Die furchtbare Rache des BVB

Von Max-Jacob Ost
Wieder ein Erfolg für den BVB: Kevin G. definierte Zwölftonmusik neu
© Getty

Aus! Schluss! Vorbei! 34 Spieltage sind vorüber und die Messe in der Liga ist gelesen. Aus diesem Anlass gibt es diesmal eine besondere Alternative Liste. Mit Zeugnissen für alle Vereine. Soviel sei verraten: Besonders gut weg kommt dabei der 1. FC Nürnberg.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Hertha: Der letzte Pfiff der Saison ging unter. Ein Ball holperte über die Torlinie im Olympiastadion, auf den Rängen gründeten sich spontane Friede-Freude-Eierkuchen-Flashmobs, Klausi Wowereit wedelte grenzdebil mit einem Hertha-Fähnchen und mittendrin in diesem Trubel setzte Thorsten Kinhöfer an zum schwächlichsten Abpfiff der Saison. Mit der Erleichterung im Blick, dass es nun vorbei ist.

Dabei hätte diese Saison mehr verdient gehabt. Denn selten offenbarte sich so eindeutig: Die Bundesliga ist wie ein LSD-Trip durchs Takatukaland. Man musste nicht einmal weit umherblicken, um das zu erkennen. Mit der Hertha hat sich eine Mannschaft zum Ausscheiden in der Relegation gerettet, die mit Michael "Rasierer" Skibbe und Gogo-Attack-Girl Otto Rehhagel das ganze Spektrum der Naturkatastrophen in Trainerform durchprobiert hat. Garniert von einem Rosenkrieg auf RTL2-Niveau zwischen Sportdirektor Michael "das K in meinem Namen steht für Konzept" Preetz und Markus "ich bin niemand, der nachtritt, aber Hertha muss absteigen" Babbel. Und das in einem Umfeld mit der fröhlichen Bodenhaftung von Helium. Für Genießer hier mal ein Zitat vom ersten Spieltag:

"Jeder weiß, dass es eine grandiose Leistung war, nahtlos den Wiederaufstieg zu schaffen. Das war auch ganz wichtig! Aber die Erwartungshaltung sollte auch nicht zu hoch geschraubt werden. Trotzdem: Mittelfeld sollte schon sein, nicht so grade mal 14. - oder was weiß ich was! Sondern es darf schon zehnter, neunter Platz sein, damit da ein sicherer Abstand ist. Hertha muss gut mitspielen - das ist die Erwartungshaltung!"

Das passt wie Faust auf Frank Rost: Selbst der hauptberufliche Fähnchenschwenker Klaus Wowereit konnte schon am ersten Spieltag mit nur einem Satz vorhersagen, wie geordnet und sinnvoll die gesamte Saison ablaufen würde. Gegen Hoffenheim hat sich die Hertha nun also eine Verlängerung erstolpert, die ungefähr so sehenswert sein dürfte wie ein Bildband mit Nahaufnahmen der Augenbrauen von Daniela Katzenberger. Aber immerhin: Trotz Skibbe, trotz Preetz und trotz Lell hat es dazu gereicht. Das laue Schlusspfiffchen in der Berliner Luft war deshalb das Understatement des Tages. Angemessener wäre zum Abschluss der Saison gewesen: Ein Feuerwerk!

Köln: Leider dachten sich das auch einige Wenige in Köln und verwandelten ihr Wohnzimmer nach Abpfiff in etwas, das der Drehkulisse des nächsten Sat.1-Film-Films mit Veronica Ferres und Heino Ferch im Kampf gegen irgendwas mit Tunneln oder dem Weltkrieg erschreckend nahe kam. Sinnbildlich für eine Saison voller Missverständnisse und einzelnen Selbstdarstellern beim FC. Und so trottete der Prinz von Köln widerwillig in die Katakomben, seiner letzten Ehrenrunde beraubt. Der FC muss sich fragen lassen, ob es für die Zukunft nicht ein Konzept sein könnte, es mal mit weniger Chaos und Chaoten zu probieren.

Präsident weg, Sportdirektor weg, Trainer weg, Ultras weg, erste Liga weg, Ruf weg. Der Verein gewordene Subtrahent schaut auf eine Spielzeit zurück, in der Pech und Idiotie gefährlich nah beieinander lagen. Bei allen Störgeräuschen um einige Wenige (egal ob Fans oder Verantwortliche) geriet fast völlig aus dem Blickfeld, dass sich ein Großteil der Mannschaft hinter einem Alibifußball aus Querpässen und der berühmten Taktik "Mach et, Poldi!" versteckte. Die Zehn soll beim FC bis zum Karriereende Podolskis nicht mehr vergeben werden. Vielleicht wäre es eine sinnvolle Taktik, dafür die Nummern Zwei bis Elf ordentlich durchzuwechseln. Dann klappt es auch mit den Montagsspielen.

Lautern: Vermutlich hat Krassimir Balakow bis heute noch nicht realisiert, dass auch er den Montagabend in Zukunft nicht mehr mit Lockenwicklern im Haar im Schaumbad verbringen kann. Bis zuletzt hatte man den Eindruck, das magische Eineck wäre mit der Saisonvorbereitung ganz zufrieden und freue sich nun auf den Start in die Erstligasaison. Weil wir es gut mit den Lauterern meinen, hier ein Pro-Tipp: In der zweiten Liga könnte es helfen, wenn man nicht mit der Harmlosigkeit einer Seniorengruppe beim Bridge-Nachmittag auftritt. Und bitte nicht immer so beleidigt gucken wie einst Anke Huber beim Satzverlust nach Rückhand Slice wenn der Gegner so frech ist und in dieses Ding geht, das man "Zweikampf" nennt. Passt auch besser zu eurem Bob Ross an der Seitenlinie. "It's not a mistake. It's just a happy little accident..."

