Ex-BVB-Keeper Mitch Langerak im Interview: "Ich habe nie mit Thomas Tuchel gesprochen"

Von Stanislav Schupp
Mit dem VfB Stuttgart stieg Mitch Langerak 2017 in die Bundesliga auf.
© imago images / Sportfoto Rudel

2010 verpflichtete Borussia Dortmund Torhüter Mitch Langerak als Ersatzmann für Roman Weidenfeller. Mit dem BVB feierte der heute 32-Jährige zwei Meisterschaften sowie das Double 2012. Nach zwei Jahren beim VfB Stuttgart sowie einem kurzen Engagement in Levante zog es den Australier 2018 zu Nagoya Grampus nach Japan.

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Im Interview mit SPOX und Goal spricht Langerak über die BVB-Zusage im Halbschlaf, positive Naivität und den Umgang mit dem überraschenden Abschied von Jürgen Klopp.

Außerdem verrät er, warum er nie Kontakt zu Thomas Tuchel hatte, über welche Umwege er in Stuttgart von der Verpflichtung von Ron-Robert Zieler erfuhr und was Shinji Kagawa mit der japanischen Liga zu tun hat.

Herr Langerak, 2010 wechselten Sie aus Australien von Melbourne Victory nach Deutschland zum BVB. Was war Ihr erster Gedanke, als Sie vom Interesse eines solch großen Klubs erfahren haben?

Mitch Langerak: Mein Berater rief mich um 3 Uhr morgens an, um mir mitzuteilen, dass Dortmund mich so schnell wie möglich verpflichten wolle. Ich war im Halbschlaf, also sagte ich: 'Ja, super, kein Problem. Lass' uns morgen reden.' Am nächsten Tag rief ich ihn zurück, weil ich mir nicht mehr sicher war, ob es ein Traum war. Ich fragte ihn: 'Von welchem Verein war die Rede? Werder Bremen, Hertha BSC?' Als er sagte, dass es tatsächlich Dortmund sei, konnte ich es nicht glauben.

Ihr ehemaliger BVB-Teamkollege Mustafa Amini verriet im Interview mit SPOX und Goal, dass Australier nicht viel über Dortmund wüssten. Was wussten Sie?

Langerak: Ehrlich gesagt nicht so viel, wie ich hätte wissen sollen. Mir war bewusst, dass es einer der größten Klubs des Landes war. 2010 war der BVB allerdings noch nicht so groß wie jetzt, denn die Erfolgsphase hatte gerade erst begonnen. Mittlerweile kennt sie in Australien jeder.

Wie erinnern Sie sich an Ihr erstes Treffen mit Jürgen Klopp?

Langerak: Ich hatte nicht viel von ihm gehört, aber mein Berater sagte, dass er der nächste große Trainer in Deutschland werden würde und dass alle ihn liebten. Als ich ihn schließlich traf, sagte er nur: 'Es ist egal, ob du schlecht spielst oder Fehler machst. Solange du hart arbeitest und trainierst, wirst du nie ein Problem mit mir haben.' Ich erinnere mich heute noch an diese Worte. Nach diesem Motto habe ich auch meine ersten Monate in Deutschland gelebt.

Welchen Weg zeigte Ihnen die Borussia anfangs auf?

Langerak: Der Plan war, die Nummer zwei hinter Roman Weidenfeller zu sein, ihn zu unterstützen und bei Bedarf zu vertreten. Ich hatte nicht den Druck, jede Woche zu spielen, weil ich wahrscheinlich etwas naiv war, aber auf eine gute Art und Weise.

Inwiefern?

Langerak: Als ich nach Deutschland kam, wusste ich nicht, wie groß Fußball in Europa wirklich ist. Das war ein Vorteil für mich, so konnte ich mich auf mein Training und meine Entwicklung konzentrieren.

Während Ihres fünfjährigen Engagements beim BVB blieb Ihnen hauptsächlich die Rolle hinter Weidenfeller. In unserem Interview 2014 sagten Sie, dass Sie sein Nachfolger und Dortmunds Nummer eins werden wollen. Auch Teddy de Beer, Ihr ehemaliger Torwarttrainer, meinte, es sei nur eine Frage der Zeit, bis Sie Weidenfeller ersetzen würden.

Langerak: In den ersten beiden Jahren war es ausschließlich mein Ziel, mich zu verbessern. An Weidenfeller gab es kein Vorbeikommen. In meiner dritten Saison wollte ich unbedingt den nächsten Schritt machen, ich habe dann auch einige Spiele bestritten. In einer perfekten Welt spielt man von der ersten Minute an. Als Torhüter ist das aber nicht immer möglich, also musste ich geduldig bleiben.

