Tottenham Hotspur unter Neu-Trainer Angelos Postecoglou: Mehr Spaß als beim FC Bayern

Von Christian Guinin
Angelos Postecoglou, Heung-Min Son
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Unter seinem neuen Trainer Angelos Postecoglou hat Tottenham Hotspur einen äußerst erfolgreichen Start in die neue Spielzeit hingelegt. Ohne den abgewanderten Harry Kane spielen die Spurs plötzlich sehr erfrischenden und ansehnlichen Offensivfußball.

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Nach dem Abgang Harry Kanes machte sich so mancher Tottenham-Fan berechtigte Sorgen um die Zukunft seines Klubs. Schließlich hatte der englische Nationalstürmer, welcher seit seinem elften Lebensjahr seine Fußballschuhe für den Klub aus London schnürte, für die Spurs in 435 Pflichtspielen insgesamt 344 Scorerpunkte (280 Tore, 64 Assists) gesammelt. Dem äußerst lukrativen Lockruf aus München vermochte er am Ende jedoch nicht mehr zu widerstehen. Kanes Zeit bei den Spurs endete nach mehr als 19 Jahren mit der Frage, wer bei Tottenham nun eigentlich für die Tore verantwortlich sein solle.

Knapp einen Monat nach seinem Transfer zum deutschen Rekordmeister scheint das Thema Kane im Norden Londons doch bereits in Vergessenheit geraten zu sein. Die Spurs legten mit drei Siegen und einem Unentschieden aus vier Spielen einen äußerst erfolgreichen Start in die Post-Kane-Ära hin, auch die Frage nach einem geeigneten Nachfolger für den 30-Jährigen stellt sich nach elf erzielten Toren in eben jenen vier Auftaktspielen niemand mehr.

Angelos Postecoglou, Heung-Min Son
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Tottenham Hotspur begeistert unter Angelos Postecoglou

Einen großen Anteil am starken Saisonstart hat dabei der neue Coach Angelos Postecoglou. Der Australier mit griechischen Wurzeln hat es innerhalb kürzester Zeit geschafft, eine neue Euphorie unter den Anhängern der Spurs zu verbreiten. Nach eher biederen Jahren unter den beiden Defensiv-Fanatikern José Mourinho und Antonio Conte begeisterte Tottenham in den ersten vier PL-Partien mit erfrischendem und äußerst ansehnlichem Offensivfußball.

Klar, gegen die wirklich großen Namen musste Tottenham noch nicht antreten. Abgesehen von einem überzeugenden 2:0-Sieg am zweiten Spieltag gegen Manchester United, welches sich nach einem Transfersommer mit vielen Zu- und Abgängen allerdings noch in einer Art Findungsphase befindet, waren die Gegner mit Brentford (2:2), Bournemouth (2:0) und Burnley (5:2) eher kleinere Kaliber. Doch waren es in den vergangenen Spielzeiten oftmals solche Arten von Gegnern, gegen die die Spurs die wichtigen Zähler im Kampf um einen Platz ganz vorn in der Tabelle liegen ließen.

Postecoglou hat es dabei sogar geschafft, den Abgang Kanes ohne große und vor allem teure Neuverpflichtungen zu kompensieren. Die Rolle, die vormals der englische Nationalstürmer einnahm, besetzte an den ersten drei Spieltagen Richarlison und zuletzt dann Ex-Leverkusen-Angreifer Heung-Min Son, welcher mit einem Dreierpack gegen Burnley bewies, dass er die Position des alleinigen Neuners ebenfalls bekleiden kann.

James Maddison
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Tottenham Hotspur: Große Namen auf der Bank

Darüber hinaus überzeugte in den ersten Partien vor allem Neuzugang James Maddison, welcher für eine vergleichsweise günstige Ablösesumme von 45 Millionen Euro von Absteiger Leicester City in den Norden Londons wechselte. Als Neuer Spielmacher steuerte der offensive Mittelfeldspieler bereits zwei Tore und zwei Vorlagen bei, womit er aktuell Tottenhams bester Scorer ist. In Postecoglou 4-2-3-1 bekommt es dabei als nomineller Zehner alle nötigen Freiheiten, um seine Kreativität im Spurs-Angriffsspiel einzubringen.

Insgesamt wirkt Tottenhams Spiel im letzten Drittel deutlich weniger auf eine einzelne Person ausgerichtet. Während Kane in den vergangenen Jahre klarer Dreh- und Angelpunkt der Spurs-Offensive war, macht es nun den Eindruck, als könne die Mannschaft deutlich freier, kreativer und weniger statisch auftreten. Das Resultat daraus ist ein forscher, kraftvoller Angriffsfußball, ohne dabei jedoch blind jedem Gegner ins Messer zu laufen und in jedem Spiel drei Gegentore zu kassieren.

