Im Tiefflug auf der Überholspur

Von Felix Staudenmeir
Rickey Paulding ist die absolute Identifikationsfigur in Oldenburg
© getty

Der Kaderumbruch bei den EWE Baskets Oldenburg ist geglückt. Die Norddeutschen mischen die BBL auf und haben auch im Eurocup mit dem besten Ergebnis der Klub-Historie überzeugt. Doch trotz der starken Auftritte fliegt Oldenburg unter dem Radar. Für das Team um Coach Mladen Drijencic ist das die stumme Anerkennung ihrer Arbeit.

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Knapp eineinhalb Minuten sind noch zu spielen. Enge Kiste in der EWE Arena - 62:60 Oldenburg. Doch die Gäste der Basketball Löwen Braunschweig erspielen sich einen offenen Dreier - Backstein. Qvale schnappt sich den Rebound und gibt direkt an Kramer weiter. Der zündet den Turbo und findet Rickey Paulding per Drive and Kick. Die ganze Halle wartet auf den Wurf, doch Paulding sieht den noch besser postierten Vaughn Duggins. Der steigt hoch, drückt ab - swish! Der Dreier fällt glatt durch die Reuse und die Arena tobt. Es ist die Entscheidung.

Daran, dass die EWE Baskets den Sieg davon tragen, haben sich die Fans in Oldenburg mittlerweile fast schon gewöhnt. In bisher 19 von 25 Bundesliga-Partien standen die Niedersachsen auf der Gewinnerseite. Das bedeutet aktuell Platz drei in der Beko BBL hinter Ligaprimus Brose Baskets Bamberg (23-2) und punktgleich mit dem FC Bayern München.

Auch im Eurocup sorgten die Niedersachsen mit dem Einzug ins Achtelfinale für Aufsehen. Wenig verwunderlich stufte EWE-Sportdirektor Srdjan Klaric das Erreichte gegenüber SPOX als "Riesenerfolg" ein.

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Funktionierendes Gebilde

Doch warum läuft es bei beim Meister von 2009 so rund? Eine Frage auf die es nicht nur eine einzige richtige Antwort geben kann. Einer der Schlüssel zum Erfolg ist das funktionierende Teamgebilde. "Wir haben eine gute Atmosphäre und super Chemie innerhalb der Mannschaft. Menschlich, wie auch spielerisch", bestätigt Klaric. Laut dem 43-Jährigen, der damals noch als Co-Trainer unter Coach Predrag Krunic die deutsche Meisterschaft für Oldenburg feierte, ist vor allem die klar definierte Rollenverteilung entscheidend.

Der Grundstein wurde allerdings bereits im Sommer gelegt. Gemeinsam mit Klubchef Hermann Schüller und Caoch Mladen Drijencic nahm der neue Sportdirektor eine radikale Verjüngungskur im alternden Kader vor. Unter anderem mussten sich Veteranen wie Adam Chubb (34), Philip Zwiener (30) und Julius Jenkins (34) einen neuen Arbeitgeber suchen.

Die Neuen übernehmen

Die prominentesten Neuverpflichtungen neben den Scharfschützen Philipp Schwethelm und Klemen Prepelic im Gelb-Blauen Dress waren Brian Qvale und Vaughn Duggins.

Qvale ist der neue Mann unter den Brettern. "Er ist ein leistungsstarker, einsatzfreudiger Big Man, der teamorientiert spielt und immer versucht, die bestmögliche Option zu finden", lobte Trainer Drijencic den Center bei dessen Unterschrift. Mit durchschnittlich 14,7 Punkte und 6,2 Rebounds pro Partie hat Qvale den Abgang von Chubb bisher mehr als ordentlich kompensiert.

Ebenfalls voll eingeschlagen hat auch Duggins. Der frühere Tübinger Guard (2011 - 2013) kam aus Frankreich von Nancy und gehört mit 14,8 Zählern pro Spiel zu den sieben besten Punktesammlern der BBL. Durch sein flexibles Offensivarsenal aus sicherem Ballhandling, klugen Passspiel und unbändigen Scoring, liegt es meist am US-Amerikaner, die Entscheidungen in der Crunchtime zu treffen und die wichtigen Würfe zu nehmen.

"Wir haben Spieler verpflichtet, die sich bewusst für Oldenburg entschieden haben", so Klaric: "Anderswo hätten sie bestimmt ein paar Tausend Euro mehr verdient, aber sie waren von unserem Konzept überzeugt und wollten hierher. So auch Paulding. Und zwar nicht erst mit seiner erneuten Vertragsverlängerung bis 2017.

"Pauldingburg"

Der 33-Jährige ist in seiner neunten(!) Saison als Identifikationsfigur schlechthin nicht mehr wegzudenken. "Er vereint Professionalität, Intelligenz, Talent und bringt die nötigen physischen Attribute mit. Er ist ein Vorbild für junge Spieler, außerdem merkt man ihm sein Alter nicht an", erklärt Srdjan Klaric Pauldings Wert für das Team.