Ex-BVB-Keeper Langerak über Debüt gegen den FC Bayern

Wie fühlt es sich an, unter Klopp zu spielen? Vor allem, wenn man meist nicht in der Startelf steht - wie schafft er es, dass man die Motivation behält und daran glaubt, dass er volles Vertrauen in die Ersatzspieler hat?

Langerak: Es ist die Art und Weise, wie er mit den Spielern spricht. Er gibt jedem Einzelnen das Gefühl, wichtig zu sein. Er unterhält sich mit jedem über Alltägliches. Wir waren damals eine der besten Mannschaften der Welt und nur 14 Spieler konnten spielen. Der Rest musste auf seine Chance warten.

Die erste Chance bot sich Ihnen ausgerechnet in einem entscheidenden Spiel im Rennen um die Deutsche Meisterschaft gegen den FC Bayern München im Februar 2011, das mit 3:1 gewonnen wurde. Wie haben Sie diesen Tag in Erinnerung?

Langerak: Weidenfeller war verletzt und am Tag vor der Partie erfuhr ich, dass ich spielen würde. Als Keeper ist es immer schwer, nach langer Zeit das erste richtige Spiel zu bestreiten. Mein Debüt im wahrscheinlich größten Spiel der Saison in München zu geben und dort zum ersten Mal seit 20 Jahren zu gewinnen, war sehr aufregend.

Was haben Klopp und Ihre Teamkollegen vor dem Spiel zu Ihnen gesagt?

Langerak: Klopp war ruhig und machte Witze. Es war fast so, als würden wir ein Freundschaftsspiel bestreiten. Ich begriff nicht, wie wichtig das Spiel war, ich war immer noch naiv. Ich sah das eher so: Wenn wir gewinnen, ist das großartig, aber wir haben immer noch das nächste Jahr vor uns. Als junger Kerl und Australier war das meine Mentalität. (lacht) Marcel Schmelzer kam zu mir und sagte: 'Du hast schon einmal 90 Minuten Fußball gespielt und große Spiele bestritten. Es sind nur weitere 90 Minuten, nicht mehr und nicht weniger.' Wir hatten eine sehr gute Truppe, das machte es einfacher für mich.

Wer war Ihr bester Mitspieler aus dieser Truppe?

Langerak: Nuri Sahin war fantastisch. Aber wir hatten auch großartige Spieler wie Robert Lewandowski, Neven Subotic und Mario Götze.

Gab es jemanden, der Ihnen im Training am meisten Probleme bereitet hat?

Langerak: Am ehesten Ivan Perisic, er war unglaublich. Marco Reus und Lewandowski aber auch.

Im DFB-Pokal-Finale wurde Mitch Langerak für den verletzten Roman Weidenfeller eingewechselt.
© imago images / Sven Simon
Im DFB-Pokal-Finale wurde Mitch Langerak für den verletzten Roman Weidenfeller eingewechselt.

Langerak über Kampf um die Nummer eins beim BVB

Zum Ende der Hinrunde der Saison 2014/15 ersetzten Sie Weidenfeller für vier Spiele, nachdem er eine Schwächephase hatte. Beeinflusste das Ihr Verhältnis?

Langerak: Gar nicht. Klopp entschied oft kurzfristig, wer im Tor stand. Meine Beziehung zu Weidenfeller war fantastisch. Er wusste, dass ich nicht gekommen bin, um Probleme zu bereiten oder Vaseline auf seine Handschuhe zu schmieren. (lacht)

2015 verkündete Klopp überraschend seinen Abschied zum Saisonende. Wie wurde das von der Mannschaft aufgefasst?

Langerak: Es war ein großer Schock, denn wir haben es nicht kommen sehen. Ich habe es zu Hause in den Nachrichten gesehen. Damals war es schwer zu realisieren, dass einer der besten Trainer der Welt einen der besten Vereine der Welt verlässt. Er hat unglaublich viel für unsere Karrieren getan. Aber das ist Profifußball. Es herrschte ein sehr professionelles Umfeld, daher kam niemand weinend zum Training.

Mitch Langerak: Seine Karriere im Überblick

VereinPflichtspieleGegentoreZu-Null-Spiele
Melbourne Victory22229
Borussia Dortmund353413
VfB Stuttgart394810
UD Levante11-
Nagoya Grampus9013323
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