Denn abgesehen von der Offensive ist Tottenhams Startelf unter dem australischen Coach eine Mischung aus Spielern, für die Postecoglous Vorgänger keine wirkliche Verwendung mehr hatten, wie etwa Pape Sarr, Yves Bissouma (beide zentrales Mittelfeld) und Destiny Udogi (Linksverteidigung) sowie einigen klugen Neuverpflichtungen. Dazu zählen neben Maddison beispielsweise Innenverteidiger Micky van de Ven (VfL Wolfsburg), Keeper Guglielmo Vicario (FC Empoli) und Rechtsverteidiger Pedro Porro (Sporting Lissabon).

Dabei schreckt Postecoglou auch nicht davor zurück, große Namen, welche unter Conte teilweise noch unumstritten gesetzt waren, auf die Bank zu setzen. So kamen die Ex-Bayern-Spieler Pierre-Emile Höjbjerg und Ivan Perisic sowie Giovanni Lo Celso bislang nur zu Kurzeinsätzen.

Angelos Postecoglou
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Tottenham Hotspur: Fans dichten Song für Postecoglou

Postecoglous Beliebtheit bei den Fans tut das kaum einen Abbruch. So dauerte es auch nur bis zum zweiten Spieltag, dem 2:0-Sieg gegen ManUnited, bis dem Australier aus Dankbarkeit - ganz klassisch in englischer Manier - der erste Stadion-Song gewidmet wurde. Spurs-Fan James Black dichtete Robbie Williams Klassiker "Angels" kurzerhand in "Ange" (Abkürzung für Postecoglous Vornamen Angelos) um. Darin findet sich einerseits eine Lobeshymne auf Postecoglou wieder, andererseits teilt man auch gegen die Ex-Trainer Conte, Mourinho, Mauricio Pochettino und sogar Christian Gross und deren langweiligen und wenig erfolgreichen Fußball aus:

<< And through it all / we'll play the way we want to / with big Ange Postecoglou / whether I'm right or wrong. It's big Ange ball / so you can keep your Pochettino, Conte and Mourinho / and even Christian Gross. Cause everywhere we go / I'm loving big Ange instead. >>

Innerhalb kürzester Zeit erlangte der Song innerhalb Englands enorme Bekanntheit, weshalb letztlich sogar Robbie Williams selbst darauf aufmerksam wurde und kurzerhand auf seinem Instagram-Kanal ein Video online stellte, in welchem er den umgetexteten Refrain nachsang. Als bekennender Unterstützer seines Heimatklubs Port Vale aus Stoke-on-Trent äußerte der britische Musiker gar die Vermutung, nun selbst ein Anhänger der Spurs zu sein.

Und auch abseits des Platzes weiß Postecoglou mit seiner offenen, charmanten und schlagfertigen Art zu punkten. So antwortete er auf ein Taktik-Lob eines Reporters auf einer Pressekonferenz ironisch, er kopiere lediglich die Spielweise von ManCity-Coach und Kollege Pep Guardiola, nachdem ihm Experte Gary Neville unmittelbar zuvor vorgeworfen hatte, sich bei den Ideen des Katalanen zu bedienen.

Harry Kane
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Tottenham Hotspur macht mehr Spaß als der FC Bayern

So oder so: Der Erfolg, mit dem Tottenham aktuell seine Spiele bestreitet, gibt dem Australier Recht. Zwar ist es aufgrund des frühen Zeitpunkts in der laufenden Spielzeit noch zu früh für etwaige Vorhersagen. Festzuhalten bleibt aber, dass Tottenham den Abgang Kanes besser verkraftet hat, als so manch einer sich das vielleicht beim Vollzug seines Wechsels vorgestellt haben mag.

Bis zum ersten Saisontor der Londoner schien sich mancher nachtrauernde Tottenham-Fan nicht einmal sicher zu sein, ob es nach Kane überhaupt noch Fußball an der White Hart Lane geben könne. Ironischerweise macht der Fußball jedoch, welchen die Spurs aktuell an den Tag legen, in vielerlei Hinsicht sogar mehr Spaß anzusehen, als das, was der FC Bayern München gerade im Stande ist, abzuliefern.

Heung-Min Son, James Maddison
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Premier League: Die aktuelle Tabelle

#MannschaftSp.SUNToreDiff.Pkt.
1Manchester City440011:2912
2Tottenham Hotspur431011:4710
3Liverpool FC43109:3610
4West Ham United43109:4510
5Arsenal FC43108:4410
6Brighton & Hove Albion430112:669
7Crystal Palace42115:417
8Brentford FC41308:536
9Nottingham Forest42026:606
10Aston Villa42028:9-16
11Manchester United42025:7-26
12Chelsea FC41125:504
13Fulham FC41124:10-64
14Newcastle United41037:703
15Wolverhampton Wanderers41034:8-43
16AFC Bournemouth40224:8-42
17Sheffield United40134:7-31
18Everton FC40132:8-61
19Luton Town30032:9-70
20Burnley FC30033:11-80
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