Im Auge des Wirbelsturms

Von Stefan Rommel/Daniel Paczulla
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© Getty

Gelsenkirchen/München - Das Schicksal schlägt oft genug völlig unvermittelt zu. Das kann dann gut sein oder schlecht.

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Es bahnt sich manchmal aber auch an. Leise zwar, aber doch deutlich erkennbar. Mirko Slomkas Schicksal kommt aus Frankreich und hört auf den Namen Franck Ribery.

Der Franzose startete am Schalker Sechzehner in die Gasse. Bastian Schweinsteiger verzichtete auf seinen üblichen Kringel und leitete den Ball direkt in Riberys Lauf weiter.

Gegnerischer Topspieler an der Torauslinie nahe Fünfereck - das bedeutet nichts Gutes. Slomka reagierte auf seine Weise und fluchte ein leises "Scheiße" vor sich hin.

Sekundenbruchteile später nötigte Ribery den lauernden Miroslav Klose förmlich zum Tor und Slomkas unappetitliche Vorahnung wurde traurige Gewissheit. (Das Tor im SPOX-Replay anschauen!)

Ärmel hoch und malochen

Auf Schalke machte in den letzten Tagen viel Ruhrpott-Duktus die Runde. Ärmel hochkrempeln, zusammenhalten, malochen bis der Arzt kommt.

Die Bayern hatten sich auf ein schweres Spiel eingestellt, wie immer in den vergangenen Jahren in der Arena. Am Ende musste Keeper Oliver Kahn exakt zwei Torschüsse der Gastgeber parieren.

Schon lange hatte es keine Pfiffe gegen die eigene Mannschaft mehr gegeben in der Veltins-Arena. Nach dem Spiel weigerte sich ein Großteil der Fans sogar, die Mannschaft in der Nordkurve zu empfangen.

Schalke hat innerhalb von wenigen Wochen seinen Schrecken verloren. Keine beruhigende Feststellung vor dem Spiel des Jahres beim FC Porto.

Heilloses Durcheinander

Die Knappen geben ein jämmerliches Bild ab in diesen Tagen. Es scheint, als würde jeder für sich einfach nur vor sich hinwerkeln, völlig ziellos und ohne Sinn.

An einem Strang ziehen Vorstand, Trainer und Spieler nicht mehr - und Mirko Slomka steht ganz ruhig in diesem ganzen Durcheinander mittendrin. Im Auge des Sturms, der da gerade um ihn herum wirbelt.

"Das war eine unglückliche Niederlage. Wir haben uns 90 Minuten den Arsch aufgerissen", sagte Heiko Westermann. Man muss sich dabei verwundert fragen, ob er geistig wirklich anwesend war in der Arena.

Bordon greift Mitspieler an

Völlig anders sah Kapitän Marcelo Bordon nämlich den Nachmittag. "Das ist nicht das Schalke, das ich kenne. Die Spieler, die Angst haben, sollen zu Hause bleiben. Über die Aufstellung will ich nicht diskutieren, ich bin Kapitän und nicht der Trainer", sagt der Brasilianer in Bezug auf das offensive 4-3-3 Slomkas und legte nach:

"Ich habe Asamoah und Sanchez gesagt, dass sie auch ein bisschen zu machen müssen. Der Trainer hat es ihnen auch gesagt. Aber wir haben es nicht geschafft."

Ganz offenbar stimmt es auch innerhalb der Mannschaft nicht mehr, anders sind solch offensive Aussagen über Teamkollegen in der Öffentlichkeit nicht zu interpretieren.

Im völligen Gegensatz zu Bordon steht zum Beispiel auch Westermanns Sicht der Dinge, der im Zusammenhang von Mannschaft und Trainer von einer "eingeschworenen Truppe" redete.

Am Sonntag zur "Aussprache"

Das Spiel gegen den Rekordmeister sollte vieles besser machen, eine Art Neuanfang darstellen. Es endete in einer Offenbarung. Zu allem Übel muss Slomka am Sonntag auch noch bei Präsident Josef Schnusenberg antreten.

"Um die Differenzen der letzten Tage auszuräumen", wie Slomka versicherte. Nicht wenige interpretieren das allerdings als eine Art Rapport, der mit der Demission des Trainers enden wird.

Nach dem Spiel im Premiere-Interview wirkte Slomka auf der einen Seite locker gelöst, auf der anderen irgendwie auch leer und fast schon apathisch. In den letzten Tagen ist etwas kaputt gegangen im 40-Jährigen.

Die üblichen Mechnismen

Von allen Seiten prasselte es auf ihn ein. Jeder, ob Fleischhändler oder Steuerberater, sah sich berufen, schlaue Tipps zu geben. Die meisten anderen Trainer gehen darüber milde lächelnd hinweg. Slomka nicht, er fügte sich. Neues, altes System, einige der geforderten Neuzugänge spielten. 

Zum Dank wartet er bis heute auf eindeutige Rückendeckung - auch von Manager und Freund Andreas Müller.

Auf das Porto-Spiel angesprochen sagte Slomka nur: "Man kennt ja die Mechanismen..."

An Autorität verloren

Wie ferngesteuert gab er unter der Woche dem "Kicker" ein Interview und gestand frank und frei jede Menge Fehler ein.

Kevin Kuranyi, einer der Schwächsten gegen die Bayern, sprach danach davon, dass der Trainer ja jetzt einige Tipps befolgt und anders aufgestellt habe. Autorität? War gestern!

Das (vorläufige) Schlusswort gebührt Franz Beckenbauer. Der steht zwar nicht im Verdacht, viel mit den Königsblauen zu tun zu haben, brachte das Geschehen in Gelsenkirchen aber auf den Punkt.

"Es gibt so Klubs, die sich immer selbst hinrichten. Das war bei Schalke schon immer so." Es scheint, als habe der Kaiser mal wieder Recht.

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