"Mit einem Mentaltrainer wäre alles besser gelaufen": Michael Cuisance im Interview über seine bisherige Karriere und den FC Bayern München

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Beim FC Bayern verpasste Michael Cuisance den Durchbruch und auch bei seinen folgenden Stationen wurde er nicht glücklich - mittlerweile spielt er beim Zweitligisten VfL Osnabrück. Im Interview mit SPOX spricht der 24-jährige Franzose über seine Zeit in München, die Arbeit mit einem Mentaltrainer und den Umgang mit sozialen Medien.

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Herr Cuisance, Sie haben in Ihrer noch jungen Karriere schon viele Höhen und Tiefen erlebt. Wann waren Sie am glücklichsten?

Michaël Cuisance: In Gladbach. Dort habe ich meine ersten Profispiele gemacht, viele Freunde gefunden und viel Spaß gehabt. Hier in Osnabrück fehlen zwar die Siege, aber ich bin endlich wieder zufrieden. Dieses Gefühl habe ich lange vermisst. In Italien und Marseille hatte ich das nicht.

Wann war es am schwierigsten?

Cuisance: Meine schwierigste Zeit hatte ich in Venedig. Nicht nur wegen der sportlichen Situation, sondern generell in meinem Leben. Für meine Frau und meinen Sohn ist es hier in Deutschland besser, deshalb wollte ich unbedingt zurückkommen. Alles, was ich mache, mache ich nicht mehr nur für mich, sondern auch für meine Familie. Durch die Geburt meines Kindes trage ich größere Verantwortung.

Im Sommer sind Sie kurz vor Ende der Transferphase zum VfL Osnabrück gewechselt. Sie sind Stammspieler, stecken mit Ihrer Mannschaft aber am Tabellenende fest. Wie beurteilen Sie die Situation?

Cuisance: Ich bin sehr zufrieden, dass ich viel spiele und der Mannschaft helfen kann. Ich muss aber noch mehr Tore und Assists machen. Hoffentlich holen wir in der Rückrunde mehr Punkte.

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Sie haben für den FC Bayern, Olympique Marseille und in der Serie A gespielt. War der Schritt in die 2. Bundesliga schwierig für Ihr Ego?

Cuisance: Ich habe in den letzten Jahren nicht gut gespielt. Deshalb wusste ich, dass mich kein Topklub will. Ich wollte zu einem familiären Verein, bei dem ich in Ruhe arbeiten und das öffentliche Bild von mir verbessern kann. In Deutschland wurden viele Unwahrheiten über mich erzählt. Ich will zeigen, dass ich ein Arbeiter bin und wieder mein Top-Niveau erreichen kann. Ich bin auf dem richtigen Weg.

Kritik an Ihnen gab es reichlich: nicht zugebundene Schuhe, ein Leibchen-Wurf in Richtung Julian Nagelsmann, angeblich fehlende Demut. Was sagen Sie zu diesen Vorwürfen?

Cuisance: Kritik ist in Ordnung. Aber es ist traurig, wenn Unwahrheiten erzählt werden. Ich hatte in Gladbach eine super Zeit. Nach meinem Wechsel wurden aber plötzlich Dinge als Probleme dargestellt, die mir gegenüber nie als solche genannt wurden. Das war für mich schwer zu akzeptieren. Zum Beispiel die Geschichte mit den offenen Schuhen. Wenn jemand ein Problem damit hat, kann er zu mir kommen und sagen: "Mika, bitte mach' deine Schuhe zu." Das ist völlig in Ordnung. Ich finde es aber nicht okay, wenn man nichts sagt und sich nachher öffentlich darüber beschwert.

In Gladbach haben Sie mit Manager Max Eberl zusammengearbeitet, er gilt als designierter Sportvorstand des FC Bayern. Wie haben Sie ihn in Erinnerung?

Cuisance: Er war immer nah an der Mannschaft dran. Wir hatten eine super Beziehung. Ich würde mich freuen, wenn wir irgendwann wieder zusammenarbeiten.

Michael Cuisance: Seine Karriere-Stationen

ZeitraunKlubPflichtspieleToreAssists
2017 bis 2019Borussia Mönchengladbach39-3
2019 bis 2022FC Bayern München1322
2020 bis 2021Olympique Marseille3021
2022 bis 2023FC Venezia2622
2023Sampdoria Genua12--
seit 2023VfL Osnabrück132-

Nach zwei Jahren in Gladbach sind Sie 2019 zum FC Bayern München gewechselt, kamen dort aber kaum zum Einsatz. Was wurde Ihnen beim Wechsel versprochen?

Cuisance: Ich hatte bei Gladbach viel Spielzeit und eine gute Perspektive. Dann hat mir Hasan Salihamidzic einen klaren Plan vorgelegt. Er hat gesagt, dass ich sofort zu Bayern wechseln muss, weil der Kader klein ist und ich viel Spielzeit bekommen werde. Das ist leider nicht eingetroffen.

