Trotz des Sieges gegen Manchester United: Dieser Aspekt bereitet beim FC Bayern München Sorge

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Der FC Bayern München startete mit einem Sieg gegen Manchester United zwar erfolgreich in die Champions-League-Saison, ließ aber phasenweise erneut die nötige Kontrolle vermissen. Trainer Thomas Tuchel sieht immerhin einen Fortschritt.

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Gegen Mitternacht verkam die Mixed Zone der Allianz Arena zum Basar. Warum der FC Bayern München in den ersten 25 Minuten gegen Manchester United denn überhaupt nicht ins Spiel gekommen sei, wollte ein Reporter von Thomas Müller wissen. "Viertelstunde! Ich handle dich ein bisschen runter", sagte Müller und lachte.

Lachen durfte der diesmal lediglich eingewechselte Müller nicht nur wegen seines schnippischen Spruches. Sondern auch, weil sich seine Mannschaft im Laufe des Spiels gesteigert hatte. Nach 15 Minuten? 45? Oder gar erst zur Pause? Egal, am Ende hieß es jedenfalls: 4:3 gegen Manchester United, damit zum 20. Mal in Folge zum Champions-League-Auftakt gewonnen, sofort die Tabellenführung in der Gruppe A übernommen, abgesehen vom Supercup in dieser Saison weiterhin ungeschlagen.

Es war aber keineswegs ein Glanz-Auftritt des FC Bayern gegen ein kriselndes United. Wie in den bisherigen Saisonspielen präsentierten sich die Münchner erneut wankelmütig. Die wilde Schlussphase und vor allem die äußerst behäbige Anfangsphase warfen Fragen auf.

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FC Bayern: Verschiedene Deutungen des Matchplans

Die Münchner agierten zunächst statisch und fehlerhaft, reihten unnötige Fehlpässe und Ballverluste aneinander. Chancen gab es keine, zu diesem Zeitpunkt eher unverdient ging der FC Bayern aber durch die ersten beiden Schüsse aufs Tor von Leroy Sané (28.) und Serge Gnabry (32.) in Führung.

Müller fand die erste Viertelstunde "nicht optimal", laut Sven Ulreich hätte die Mannschaft "vielleicht zehn Minuten gebraucht, um sich zu finden". Es sei laut des Keepers aber der explizite "Matchplan" gewesen, "dass wir United kommen lassen. Wir wollten kein großes Pressing gehen, weil das wollten sie unbedingt. Deswegen haben wir den Ball laufen lassen in unseren Reihen. Das hätten wir eigentlich noch viel mehr machen müssen, gerade in der zweiten Halbzeit."

Während Ulreich den Matchplan somit zumindest in der ersten Halbzeit generell befolgt sah, sagte Sportdirektor Christoph Freund: "Der Matchplan war sehr, sehr eindeutig für die Jungs. Es wurde dann einfach nicht so auf den Platz gebracht, wie es geplant war. Wir sind richtig schwer ins Spiel gekommen, haben nicht so richtig reingefunden in die Zweikämpfe, haben keine Kontrolle gehabt. Das beste an der ersten Halbzeit war sicher das Ergebnis. Die zweite Halbzeit war viel besser."

Thomas Müller
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Thomas Müller: "Irgendwie komisch von A bis Z"

Nach der Pause wurde der FC Bayern zwingender und kreativer: Davor lag der xG-Wert der zu erwartenden Tore bei lediglich 0,34, danach bei 1,95. Aber dennoch verlor der FC Bayern die zweite Halbzeit mit 2:3. "Ein bisschen paradox" fand das Trainer Thomas Tuchel. Wegen seiner Roten Karte beim letztjährigen Ausscheiden gegen Manchester City musste er das Spiel von der Tribüne verfolgen.

Die Münchner führten zwar komfortabel mit 2:0, 3:1 und 4:2, machten es mit unnötigen Gegentoren in der Schlussphase aber nochmal spannend. Konrad Laimer beklagte "Harakiri-Pässe im Mittelfeld" und "zu leichte Ballverluste", Leroy Sané vermisste "das Bewusstsein im Spiel: 'Okay, wir führen jetzt 2:0, jetzt müssen wir das Spiel kontrollieren.'"

Müller fand die Partie "von außen und auch von innen irgendwie komisch von A bis Z. Das kann 6:1 ausgehen, vielleicht kann Manchester United am Ende auch nochmal ein Tor machen. Das ist ganz schwer zu analysieren." Freund beklagte: "Es war nicht das ganze Spiel so konstant und mit so einer Kontrolle, wie wir uns das gewünscht haben."

Thomas Tuchel, FC Bayern München
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FC Bayern: Immer wiederkehrende Kontrollverluste

Kontrolle. Dieses Wort fällt bei Analysen von Spielen des FC Bayern aktuell sehr regelmäßig, gerne garniert mit dem Zusatz "-verlust". Die Münchner schaffen es in dieser Saison bisher nicht, Spiele über die volle Distanz zu dominieren, zu kontrollieren. So wie sie es früher jahrelang unter Pep Guardiola oder Jupp Heynckes geschafft hatten oder in der Triple-Rückrunde unter Hansi Flick.

Immer wieder erfolgen während einer Partie für Beobachter und Protagonisten unerklärliche Leistungseinbrüche oder -anstiege. Wenn es wiedermal läuft, fragt man sich schon: Warum nicht immer so? Das nötige Talent ist ja zweifellos vorhanden. Beim Bundesliga-Spitzenspiel gegen Bayer Leverkusen am Freitag glänzte der FC Bayern beispielsweise in der Anfangsphase, ließ dann aber stark nach. Diesmal war es umgekehrt - doch immerhin eine Gemeinsamkeit hatten beide Spiele: eine wilde, torreiche Schlussphase.

Gegen Leverkusen reichte es trotz später Führung nur zu einem Remis, gegen United zu einem knappen Sieg. Auch beim 4:0 gegen Werder Bremen zum Bundesliga-Auftakt war es überraschend lange spannend. Beim 2:1 gegen Borussia Mönchengladbach erzielte Mathys Tel erst in der 87. Minute das Siegtor. In den bisherigen sechs Pflichtspielen schossen die Münchner zwar 15 Tore, kassierten aber auch schon zehn.

Diese Schwankungen und Kontrollverluste sind schon aus der vergangenen Saison bestens bekannt. Auch unter Tuchels Vorgänger, dem künftigen Bundestrainer Julian Nagelsmann, waren sie zu beobachten. Mut macht Tuchel immerhin "ein Unterschied zu den Spielen in der letzten Saison: Es gibt noch diese Phasen, aber die hören dann auch wieder auf - und wir fallen nicht zusammen und geben nicht ganze Spiele ab."