Die Revolution schwappt zurück

Von Für SPOX in der Allianz Arena: Andreas Lehner
Arjen Robben bejubelt den Sieg des FC Bayern gegen Borussia Dortmund
© getty

Der FC Bayern zeigt auch im direkten Duell mit Borussia Dortmund, dass er die richtigen Schlüsse aus der Vergangenheit gezogen und eine Entwicklung vollzogen hat. Die Stimmung schwankt zwischen Ekstase und Nüchternheit. Der Gegner trauert einer vergebenen Chance hinterher, plant aber schon den Gegenschlag.

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Wer noch Fragen hatte, welche Bedeutung das Spiel gegen Borussia Dortmund für den FC Bayern München einnahm, der fand seine Antworten hinterher bei Arjen Robben und Uli Hoeneß. Robben sank unmittelbar nach dem Schlusspfiff auf die Knie und trommelte wie wild mit beiden Fäusten auf den Rasen der Arena ein.

Ein sehr emotionaler Jubel, der für ein Viertelfinale im DFB-Pokal schon etwas übertrieben wirkte, die Geschichte dieser Begegnung und auch die Geschichte des Arjen Robben aber anschaulich demonstrierte.

Robben hatte zum Ende der vergangenen Saison zwei entscheidende Elfmeter verschossen, einen beim "Meisterschafts-Endspiel" in Dortmund und einen im Champions-League-Finale in München. Kurz darauf wurde er bei einem Freundschaftskick, der auch noch wegen Robben selbst stattfand, von den eigenen Fans ausgepfiffen.

Hoeneß: "Wichtig, den BVB endlich geschlagen zu haben"

Seit Mittwochabend ist Robben aber endgültig wieder mit sich im Reinen. Sein Tor, ein herrlicher Schlenzer in den linken Winkel, machte am Ende den Unterschied in einem intensiven Fußballspiel, in dem der FC Bayern auch im direkten Duell mit Borussia Dortmund seine neue Stärke demonstrierte.

Dieser Umstand wirkte sich auch positiv auf das Seelenheil von Bayern-Präsident Uli Hoeneß aus. "Es war wichtig, dass wir den BVB jetzt endlich mal geschlagen haben. Und das hoch verdient und nicht irgendwie glücklich." Fünf Niederlagen in Liga und Pokal in den vergangenen zwei Spielzeiten hatten am Selbstverständnis der Münchner genagt.

Hoeneß kündigte daraufhin an, solange in den Kader zu investieren, bis die Bayern in Deutschland wieder die Nummer eins wären. Eine weitere Niederlage in einem entscheidenden Spiel gegen den BVB und die Rekordsaison in der Liga hätte am Ende wohl einen Makel gehabt. Der Sieg in der Vorbereitung beim Supercup und das 1:1 im Hinspiel der Bundesliga deuteten aber an, dass im Sommer an den richtigen Stellschrauben gedreht wurde. Das Pokalspiel beseitigte die letzten Zweifel.

Neuzugänge stehen für neue Identität

Die Neuzugänge Dante, Javi Martinez und Mario Mandzukic spielten in jedem Mannschaftsteil eine entscheidende Rolle und stehen stellvertretend für die neue Identität des FC Bayern im zweiten Jahr unter Jupp Heynckes. Rauschten die Schnellangriffe des BVB in den vorangegangenen Spielen noch unaufhaltsam durch die Defensive der Bayern, war am Mittwochabend bis zur 90. Minute keinen nennenswerte Chance der Schwarz-Gelben zu verbuchen.

Die defensive Stabilität ist die neue, große Qualität der Münchner, die jetzt auch auf hohem Niveau den Unterschied macht. "Das ist unsere Stärke in dieser Saison", sagte selbst Robben, der zuvor nicht im Verdacht stand, ein Defensivfanatiker zu sein. "Wir sind stabiler als letztes Jahr, haben eine bessere Organisation und einen besseren Kader."

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Nach dem Ligatitel, der bei 17 Punkten Vorsprung praktisch schon gebucht ist, streben die Bayern auch dem DFB-Pokalsieg entgegen. Unter den verbliebenen Mannschaften sind die Münchner klarer Favorit. Hoeneß reklamierte nach dem Erfolg die "Vormachtstellung" zurück. "Die deutschen Verhältnisse sind geklärt." Die Revolution, die der BVB angezettelt hat, schwappt gerade wieder zurück.

