Jetzt oder nie, Cinderellas!

Die NCAA geht wieder in ihre heiße Phase! Wer hat die besten Karten?
© spox

Die March Madness öffnet wieder ihre Tore! Beim verrücktesten Turnier des US-Sports kämpfen insgesamt 68 College-Teams um den Titel - doch den großen Favoriten? Den gibt es diesmal nicht. Die Chance für die Kleinen? SPOX erklärt, wie das ominöse Bracket zustande kommt und wer in den einzelnen Regions die Nase vorn hat. Außerdem: Die besten NBA-Draft-Prospects.

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Die Qual der Wahl - sie ist real! Parallel zu ein paar Millionen Bürgern, die am Sonntag in drei deutschen Bundesländern mal mehr, mal weniger erfolgreich zur Wahl antraten, wurde auch in den USA ausgewählt. Vielleicht etwas weniger historisch, dafür aber ebenfalls kontrovers! Das NCAA machte die 68 Teams perfekt*, die ab Donnerstag um Ruhm und Ehre kämpfen: Willkommen zur March Madness! Vier K.o.-Duelle müssen in den jeweiligen Regions gewonnen werden, um sich für das Final Four in Houston vom 2.-4. April zu qualifizieren.

Aber wie wird das Bracket eigentlich finalisiert? SPOX leistet Aufklärungsarbeit: Das NCAA setzt ein zehnköpfiges Komitee ein, das sich dieser Aufgabe mit Inbrunst widmet. Zehn sportliche Leiter (Athletic Directors) von Universitäten des Landes werden für jeweils fünf Jahre gewählt (Landtagswahl, ick hör dir trapsen!) und treffen sich schon vor Beginn der Saison, um die Conferences untereinander aufzuteilen. Derzeit sind das neun Männer und eine Frau unter Vorsitz des ehrenwerten Joseph R. Castiglione von Oklahoma.

Über die Saison hinweg wird dann fleißig kommuniziert, bevor man sich am Dienstag vor dem "Selection Sunday" in New York City trifft und fünf Tage lang über die Zusammensetzung des Brackets (32 Teams qualifizieren sich über regionale Tournaments, 36 müssen eingesetzt werden) verhandelt und abgestimmt wird. Am Ende dieses Konklave steigt dann weißer Rauch auf, die magischen Worte "Habemus Bracketam" werden feierlich verkündet.

Immer auf die Kleinen

Danach geht der Ärger aber oft erst richtig los, schließlich hat so ziemlich jedes College außer den vier Top-Seeds etwas am Bracket auszusetzen. Kentucky hinter Texas A&M? Virginia und die Spartans in einer Region? #Aufschrei! Von den Mid-Major-Teams ganz zu schweigen, die mal wieder trotz guter Bilanzen weitestgehend auf der Strecke blieben. "Jedes Jahr das Gleiche: Die Kleinen bleiben auf der Strecke, Mittelmaß wird belohnt", kritisierte etwa Kult-Experte Dick Vitale.

Dabei hätten vielleicht gerade in diesem Jahr die Außenseiter eine Chance, und nichts liebt der Amerikaner bekanntlich mehr als seine Cinderellas. Ein Superteam wie etwa die Wildcats in den letzten Jahren sucht man dieses Jahr vergebens. 74 Niederlagen kassierten die Top-Teams, die meisten seit 1948. Die Nummer eins im AP-Poll verlor sieben Mal, ebenfalls Rekord. Gelingt also zum ersten Mal einem Team außerhalb der Top-8-Seeds der ganz große Wurf?

Das wird sich zeigen. Zunächst muss die Madness in vollen Zügen genossen werden. Der übertragende Sender CBS setzte sich am Sonntag übrigens gewaltig in die Nesseln. Die Veröffentlichung des Brackets wurde diesmal auf zwei Stunden Fernsehzeit aufgeblasen - kein Wunder also, dass das Twitterverse davon schnell die Nase voll hatte und die kompletten 64 Teams schon vorzeitig veröffentlichte. Man werde den Übeltäter schon finden, reagierte die NCAA dementsprechend säuerlich.

Obama setzt auf Kansas

Während irgendein armer Tropf nun also seinen Job verlieren wird, haben die Fans, darunter natürlich auch Präsident Barack Obama - er setzt auf Kansas - ihr Bracket ausgefüllt und im Office Pool sowie beim schäbigen Buchmacher ihres Vertrauens die milliardenschweren Wetten platziert (letzteres eher ohne den POTUS).

Die Spieler wollen derweil in knallvollen Hallen, die so klangvolle Namen tragen wie das Dunkin' Donuts Center in Providence oder die Spokane Veterans Memorial Arena, geschichtsträchtige Upsets erzwingen - oder auch verhindern. Titelverteidiger Duke ist diesmal eher Außenseiter, den alles überragenden Favoriten gibt es nicht - und der beste Spieler des Landes, Ben Simmons von LSU, hat sich erst gar nicht für das Tournament qualifiziert.

Also packen wir's an! Nur Fans der Louisville Cardinals und Coach Rick Pitino müssen jetzt ganz stark sein: Der Champion von 2012 hat sich aufgrund des pikanten Sex-Skandals nicht gemeldet.

