Dirk in der PowerPoint-Präsentation

Die DBB-Auswahl qualifizierte sich als Gruppenzweiter für die EM 2015
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Die Kaderstruktur: Die Kohorte, die stagniert

Es ist ein Jammer mit der Theorie. Es heißt, dass Talente und Veteranen unerlässlich sind für eine Mannschaft. Doch entscheidend sei der mittlere Altersbereich, weil diese Spieler sich in der Blüte der Schaffenskraft befinden und gleichzeitig genug erlebten, um Widerständen zu trotzen.

Und siehe da: Genau in diesem mittleren Altersbereich zwischen 24 und 26 Jahren ist der DBB quantitativ außerordentlich besetzt. Während der EM-Quali gehörten gleich 7 der 12 Kaderspieler zu dieser Kohorte. Zumal Tibor Pleiß (24), Tim Ohlbrecht (25), Philipp Schwethelm (25) und Per Günther (26), die aus verschiedenen Gründen nicht Teil des diesjährigen Teams waren, 2015 wieder berufen werden könnten.

Nur: Von dieser so wertvollen Altersgruppe bewährte sich einzig Karsten Tadda. Bei der EM 2013 noch außen vor und frustriert nach Bamberg heimgekehrt, setzten sich in der anschließenden BBL-Saison die Enttäuschungen fort. Seine Statistiken gingen zurück, sodass selbst ein Weggang des Ur-Bambergers wahrscheinlich erschien. Doch mit der Verpflichtung des neuen Brose-Coaches Andrea Trinchieri verkehrten sich die Vorzeichen: Tadda bleibt in Bamberg - und plötzlich ist er beim DBB unabdingbar. Er gehörte bei den Jahrgängen 1988 bis 1990 nie zu den Begabtesten, aber er spielt mutig, konstant und im besten Sinne solide. Er verteidigt stets mit Herz, trifft den Dreier (50 Prozent) und zieht sogar vereinzelt in die Zone, was die Gegenspieler derart überrascht, dass Tadda fast immer frei zum Korbleger kommt. So lassen sich seine 7,5 Punkte und die starke Wurfquote von 60,9 Prozent während der Quali erklären.

Taddas Antipode heißt Lucca Staiger. Mit 26 Jahren nur unwesentlich älter und schon immer talentierter, nicht umsonst wird er neben Nowitzki als der beste reine Werfer Deutschlands bezeichnet. Nur wie so oft in der Nationalmannschaft verlor er erst das Selbstbewusstsein, dann den Platz in der Rotation. Wenn man die beiden Luxemburg-Spiele herausrechnet, sieht seine Bilanz gegen Polen und Österreich so aus: 1,5 Punkte, 11,8 Prozent Wurfquote (2/17), 11,1 Prozent Dreier (1/9) und 0,25 Assists in immerhin 14,0 Minuten pro Spiel.

Ähnlich unerklärlich die Leistungen und vor allem die Außenwirkung von Robin Benzing und Elias Harris (beide 25). Benzing überzeugte zum Quali-Ende hin offensiv und zeigte sich immer bemüht, in der Verteidigung hingegen fehlte ihm entweder die Schnelligkeit, um den Gegenspieler vor sich zu halten, oder er wirkte unsicher, wie er sich in der Team-Defense zu verhalten hat. Harris wiederum, noch vor wenigen Jahren ein Ausbund an Emotionalität, verhielt sich nicht nur für Beobachter gehemmt. Der aus "privaten Gründen" fehlende Niels Giffey (23) dürfte beiden Forwards in der Zukunft einige Minuten abnehmen.

Zur Gruppe jener Spieler aus der vermeintlich so starken 88er- bis 90er-Generation gehören Maik Zirbes (24), Akeem Vargas (24) und Andreas Seiferth (25). Während es Zirbes weiterhin an Konstanz mangelt und er jetzt bei Roter Stern Belgrad einen Neubeginn wagt, fehlt Vargas und Seiferth (noch) das Format für das europäische Top-Level.

Seiferth etwa wurde nur nominiert, weil Pleiß wegen der ungeklärten Situation vor dem Wechsel zum FC Barcelona nicht zur Verfügung stand. Doch selbst wenn Pleiß sich zum Spielen bereit erklärt hätte, wäre ein Grundübel des DBB-Teams nicht beseitigt worden: die fehlenden Führungsspieler. So stark Pleiß in Spanien spielt, gehörte er nie zu den Meinungsführern. Ebenso wenig Benzing, Harris und Staiger.

Bleibt daher Heiko Schaffartzik, nicht nur wegen seiner 30 Jahre, sondern kraft seines Selbstverständnisses als Kapitän, seiner Rhetorik und seiner basketballerischen Fähigkeiten der Leithammel einer sonst zurückhaltenden Herde. Allerdings war Schaffartzik während des gesamten Sommers kaum wiederzuerkennen (lediglich ein Quali-Spiel mit zweistelliger Punktzahl). Was bemerkenswert ist: Ihm war der Wille anzusehen, als Spielführer und Vorbild voranzugehen, indem er Schröder den Ball überließ und sich selbst zurücknahm.

Nur damit verleugnete er sich und seine Art des Basketballs. Schaffartzik kann für mehrere Minuten als Shooting Guard agieren und als Nebendarsteller auf den Wurf warten. Wobei er am stärksten ist, wenn er den Ball in der Hand weiß und das Offensivspiel dominiert. Das Problem: Genau dasselbe gilt für den jüngeren und begabteren Schröder und den dieses Jahr pausierenden Per Günther.

Der Ulmer Günther, eine der markantesten Persönlichkeiten des deutschen Basketballs, steigert sich seit Jahren, ist Leistungsträger und Starter bei einem Top-5-Klub der BBL, bewährte sich im internationalen Wettbewerb und ist jetzt mit 26 Jahren im besten Alter. Alles Aspekte, die erklären, warum in Günther ein Anspruch entstanden ist, eine wesentlichere Rolle für Deutschland zu übernehmen als in der Vergangenheit.

Was zu den Fragen führt: Wie soll Günther integriert werden? Wie zukunftsfähig ist ein Modell, bei der drei spielerisch wie charakterlich so bestimmende Aufbauspieler wie Schröder, Schaffarztik und Günther in einen 12er-Kader berufen werden?

Wer immer zum dauerhaften Bundestrainer ernannt wird: Diese Fragen sollte der DBB beim Einstellungstest stellen.

1. Die neue DBB-Generation: Der nächste Nowitzki wurde gefunden

2. Die Kaderstruktur: Die Kohorte, die stagniert

3. Der Bundestrainer: Der nicht mehr nette Herr Mutapcic

4. Die Medien: Wo bleibt die Strategie?

5. Die EM-Bewerbung: Nowitzki als PR-Maschine