Ex-BVB-Keeper Mitch Langerak im Interview: "Ich habe nie mit Thomas Tuchel gesprochen"

Von Stanislav Schupp
Mit dem VfB Stuttgart stieg Mitch Langerak 2017 in die Bundesliga auf.
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Gab es Angebote von Vereinen, bei denen Sie direkt Stammkeeper geworden wären?

Langerak: Es gab nicht viele Optionen. Da ich Ausländer bin, gibt es nur bestimmte Länder, in denen ich spielen kann. Ich kann beispielsweise wegen meines Passes nicht nach England gehen. Es herrschen komplizierte Regeln für Australier, um in Europa zu spielen.

Erklären Sie!

Langerak: Ich hätte keine Genehmigung erhalten. Fast jeder Australier, der in England spielt, besitzt zwei Pässe - einen australischen und einen europäischen. Deutschland ist eines der Länder, in dem ich spielen kann. Es ist aber beispielsweise schwierig nach Spanien, wo ich eine Sondergenehmigung erhalten habe, oder in die Niederlande zu gehen. Ich habe versucht, die deutsche Staatsbürgerschaft zu bekommen, habe es zeitlich aber nicht geschafft.

Am Ende blieben Sie lediglich vier Monate bei Levante und absolvierten ein einziges Spiel in der Copa del Rey.

Langerak: Ich erhielt ein großartiges Angebot von Nagoya Grampus aus Japan. Nach Dortmund war das die beste Entscheidung, die ich je getroffen habe.

Langerak und die 15 Kagawas in Japan

Wieso haben Sie sich dafür entschieden?

Langerak: Die Gelegenheit war optimal für mich. Es war eine gute Entscheidung, sowohl mit Blick auf den Fußball als auch auf den Lebensstil. Ich hatte das Gefühl, gebraucht zu werden und alles schien sehr professionell. Außerdem ist Japan näher an Australien und an meiner Familie, es liegt in der gleichen Zeitzone. Ich habe sieben Jahre in Europa verbracht, das ist für Australier eine sehr lange Zeit, um von zu Hause weg zu sein. Nicht viele halten so lange durch. (lacht)

Seit Januar 2018 spielt Mitch Langerak in Japan bei Nagoya Grampus.
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Seit Januar 2018 spielt Mitch Langerak in Japan bei Nagoya Grampus.

Wie würden Sie den Fußball in Japan im Vergleich zu Europa beschreiben?

Langerak: Der Fußball ist fantastisch und es gibt viele großartige Spieler. Europäischer Fußball ist körperbetonter, in Japan liegt der Fokus dagegen mehr auf Technik, auf schnellem Kurzpassspiel. Eine Art, es zu beschreiben, ist Shinji Kagawa: Es ist, als würde man mit den technischen Fähigkeiten von 15 Kagawas auf dem Platz stehen. Wenn deutsche Fans sich einige Spiele ansehen würden, wären sie überrascht. Es gibt viele Berater, die die japanische Liga beobachten. Ich denke, dass es in Zukunft viel mehr japanische Spieler geben wird, die den Sprung nach Europa schaffen.

Neben Ihnen stehen drei Brasilianer und ein Südkoreaner im Kader - der Rest kommt aus Japan. Wie wirkt sich das auf die Kommunikation aus?

Langerak: Wir haben alle Übersetzer, aber viele Japaner sprechen auch etwas Englisch.

Sie haben die Ligen in Deutschland und Spanien erlebt. Fühlen Sie sich manchmal unterfordert?

Langerak: Absolut nicht, es ist eine riesige Herausforderung. Die J-League ist die beste Liga in Asien. Im vergangenen Jahr spielten wir gegen Vissel Kobe mit Andres Iniesta, Lukas Podolski, Thomas Vermaelen und David Villa. Es gibt zudem japanische Spieler, die zum Teil sogar besser sind als die Europäer. Als Torhüter spielt es keine Rolle, gegen wen man spielt. Es ist egal, wer den Torschuss abgibt. Wenn er gut ist, bekommt man so oder so Probleme.

Was war für Sie der größte Unterschied oder die größte Herausforderung im täglichen Leben?

Langerak: Der Respekt und die Disziplin der Spieler sind unglaublich. Egal, was der Trainer sagt, es wird nicht diskutiert. Wenn in Deutschland das Training um 10 Uhr morgens beginnt, kommen alle um 9 Uhr an und gehen, sobald das Training vorbei ist. Wenn in Japan das Training um 10 Uhr angesetzt ist, sind die Spieler bereits um 8 Uhr da und gehen vor der eigentlichen Einheit in den Kraftraum. Manchmal bleiben sie sogar bis 15 oder 16 Uhr. Sie arbeiten jeden Tag und den kompletten Tag, das ist normal. Ich bin wahrscheinlich eher an den europäischen Stil gewöhnt. Es gibt auch andere interessante Dinge. Zum Beispiel finden man keine Mülleimer, aber es liegt auch kein Müll auf der Straße. Wenn es in Europa keine Mülleimer gäbe, wären die Straßen voller Müll.

Langerak über seine Covid-19-Erkrankung

Vor einigen Monaten infizierten Sie sich mit Covid-19, waren allerdings symptomfrei. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?

Langerak: Ein Teamkollege hatte es zuerst, daraufhin wurden alle getestet. Es stellte sich heraus, dass ich positiv war, aber ich wusste beziehungsweise fühlte nichts. In Japan muss man für zehn Tage ins Krankenhaus. Ich fühlte mich die ganze Zeit gesund, aber es war sehr beängstigend und schwierig, weil ich Angst hatte, dass es mir schlechter gehen und ich meine Familie anstecken könnte. Danach wurde ich zweimal negativ getestet, sodass ich das Krankenhaus wieder verlassen durfte. Das Land scheint alles unter Kontrolle zu haben, die Zahlen sind stabil.

Haben Sie bestimmte Maßnahmen ergriffen?

Langerak: Wir haben uns sowohl davor als auch danach immer an die Vorsichtsmaßnahmen gehalten. In Japan geht niemand ohne Maske aus dem Haus, das ist völlig normal. Trotz aller Richtlinien lässt es sich aber nicht vermeiden. Ich war schon immer sehr vorsichtig, daran hat sich nichts geändert. Wir hatten in dem Fall einfach Pech.

Ihr Vertrag läuft im Januar 2021 aus. Inwiefern beeinflusst die Corona-Situation eine mögliche Fortsetzung Ihrer Karriere in Japan?

Langerak: Ich bin in der gleichen Lage wie jeder andere auf der Welt. Im Moment ist es schwer zu sagen, aber ich hoffe, dass ich hier weitermachen kann. Wir werden sehen, was passiert. Jetzt heißt es Daumen drücken.

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