South Region

Der Top-Seed: Kansas Jayhawks (30-4)

NCAA-Titel: 3

Letztes Jahr: Round of 32

Wenn es einen Favoriten darauf gibt, in Houston am 4. April die Netze von den Ringen zu schneiden, dann sind es wohl die Jayhawks. Das sieht auch Las Vegas so: Mit 9/2 hat man der Truppe von Coach Bill Self die besten Quoten bescheinigt. Zum zwölften Mal holte man den Big-12-Titel, West Virginia war im Finale chancenlos. Seit dem 25. Januar ist man ungeschlagen und geht mit einer Menge Selbstvertrauen ins Tournament. "Ich glaube nicht, dass wir schon mal ein Team hatten, das besser harmoniert hat als diese Jungs", tönte Self nach dem Title Game.

Das liegt daran, dass die Starting Five gleich drei Seniors zu bieten hat. Forward Perry Ellis führt das Team mit 16,5 Punkten und 6 Rebounds pro Spiel an und hat mit den Guards Frank Mason III und Devonte' Graham ein zweiköpfiges Guard-Monster an seiner Seite. Vier Starter punkten zweistellig, und gleich fünf Spieler treffen mindestens 41 Prozent ihrer Dreier. Die Jayhawks sind ein echtes Two-Way-Team: Top Ten in Offensive Efficiency, Top 5 in der Defense, wo man über konstanten Druck auf den Ball und lange Arme in den Passing Lanes dominiert.

Wenn man eine Schwäche beim Favoriten ausmachen kann, dann ist es ein Abräumer unter dem Korb. Junior Landen Lucas ist noch nicht lange in der Starting Five, gegen große, athletische Gegenspieler wird es auch schon mal schwer. Austin Peavy sollte man so oder so aus der Halle fegen, aber im Süden warten noch ein paar Stolpersteine. Garantien gibt es in diesem Jahr nicht, dennoch können sich die Jayhawks berechtigte Hoffnungen auf den ersten Titel seit 2008 machen.

Die weiteren Favoriten:

Villanova (2)

Die Wildcats reisen mit dem Big-East-Titel im Gepäck an, aber seit 2009 hat man das erste Wochenende nicht mehr überstanden. Kein Team aus der Division I lässt weniger als die 65,9 Punkte pro Schnitt zu, in der Offense ist man schwer auszurechnen (alle fünf Starter punkten zweistellig). Hin und wieder nimmt Jay Wrights Team aber zu viele Dreier. In den ersten Runde sollte nichts anbrennen, aber dann könnte es zum Philly-Stadtduell gegen Temple kommen.

Connecticut (9)

Momentum! So nennt man das wohl, wenn man sich in einem Quadruple-Overtime-Triumph über die Cincy Bearcats im Viertelfinale der AAC durchsetzt - und Jalen Adams dabei mit weniger als einer Sekunde auf der Uhr aus der eigenen Hälfte trifft. Seitdem sind die Huskies, Titelträger von 2014, ungeschlagen und haben mit Daniel Hamilon, Rodney Purvis und Sterling Gibbs ein starkes Trio am Perimeter, das auf eisenharte Manndeckung setzt. Nicht vergessen: Coach Kevin Ollie hat noch kein einziges Spiel im Tournament verloren. Zweite Runde gegen Kansas - das könnte extrem spannend werden!

Upset-Tipp:

Hawaii (13) über California (4)

Mit Flügelspieler Jaylen Brown und Forward Ivan Rabb bietet Cal eine Menge Lottery-Talent auf - Brown könnte sogar als Top-3-Pick im kommenden Draft enden. Gleichzeitig handelt es aber auch um ein Team mit einer Menge Freshmen: Da können die Lichter auch mal etwas zu hell strahlen. Die Rainbow Warriors (Yes! Was für ein Spitzname!) hatten in diesem Jahr Oklahoma am Rande einer Niederlage, bomben vom Perimeter, was das Zeug hält, und haben mit Forward Stefan Jankovic (15,7 Punkte) einen veritablen Go-to-Guy. Gibt es den ersten Sieg in der Madness überhaupt?

Draft-Prospect to watch:

Jaylen Brown von Cal. So viele überragende Freshmen gibt es in diesem Jahr in der NCAA nicht zu bestaunen. Brown gehört dazu. Die reinen Zahlen (12,4 PPG, 5,6 RPG) scheinen nicht überragend, aber der 19-Jährige weist bereits jetzt einen NBA-reifen Körperbau auf und ist seinen Gegenspielern in Sachen Schnelligkeit, Kraft und Athletik weit überlegen. "Old Man", wie er von seiner Mutter genannt wird, besticht gleichzeitig durch Ruhe und Souveränität. Auch der Jumper funktioniert. Er wird als potenzieller Top-3-Pick gehandelt.

*Zum Modus: Da die über 300 Colleges in einer Saison unmöglich alle gegeneinander spielen können, erstellen ausgewählte Journalisten regelmäßig ein Ranking, wer die besten Teams im Land sind. Die Platzierung hängt zum einen von den Resultaten ab, zum anderen aber auch davon, gegen welche Gegner man diese erzielt hat.

Am Ende der regulären Saison spielen die einzelnen Conferences in einem Turnier ihren internen Champion aus, der dann für das große NCAA-Turnier qualifiziert ist. Dann setzt sich das Komitee zusammen und berät, wer sonst noch dabei sein sollte. Aufgrund des vorher bestehenden Rankings haben viele Teams ihren Startplatz praktisch sicher, andere müssen bis zur letzten Sekunde bangen.

Nach Einschätzung des Komitees werden die auserkorenen 64 Teams erneut gerankt und mehr oder weniger willkürlich auf vier Regionen verteilt (es gibt vier Erstplatzierte, von denen jeder in einer Region spielt, vier Zweitplatzierte usw.). Die Sieger dieser vier Regionen, die im K.o.-Modus ermittelt werden, erreichen das Final Four.

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