"Für Felix war ich zu bescheiden"

Lorenz-Günther Köstner war bis 2013 Trainer beim VfL Wolfsburg
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SPOX: Waren Sie daher enttäuscht, beim VfL trotz guter Ergebnisse zweimal nur Interimstrainer zu sein?

Köstner: Dass man mir überhaupt das Vertrauen schenkte, war schon eine große Bestätigung meiner Arbeit. Ich bin kein Lautsprecher und war es auch noch nie. Ich habe mich zu wenig in den Vordergrund gestellt, was mir die Leute auch immer wieder vorgeworfen haben. Für mich war es in erster Linie aber wichtig, glaubwürdig zu bleiben. Deshalb wollte ich mein Versprechen gegenüber Winterkorn und Sanz halten: Alles für den Verein rauszuholen und solange ich Trainer bin, das Beste zu geben, um den VfL aus der schwierigen Lage zu befreien. Außerdem hat man mir von Beginn an gesagt, dass es einen neuen Manager geben würde. Ich war Realist genug, um zu wissen, dass dieser Neuanfang auch mit einem anderen Trainer gemacht werden würde.

SPOX: Die meiste Zeit beim VfL verbrachten Sie bei der U23. Felix Magath hatte Sie ursprünglich nach Wolfsburg geholt.

Köstner: Genau. Felix wollte, dass ich die jungen Spieler an das intensivere Training heranführe. Das war der primäre Grund, weshalb ich nach Wolfsburg kam. Und es funktionierte gut, denn die Jungs haben sich trotz der härteren Gangart immer super benommen und gut mitgearbeitet.

SPOX: Sind Sie demnach vom gleichen Schlag wie Magath?

Köstner: Wir sind in der gleichen Zeit groß geworden. Für Felix war ich aber immer zu bescheiden. Er brachte mich dazu, die Mannschaft härter ranzunehmen und konsequenter zu sein. Mit seiner Art hatte er großen Erfolg - ob in Stuttgart, bei den Bayern oder in Wolfsburg.

SPOX: Sie wurden einmal als "Trainer der alten Schule" bezeichnet. Würden Sie das so unterschreiben?

Köstner: Das stört mich nicht, denn "alte Schule" war noch nie schlecht. Junge Spieler empfinden es als streng und belastend, bei den Profis zu trainieren - das ist normal. Ihnen schmeckt Konditionstraining nicht. (lacht) Wenn sie mal einen Lauf mehr machen müssen, wird es gleich auf die Generation zurückgeführt. Ich bin stolz darauf, ein Trainer der alten Schule zu sein, mich aber immer weitergebildet und neue Elemente aufgenommen zu haben.

SPOX: Glauben Sie, dieser Trainertyp ist bei all den aufstrebenden Nachwuchskräften wie Tuchel, Gisdol oder Schmidt heute noch gefragt?

Köstner: Es sind nicht nur die Trainer, die anders heranwachsen, sondern auch die Spieler in den Nachwuchsleistungszentren. Vor allem mit den Medien gehen die jungen Leute viel offensiver um. Es ist aber nicht so, dass sich Trainer der älteren Generation den modernen Entwicklungen verschließen, im Gegenteil. Außerdem bin ich der Meinung, dass man die Spieler durch die neuen technischen Mittel nicht zwangsläufig besser macht.

SPOX: Woran machen Sie das fest?

Köstner: Schauen Sie sich die heutige Wolfsburger Mannschaft an: Benaglio, Schäfer, Rodriguez, Naldo, Träsch, Vieirinha, Dost. Das sind alles Spieler, die Felix damals zum VfL geholt hat - für verhältnismäßig geringe Ablösen. Und sie bilden immer noch den Kern der Mannschaft. Natürlich gab es auch Spieler, die nicht so funktioniert haben. Erst Allofs hat den Bossen einen anderen Weg aufgezeigt.

SPOX: Inwiefern?

Köstner: Er hat weniger in die Breite als in die Spitze investiert. Das hatte natürlich seinen Preis: Gleich in der Winterpause holte er Perisic für neun Millionen Euro. Allofs fragte mich noch, was ich von De Bruyne halte. Ich sagte, er soll ihn sofort holen. Mit Gustavo, Schürrle und Draxler folgten weitere Transfers dieser Größenordnung.

SPOX: Dadurch hat der Klub einen deutlichen Sprung nach vorne gemacht.

Köstner: Es ist das Ergebnis mehrerer Faktoren: In erster Linie sind es die VW-Millionen, die Allofs klug investiert hat. Seit Winterkorn da ist, wird die Kraft des Konzerns auch für den sportlichen Bereich eingesetzt. Zudem macht Hecking einen guten Job. Er hat erkannt, dass er mit solch einer Spitzenmannschaft einen ganz anderen Fußball spielen lassen kann als in Nürnberg oder Hannover.

SPOX: Zum ersten Mal seit sechs Jahren konnte sich der VfL wieder für die Champions League qualifizieren. Was trauen Sie der Mannschaft zu?

Köstner: Da sie sehr ausgeglichen ist und mit Dante noch einmal Erfahrung dazugewonnen hat, erwarte ich in dieser Saison sehr viel. Die Gruppenphase sollten sie in jedem Fall überstehen, danach kommt es etwas auf das Losglück an. Das Viertel- oder sogar Halbfinale traue ich dem VfL aber zu.

SPOX: Auch ohne Kevin De Bruyne?

Köstner: Die Wolfsburger werden ihn kurzfristig nicht vermissen, denn die Mannschaft kompensiert den Verlust durch das Kollektiv. Auf längere Sicht wird er dem VfL aber fehlen, denn der Junge hat große Qualität.

SPOX: Die auch kein Julian Draxler aufwiegen kann?

Köstner: Ich habe immer viel von Julian Draxler gehalten. Jetzt ist er ein Mann geworden und somit kräftiger. Er hat einige Verletzungen und Enttäuschungen erlitten, die ihn mental aber stärker gemacht haben. Ich hoffe, dass er sich schnell genug anpassen kann, um in der funktionierenden Mannschaft eine gute Rolle zu spielen. Die individuelle Klasse von De Bruyne kann aber kein Einzelner ersetzen.

Seite 1: Köstner über falschen Ehrgeiz und eine Rückkehr auf die Trainerbank

Seite 2: Köstner über Magaths Lehren, einen gefestigten VfL und De Bruyne

Lorenz-Günther Köstner im Steckbrief

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