Von Genugtuung wollte Hoeneß aber überhaupt nicht sprechen, schließlich habe sich der BVB immer fair verhalten. Sogar ein bisschen Dankbarkeit schwang in den Worten des Präsidenten mit. Die Rivalität mit der Borussia habe den FC Bayern "auf ein neues Level geführt". Wie schon nach dem 3:1-Sieg beim FC Arsenal in London sprach Hoeneß vom "perfekten Fußball.". Besser könne man nicht spielen.

Stimmung zwischen Ekstase und Nüchternheit

Der Ekstase von Robben und der Euphorie von Hoeneß standen die schon fast nüchternen Reaktionen der restlichen Spieler und von Sportvorstand Matthias Sammer gegenüber. Während Robben auf Knien seinen Triumph feierte, klatschten seine Kameraden im Hintergrund die unterlegenen BVB-Spieler ab und absolvierten anschließend das gewohnte Kurvenritual. "Das war schön heute", sagte Lahm später. "Aber wir wollen Titel gewinnen. Wir müssen ins Finale kommen und wenn wir im Halbfinale ausscheiden, bringt der Sieg nichts." Fast wortgleich äußerte sich auch Toni Kroos.

Sammer ist von der Emotionalität, die er an der Seitenlinie ins Spiel einbringt, in Interviews ohnehin weit entfernt. "Freude ja, aber man muss bescheiden bleiben", sagte der Sportvorstand. "Ab morgen ist wieder Normalität." Für Sammer war das Spiel kein Anlass für Ansagen jeglicher Art. "Zum jetzigen Zeitpunkt brauchen wir nicht zu reden." Überraschend kam für ihn die gezeigte Leistung ohnehin nicht. Die Mannschaft habe nur das bestätigt, was sie schon über die gesamte Spielzeit auszeichnet. Die Bewertung des Spiels mache er deshalb nicht vom Sieg abhängig. "Das Ergebnis ist das Produkt unserer Arbeit."

Ganz ohne Lob durfte auch Sammer die Arena nicht verlassen. Bastian Schweinsteiger attestierte er eine "Weltklasseleistung". Ebenso hatte er eine Achse um Torhüter Manuel Neuer, Kapitän Philipp Lahm, Dante und Schweinsteiger gesehen, die er ebenfalls mit dem Prädikat Weltklasse auszeichnete.

Bayern verdienen sich Respekt

Die Qualität der Bayern nötigte auch den geschlagenen Gästen Respekt ab. So deutlich unterlegen sah sich der entthronte Titelverteidiger allerdings nicht. Die erste Halbzeit habe gefehlt, meinte Trainer Jürgen Klopp, der sehr sachlich und souverän mit der Niederlage umging. "Und 45 Minuten reichen gegen diese Bayern nicht."

Der BVB-Trainer hatte viele Ansatzpunkte erkannt, an denen sein Team die Bayern hätte packen können, wenn es sich zu Beginn mehr zugetraut hätte. Am Ende blieb aber vieles Konjunktiv im Dortmunder Spiel.

Alles kein Problem meinte auch Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke. Die Bayern seien extrem stark und einen Tick besser gewesen, das müsse man mal akzeptieren und legte besondere Betonung auf das "mal". Die Worte von Hoeneß und die ausgelassene Freude der Münchner Zuschauer nahm Watzke als Bestätigung der Arbeit der letzten Jahre. "Wir können nicht alles falsch gemacht haben, wenn man in München ein 1:0 gegen Borussia Dortmund so feiert."

Ein Wiedersehen in Europa?

Die Dortmunder müssen sich trotzdem den Vorwurf gefallen lassen, besonders in der ersten Halbzeit zu passiv agiert zu haben. "Wir haben unser Spiel nicht durchgezogen", meinte auch Sven Bender. "Wir haben die erste Halbzeit verschlafen und dann war's zu spät. Wir hätten mutiger sein müssen, dann wäre mehr gegangen."

Die Münchner haben eine Reaktion gezeigt auf die Demütigungen der letzten Jahre, jetzt ist der BVB wieder am Zug. Klopp hatte dies schon auf der Pressekonferenz verstanden, als er knapp 20 Minuten nach Abpfiff feststellte: "Wir haben aus diesem Spiel gelernt." Vielleicht können sie die Lernergebnisse schon in Kürze öffentlich unter Beweis stellen. Am 15. März findet die Auslosung fürs Champions-League-Viertelfinale statt. Beide Teams haben gute Chancen, im Lostopf dabei zu sein.

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