Des Weiteren hatte der Altmeister auch einen Löwenanteil am bisher größten Erfolg auf internationaler Ebene. Die Darbietung von 24 Punkten inklusive des Gamewinners zum 78:76-Sensationssieg bei SIG Straßburg im Eurocup-Achtelfinale werden wohl jedem Oldenburger Fan im Gedächtnis bleiben.

Das Ausscheiden durch die Lehrstunde des französischen Tabellenführers und Euroleague-Absteigers im Rückspiel (64:93) bedeutete zwar das Ende der internationalen Reise, doch machten sich die Baskets speziell im Top 32 einen Namen in Europa. In souveräner Manier wurde man mit 4:2-Siegen über Valencia, Thessaloniki und Limoges Gruppenerster und feierte den größten Eurocup-Erfolg des Klub-Historie.

"24 Stunden Basketball am Tag"

Dass aus dem Potpourri aus Talenten, Routiniers und neu zusammen gewürfelten Einzelspielern ein erfolgreiches Teamgefüge bei den Niedersachsen entstanden ist, darf mit Fug und Recht Coach Drijencic angerechnet werden. "Mladen arbeitet hart und ist 24 Stunden am Tag auf Basketball fokussiert", so Klaric: "Er spricht viel mit der Mannschaft. Wir sind sehr zufrieden mit seiner Arbeit und wie er das Team erreicht."

So ernst und akribisch Drijencic seinen Job erledigt, genauso fordert er auch den gleichen unbedingten Einsatz von seinen Schützlingen. Im Training wie im Spiel. "Wenn die Spieler bereit sind, hart zu arbeiten, sich verbessern und den Fortschritt bemerken, hast du nicht nur zufriedene Spieler sondern auch ein funktionierendes Team", nennt Klaric den Grund für die positive Entwicklung.

Auch auf dem Court hat Oldenburg die Handschrift von Drijencic übernommen. Das Offensivsystem besticht durch gute Ball- und Mannbewegung und folgt der klassischen "Pace and Space"-Philosophie. Mit Prepelic, Kramer und Duggins hat sich Oldenburg zum einerm der besten Fastbreak-Teams der Liga entwickelt.

Wird die Offensive im Set-Play organisiert, liegt der Fokus auf Doppelblöcken. Ob bei indirekten Screens oder auch beim Pick-and-Roll - die gegnerische Defensive ist ständig gefordert. Das Ball Movement ermöglicht häufig offene Würfe und ein Fünftel der Abschlüsse kommen aus dem Catch-and-Shoot.

Auf der Baustelle

"Wir haben einen guten Mix", bringt es Philipp Schwethelm, der oft als Stretch Four agiert, auf den Punkt. Natürlich sieht Sportdirektor Klaric aber noch Verbesserungsbedarf - vor allem im Rebounding und den noch nicht perfekten Automatismen in der Verteidigung: "Wenn wir sagen würden, alles läuft super, dann würde es mit uns schnell wieder bergab gehen".

Die größte Baustelle könnte sich derweil durch das Aus im Eurocup von selbst erübrigen. Die Doppelbelastung machte es den Baskets schwer, sich bestmöglich auf den kommenden Gegner einzustellen. "Man hat maximal ein bis zwei Trainingseinheiten als Vorbereitung, außerdem war die körperliche Belastung sehr hoch", erläutert Klaric. Darunter litt die Intensität und mehrfach verschlief Oldenburg das Anfangsviertel. Das könnte sich alsbald aber wieder als Stärke erweisen.

Stumme Anerkennung

Alles in allem ist mit den Niedersachsen auch in dieser Spielzeit wieder zu rechnen. Die Playoffs sind so gut wie gebucht und ein tiefer Run scheint möglich. Dennoch fliegen die EWE Baskets wie gewöhnlich unter dem Radar. "Uns passt die Rolle als Außenseiter", meint Klaric und stellt klar: "Wir sind nicht auf gleicher Höhe mit den drei großen B's, Bamberg, Bayern und Berlin." Stattdessen sieht der Sportdirektor das Team auf einer Stufe Frankfurt, Bonn, Ludwigsburg und Ulm.

Das reflektiert auch die Berichterstattung in den Medien, die Bamberg mit Star-Trainer Andrea Trinchieri und der FC Bayern mit seiner Strahlkraft dominieren. Doch gegen die mangelnde Aufmerksamkeit hat Oldenburg überhaupt nichts einzuwenden. Im Gegenteil: "Das heißt, dass wir in den vergangenen Jahren fast immer weit oben standen und unsere aktuelle Platzierung deshalb fast schon als selbstverständlich betrachtet wird", so Philipp Schwethelm im BIG-Interview: "Das wäre dann eine stumme Anerkennung unserer Arbeit."

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