Wie sind Sie damit umgegangen?

Cuisance: Es war schwer für mich. Ich habe wenig gespielt - und wenn ich dann mal spielen durfte, wollte ich zu viel. Das war mein Fehler. In Hoffnung auf mehr Spielzeit habe ich mich nach Marseille, Genua und Venedig verleihen lassen. Überall habe ich viele Trainerwechsel erlebt. Das ist schwierig, weil dann die Aussagen des ehemaligen Trainers nicht mehr gelten und man neu starten muss.

Haben Ihnen beim FC Bayern die Trainer Hansi Flick und Julian Nagelsmann erklärt, warum Sie nicht mehr spielen?

Cuisance: Ich war einfach kein Teil des Plans dieser Trainer. Sie hatten andere Spieler im Kopf.

Bereuen Sie Ihren Wechsel zum FC Bayern?

Cuisance: Im Nachhinein war der Wechsel zu früh. Aber ich bin trotzdem stolz, bei Bayern gespielt und das Triple gewonnen zu haben. Wir hatten damals eine super Mannschaft. Bei den Spielen bin ich zwar nur auf der Bank gesessen, aber im Training habe ich der Startelf geholfen. Von den anderen Mittelfeldspielern Kimmich, Goretzka, Thiago und Martinez konnte ich viel lernen.

Welcher Mitspieler hat Sie im Training am meisten beeindruckt?

Cuisance: Thiago. Er war unglaublich.

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Zurück in die Gegenwart: Sie vertrauen neuerdings auf einen Mentaltrainer. Wie kam das zustande?

Cuisance: Mein Mentaltrainer arbeitet mit verschiedenen Sportlern zusammen. Er hat meine Karriere schon länger verfolgt, mein Potenzial und meine Probleme gekannt. Ungefähr zwei Monate vor meinem Wechsel von Venedig nach Osnabrück hat er mir geschrieben, dass er mir helfen könnte. Ich habe das Angebot angenommen. Ich wollte für die neue Saison und meinen neuen Verein in Top-Verfassung sein. Ich wollte mir später nicht selbst vorwerfen: Hätte ich das versucht, wäre es vielleicht besser gelaufen.

Inwiefern hilft Ihnen die Arbeit mit dem Mentaltrainer?

Cuisance: Familie, Freunde, Leute auf Social Media: Alle geben ihre Meinung ab, das war zu viel für mich. Früher hatte ich niemanden, mit dem ich mich darüber austauschen konnte. Das ist aber sehr wichtig für einen Fußballer, egal ob jung oder alt. Dank der Arbeit mit meinem Mentaltrainer habe ich meinen Kopf frei und gehe mit Selbstvertrauen ins Spiel. Wir arbeiten auch daran, wie ich auf Fehler reagiere. Wie ich es schaffe, so schnell wie möglich wieder positiv zu denken. Ich bin jetzt die beste Michaël-Version.

Hätten Sie schon früher auf einen Mentaltrainer zurückgreifen sollen?

Cuisance: Wenn ich bei meinem Debüt in Gladbach mit einem Mentaltrainer gearbeitet hätte, wäre alles besser gelaufen. Jetzt sehe ich, was das bringt. Jeder Profi sollte schon bei der Unterschrift seines ersten Vertrags einen kleinen eigenen Staff samt Mentaltrainer haben. Das kostet Geld, ist aber sehr wichtig. Fußball ist nicht immer schön, sondern ein Wechselbad der Gefühle; rauf, runter, rauf, runter. Da braucht man Hilfe.

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Sie haben neulich in einem Interview erwähnt, dass Sie den Umgang mit sozialen Medien problematisch finden. Wie meinen Sie das?

Cuisance: Wenn es gut läuft, ist das einfach - wie alles im Leben. Es ist auch kein Problem, wenn eine Person etwas Negatives schreibt. Aber wenn viele das Gleiche schreiben, dann beschäftige ich mich damit. Dann habe ich das beim Training im Kopf und kann nicht frei aufspielen. Das war mein Problem. Auch da hat mir die Arbeit mit dem Mentaltrainer geholfen.

Haben Sie überlegt, komplett auf soziale Medien zu verzichten?

Cuisance: Nein, ich will mit den Fans in Kontakt bleiben. Das ist mir wichtig. Jetzt ist es so: Wenn wir verlieren, kümmert sich meine Schwester um die Posts. Wenn es gut läuft, mache ich sie selbst.

Sie sind noch bis Sommer von Venedig nach Osnabrück verliehen. Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?

Cuisance: Ich will einen Verein finden, bei dem ich mehrere Jahre bleiben kann und Stammspieler bin. Das ist mein großes Ziel. Und irgendwann will ich wieder in der Bundesliga spielen.