Kommentar zum FC Bayern: Ein Verbleib von Niko Kovac hilft niemandem

Von Kerry Hau
Niko Kovac (r.) verlässt den FC Bayern.
© imago images

Niko Kovac erhält nach der historischen 1:5-Demütigung in Frankfurt von den Verantwortlichen des FC Bayern eine weitere Chance. Da er aber einen gewichtigen Teil seiner Mannschaft verloren hat, hilft die Entscheidung weder dem Verein noch ihm selbst. Ein Kommentar.

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Niko Kovac ist kein schlechter Trainer. Das hat er bei Eintracht Frankfurt bewiesen, als er es sehr wohl verstand, seiner Mannschaft einen taktischen Plan mit auf den Weg zu geben und mit seiner emotionalen Art ein Feuer in ihr zu entfachen. Anders hätte der Verein nicht nach 30 Jahren wieder den DFB-Pokal errungen. Und deshalb lieben sie Kovac bei der Eintracht trotz seines weniger sauberen Abschiedes noch heute.

Der Tenor der Frankfurter Klubmitarbeiter und Vorstandsmitglieder nach der Schmach vom Samstag: Der Niko tut uns leid, er ist so ein feiner Kerl und hat die Kritik, die Woche für Woche auf ihn einprasselt, nicht verdient. Ähnlich äußerten sich auch die Spieler der Eintracht, die in den Katakomben des Waldstadions auf ihren alten Lehrmeister zugingen und ihn aufmunterten.

Tatsächlich kann Kovac einem leidtun. Erst recht, weil die Verantwortlichen des FC Bayern ihm trotz des Offenbarungseids in Frankfurt nun eine weitere Chance geben. In den nächsten beiden Heimspielen gegen Olympiakos Piräus und Borussia Dortmund darf er noch auf der Bank Platz nehmen. Sollten diese Spiele halbwegs erfolgreich gestaltet werden, dürfte Kovac auch nach der Länderspielpause beim Auswärtsspiel in Düsseldorf an der Seitenlinie stehen.

Die Absicht dahinter ist klar: Wie während der Herbstkrise vor einem Jahr hoffen Präsident Uli Hoeneß und Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge, dass die Mannschaft eine Trotzreaktion zeigt und die pulverfassartige Atmosphäre dem "Mia san mia" weicht.

Hoeneß hält an Kovac fest - viele Spieler schon lange nicht mehr

Einerseits ist das Festhalten an Kovac legitim, weil sich in einer englischen Woche mit dem Kracher gegen den BVB wohl kaum ein geeigneter Nachfolger präsentieren lässt und "Familienmensch" Hoeneß offensichtlich nicht als Boss in Erinnerung bleiben möchte, dessen letzte Amtshandlung von Aktionismus und fehlender Dankbarkeit zeugte - hatte Kovac in seiner Premierensaison doch immerhin das Double aus Meisterschaft und Pokal an die Säbener Straße gebracht.

Andererseits ist das Festhalten an ihm auf mittel- bis langfristige Sicht nicht förderlich für den Verein und für Kovac selbst. Denn der hat ähnlich wie sein Vor-Vorgänger Carlo Ancelotti einen gewichtigen Teil der Mannschaft gegen sich.

Sei es Thomas Müller, der sich gerade, als es gut lief, öffentlich über seine sporadischen Einsätze unter Kovac beschwerte. Joshua Kimmich, der Dauermahner, der intern schon länger Trübsal bläst, weil er am liebsten immer im defensiven Mittelfeld statt auf der rechten Verteidigerposition spielen würde. Oder Manuel Neuer, wohlgemerkt der Kapitän, der schon nach dem Pokalspiel in Bochum zwischen den Zeilen Kovacs Beschwerde über die schwierigen Wetterbedingungen in Piräus kritisierte und nach dem Spiel in Frankfurt meinte, das Gezeigte sei "kein riesiges Wunder", sondern habe sich vielmehr "abgezeichnet".

Kovac und die Bayern: Es passt einfach nicht

Bleibt also die Frage: Wie soll ein Trainer eine Mannschaft führen und besser machen, die nicht bedingungslos hinter ihm steht? Selbst wenn sich das Team gegen Piräus und Dortmund am Riemen reißt und "bayern-like" aus der Krise herausarbeitet, so ist Kovac nicht die langfristige Lösung, um diese Stück für Stück brüchigere Karosserie zu reparieren und ihr einen Motor einzubauen, der auf der Autobahn 200 km/h fahren kann.

Anders als in Frankfurt können sich die Profis in München schlichtweg nicht für Kovac und seinen Fußball begeistern. Er entfacht kein Feuer in ihnen, was dem Trainer angesichts der Aussagen, die er seit Wochen trifft, auch selbst immer bewusster zu werden scheint.

Das muss aber keineswegs heißen, dass Kovac der alleinige Sündenbock für den handschriftslosen und verstörenden Fußball des FC Bayern ist. Er hätte sich etwa auf eine offensivere Spielweise festlegen können, wie sie die meisten Spieler unter Jupp Heynckes oder Pep Guardiola gewohnt waren. Er hätte sich in Interviews besser artikulieren können. Er hätte auch den Kader gerade nach dem 7:2 gegen Tottenham Hotspur besser moderieren können, wie die Fälle Thomas Müller und Javi Martinez zeigten.

Verletzungen kann er jedoch nicht beeinflussen, und bei der Zusammenstellung der Mannschaft reden in München bekanntlich noch andere mit. Andere, die aktuell weder zum Wohle des Vereins noch zum Wohle Kovacs handeln.

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