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NBA: San Antonio Spurs nach dem Abgang von Tony Parker: Das Imperium zerfällt

Tony Parker hat die San Antonio Spurs gen Charlotte verlassen.
© getty
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Kawhi Leonard hat keine Zukunft in San Antonio

Anscheinend glaubt auch Parker nicht, dass Kawhi noch irgendeine Zukunft in San Antonio hat, sonst hätte er wohl nicht in der Vergangenheitsform über ihn gesprochen. Ob die Lakers, die Sixers, die Clippers oder eine andere Franchise: Sicher scheint derzeit nur, dass Leonard kein Spiel mehr für die Spurs absolvieren wird, auch wenn man in San Antonio nicht müde wird zu erwähnen, dass Kawhi gehalten werden soll. Selbst der Verlockung des Super-Max-Vertrags (219 Mio. für 5 Jahre) scheint die Klaue, oder eher sein Camp, widerstehen zu wollen.

Was bleibt den Spurs dann eigentlich noch? Von ihrer Championship-DNA sind nur noch Pop, Buford und der ewige Ginobili da, der aber noch keine Entscheidung darüber getroffen hat, ob er weitermacht, auch wenn sein Vertrag noch ein Jahr läuft. Popovich ist inzwischen auch schon 69, es gibt Gerüchte, dass auch er 2019 in seinen verdienten Ruhestand geht. Inwieweit der überraschende Tod seiner Frau darauf Einfluss nimmt, ist schwer zu beurteilen.

Transaktionen für Mittelmaß - oder doch Rebuild?

Popovich hat noch ein großes Ziel, die Olympischen Spiele 2020 in Tokio, bei denen der längst legendäre Coach die USA zu Gold führen will. Es könnte durchaus sein, dass Pop bereits ein Jahr zuvor in der NBA aufhört, um sich auf die kommende Aufgabe ausreichend vorzubereiten.

Wie es bis dahin weitergeht, scheint auch in San Antonio nicht ganz klar zu sein. Eine schnelle Lösung im Fall Leonard hat bisher keine Priorität, allen Berichten zufolge stellen die Spurs fast schon absurde Forderungen gegenüber interessierten Teams, weil sie sich nicht über den Tisch ziehen lassen wollen. Auch wollen sie nicht nur Picks, sondern auch kompetente, junge Spieler haben, die es ihnen ermöglichen, kurzfristig immer noch wettbewerbsfähig zu bleiben.

Einen Komplett-Rebuild will man Pop am Ende seiner Karriere wohl nicht mehr zumuten, stattdessen soll er sich wohl eher in Würde und standesgemäß, also mit einer Playoff-Teilnahme, verabschieden können. Auch deshalb betreiben die Spurs Schadensbegrenzung und das nicht erst seit diesem Sommer. Anders sind Deals wie die für Pau Gasol 2017 (3 Jahre, 48 Millionen Dollar) oder aktuell Marco Belinelli (2 Jahre, 12 Mio.) kaum zu erklären.

Spurs: Mittelmaß vorprogrammiert?

Zuletzt machten Gerüchte die Runde, dass Davis Bertans für 4 Jahre und 20 Millionen verlängern soll, was nun jedoch dementiert wurde. Es würde aber ins Bild passen. Man füllte in San Antonio zuletzt die Lücken im Kader mit durchschnittlichen Spielern und verfuhr damit so wie viele Städte mit ihren unzähligen Schlaglöchern: Kaltasphalt rein, Problem vorerst gelöst. Wird schon noch eine Weile gut gehen.

Mit diesem Roster scheint wie in der vergangenen Saison das Mittelmaß vorprogrammiert, da reicht auch ein LMA (auch schon 32) in Galaform nicht, das hat die letzte Spielzeit dokumentiert. Hinzu kommt, dass der Westen noch einmal besser geworden ist, sei es an der Spitze oder auch den hinteren Plätzen, wo fleißig aufgerüstet wird (Phoenix, Dallas, Memphis, Denver).

Buford und Co. schafften es nur vereinzelt, dem alternden Spurs-Team ein wenig Jugend einzuverleiben, was natürlich auch daran lag, dass die Spurs meist spät in der ersten Runde pickten. Nach Leonard erspielten sich lediglich Murray und mit Abstrichen Kyle Anderson (dessen Offer Sheet der Grizzlies San Antonio nicht matchte) einen festen Platz in der Rotation. Was für eine Rolle Rookie Lonnie Walker nächste Saison spielt, ist noch nicht abzuschätzen.

Der Mythos San Antonio verliert seine Kraft

Vielleicht liegen auch die meisten Experten mit dieser Ansicht falsch und die Konstanz der vergangenen Jahrzehnte zahlt sich einmal aus, doch eines darf nicht vergessen werden: Die erfolgreichen Editionen der Spurs waren ein verschworener Haufen, wenig bis nichts drang an die Öffentlichkeit, die Vorteile des vergleichsweise kleinen Markts wurden ideal ausgespielt.

Spieler wie Duncan oder Parker lebten die DNA der Spurs hautnah den neueren Spielern vor, diese sind nun weg und schon vergangene Saison war San Antonio nicht mehr das beschauliche, stille San Antonio, wie man es kannte.

Lediglich die Cleveland Cavaliers, eine chronisch chaotische und nicht gerade gut geführte Franchise, produzierten mehr Schlagzeilen als die Texaner mit ihrem Kuddelmuddel um Kawhi. Das mag nicht nur die Schuld San Antonios gewesen sein, doch auch die Muster-Franchise machte Fehler mit ihrer Informationspolitik, als sie Leonard im Laufe der Saison einen Maulkorb verpassten.

Titelfenster lassen sich nicht ewig ausdehnen

Über 20 Jahre schafften die Spurs das beinahe Unmögliche, indem sie sich so lange in der Spitzengruppe einer Liga hielten, die solche Verhältnisse eigentlich nicht vorsieht und in Zyklen von wenigen Jahren funktioniert. Man muss nur bei den Thunder nachfragen, die drei zukünftige MVPs in ihren Reihen und trotzdem nur ein vergleichsweise schmales Titelfenster hatten (2011-2016). Einen Titel gewannen sie dabei nicht.

Nun hat es auch die Spurs erreicht, die diese Gesetze lange außer Kraft setzen konnten. Von den einstigen Garanten bleiben nur noch das Management und der Coach und selbst sie haben ein Ablaufdatum.

Das ruhmreiche Spurs-Imperium begann schon vor einem Jahr zu bröckeln, nun steht es kurz vor dem Zerfall. Der Abgang von Parker war dabei ein nur ein weiterer größerer Riss im Fundament.

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