Freiburg: Lautern hat Bob Ross - Freiburg hat eine Mischung aus Chuck Norris und einem badischen Heinz Becker. Wer in der Rückrunde so selbstbewusst spielt, dass sogar Sebastian Freis mit der Brust eines Hulk auf's Spielfeld läuft, der könnte auch Gregor Gysi zum bayerischen Ministerpräsident machen. Chapeau, Freiburg! Wenn ihr es jetzt noch bis zur nächsten Saison schafft, einen Dolmetscher für Christian Streich zu organisieren, freuen wir uns sehr auf weitere Interviews. Was macht eigentlich Robin Dutt gerade?

Leverkusen: Wahrscheinlich steht der gerade im "Capitano? Kenne ich nicht!"-Shirt vor der Dartscheibe und wirft Pfeile auf ein Foto von Rudi Völler - oder je nach Begabung Reiner Calmund. Vielleicht hat er auch ein Messi-Trikot an, man weiß es nicht. Fest steht: Seine Mission, der ganzen Liga ihre Lächerlichkeit zu demonstrieren, ist unglaublich gut aufgegangen. Mit seinem Konzept der rhetorischen dritten Halbzeit unter der Überschrift "Alles war super. Welches Spiel haben Sie denn bitte gesehen?" hat er Leverkusen gnadenlos revolutioniert. Und auf dem Platz lief es ja auch ganz ordentlich - meist waren zu Beginn der Spiele elf Mann auf dem Rasen. Passt also. Dass Leverkusen mit dieser Ausrichtung und einer spielerischen Taktik, die frappierend an Bullshit-Bingo erinnerte, trotzdem auf Platz fünf gelandet ist - das ist mal ein saftiger Tritt in die Weichteile der Liga. Gerüchten zufolge hat vor allem Felix Magath seit Samstag einen herrlichen Sopran.

Wolfsburg: Das macht aber eigentlich auch nichts. Denn Shopping-Queen Felix M. lässt sowieso lieber die VW-Kreditkarte sprechen. Mit einem Kader groß wie Frankreich ließ der Trainerfuchs die Provisionen für Immobilienmakler in und um Wolfsburg explodieren. Noch heute tragen die meisten Neuzugänge Namensschilder, damit sie sich erkennen. Und während die Mannschaft zum Warmmachen den berühmten Kreisel bildet (Ihr kennt das: 20 in der Mitte, 100 außenherum), reibt sich der Darth Vader Niedersachens begeistert die Hände. Selten wurde ein Konjunkturprogramm für eine ganze Region so wirksam getarnt. Eigentlich ein Wunder, dass Magath den Durchlauferhitzer noch nicht in Berlin angeworfen hat. Bei dem Gedanken daran wackelt bestimmt nicht nur Klaus Wowereit ganz aufgeregt mit seinem Fähnchen.

Hoffenheim: Von so begeisterten Zuschauern wie dem Berliner Oberbürgermeister kann Hoffenheim nur träumen. Wenigstens bewies die tapfere Hundertminusneunundneunzigschaft der TSG-Ultras in dieser Saison Humor. Ganz ehrlich: Den eigenen Mannschaftsbus zu blockieren und zu skandieren "Scheiß Millionäre!" ist so grandios, dass es von Monty Python hätte sein können. Getoppt nur noch vom Jahrhundert-Neuzugang, dem "Tillmans Toasty" der deutschen Torhüter.Jener schämt sich so wenig für die längst überfällige Zusammenführung von Provinz und Wiese, dass er kurz zuvor noch einmal jedem Mikrofon erzählte, er habe ja auch ein Angebot von Real Madrid gehabt. Noch besser ist da nur folgendes Zitat von Markus Babbel am 14. April: "Herr Babbel: Kommt Tim Wiese nach Hoffenheim.?" - "Ja klar. Und nächste Woche steht Diego Maradona in der Zeitung..."

Werder: Mit Humor kennt man sich ja auch bei Werder Bremen aus. Nein, das war noch keine Pointe. Die lieferten dieses Mal nach der zweiten vermasselten Saison in Folge die eigenen Fans, indem sie es einfach mit einem Transparent auf den Punkt brachten: "Feel the Power of 1995 - Mittelmaß wir kommen!" Nichts beschreibt die Situation bei Bremen besser. Und wir freuen uns aufrichtig auf Thomas Schaaf in Jeansjacke und Sonnenbrille, der zur Saisoneröffnung 2012/2013 den Scatman tanzt, während Marko Arnautovic mit Rednex-Frisur den "Cotton Eye Joe" steppt. Skapdibu-Skapdibu-Skapdibubadillerbudidibbelbongdoing!

Nürnberg: Nichts nervt so sehr wie Insider. Deshalb kommen wir fix zum Punkt: Der 1. FC Nürnberg hat in dieser Saison gespielt wie... oh, ein Luchs!

Seite 2: Die Auflösung des Nürnberg-Witzes und was Dortmund noch lernen muss

Artikel und Videos zum Thema