die jetzig Situation trägt, doch größer, als es vielerorts angenommen wird. Fakt ist aber auch: Gewinnen die Bayern überzeugend gegen Villarreal, werden viele der Kritikpunkte erstmal wieder in den Hintergrund rücken.

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