Schalke 04 in der Krise: Armutszeugnisse, wohin man schaut

Von Stefan Petri
Schalke-Trainer David Wagner steckt mit Königsblau in einer sportlichen Krise. Aber auch finanziell steht der Traditionsklub am Abgrund.
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Durch das 0:4 im Revierderby bei Borussia Dortmund zum Bundesliga-Neustart hat sich die sportliche Krise bei Schalke 04 noch einmal verschärft. Fußballerisch und mental ist das Team von Trainer David Wagner derzeit alles andere als ein Spitzenteam. Noch dramatischer ist die Lage jedoch bei den Finanzen - und der mögliche Ausweg dürfte bei den Fans auf wenig Gegenliebe stoßen.

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"Die Dortmunder sind genauso im Nebel wie wir", hatte sich Trainer David Wagner im Vorfeld des 95. Bundesliga-Revierderbys noch vergleichsweise angriffslustig gezeigt. Nach der 0:4-Abreibung am Samstagnachmittag ist klar: Der BVB hatte trotz Coronakrise und Geisterspiel offensichtlich den Durchblick - und bei Königsblau ließe sich aus dem Nebel-Zitat eine vortreffliche Titanic-Analogie spinnen. Untergegangen ist der Traditionsklub mit über 150.000 Mitgliedern noch nicht, aber der Eisberg ist längst gerammt und die Decks laufen mit zunehmender Geschwindigkeit voll.

Da wäre zunächst einmal die sportliche Krise. Es lassen sich zwar viele gute Gründe dafür ins Feld führen, warum die höchste Derby-Niederlage seit 1966 als Standortbestimmung nicht taugt - die lange Pause, das rudimentäre Mannschaftstraining der letzten Tage und Wochen, das Auswärts-Geisterspiel -, Tatsache ist jedoch, dass sich der Trend der Wochen vor der Bundesliga-Zwangspause nahtlos fortsetzte.

Nach 15 ordentlichen ersten Minuten waren die Schalker mit dem schnellen Umschaltspiel der Dortmunder überfordert, brachten selbst nach vorn fast gar nichts zustande und ergaben sich spätestens in Halbzeit zwei in ihr Schicksal. Es war das achte Spiel in Folge ohne Sieg (sieben Ligaspiele, einmal Pokal), dabei stehen zwei eigene Treffer und 19 Gegentore zu Buche. Auswärts steht man bei mittlerweile fünf Partien ohne eigenen Treffer.

Oder, um es anders zu formulieren: Nach dem Rückrundenauftakt stand Schalke 04 punktgleich mit Dortmund auf Platz fünf, nur drei Punkte hinter den Bayern. Mittlerweile ist man auf Rang acht abgerutscht, sogar der SC Freiburg zog am Samstag vorbei.

Amine Harits Flehen prallt an Schiedsrichter Deniz Aytekin ab.
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Amine Harits Flehen prallt an Schiedsrichter Deniz Aytekin ab.

Schalkes sportliche Krise: Probleme in allen Mannschaftsteilen

Die Fehlerkette im Team zieht sich dabei von ganz hinten bis ganz vorn durch. Im Sturm vertraut Wagner wahlweise auf den flinken Benito Raman oder Brecher Guido Burgstaller - doch Tore schießen, das tun beide nicht. Dahinter sind die kreativen Momente auf ein Minimum verkümmert, Durchstarter Amine Harit ist mittlerweile in der tristen Realität angekommen: Die Gegner haben sich auf den 22-Jährigen eingestellt, seine letzte Torbeteiligung datiert vom Dezember (die Vorlage beim 1:0 gegen Frankfurt). Arbeiter statt Künstler, das ist beim Kohle-Klub eigentlich kein Problem, ganz im Gegenteil. Doch so ganz ohne Geistesblitze geht es eben auch nicht.

Wer keine Gegentore bekommt, der kann auch nicht verlieren - mit diesem Motto schaffte es Domenico Tedesco vor gar nicht allzu langer Zeit auf Platz zwei. Aber dafür steht die Dreier- bzw. Fünferkette nicht sicher genug. Gegen den BVB kehrte Salif Sane nach langer Zwangspause ins Team zurück und zeigte, wie wichtig er sein kann - aber er zeigte auch seinen Nachholbedarf, als ihm Erling Haaland beim 0:1 enteilte.

Und dann wäre da noch die Torhüterposition. Dieses Fass wollte Wagner nach dem Spiel und den mehrfachen Patzern von Markus Schubert am Samstag zwar nicht aufmachen, doch dafür müsste es in den letzten gut fünfeinhalb Monaten erst einmal geschlossen worden sein. Gut möglich, dass die Rufe nach dem Ausgestoßenen Alexander Nübel wieder lauter werden. Dem würden die fehlenden Schalke-Fans hinter dem eigenen Tor wohl nicht so sehr fehlen wie manch anderem.

Kein Aufbäumen gegen Dortmund: Hat Schalke 04 ein Mentalitätsproblem?

Was die Verantwortlichen im Signal Iduna Park aber noch mehr schockierte als die spielerische Magerkost, war die mangelnde Einstellung in der Mannschaft, die deutlich zu sehen war. "Die haben nicht so frei aufgespielt wie normal. Das ist das Derby, da muss man kämpfen! Das hat gefehlt", sagte Aufsichtsratsboss Clemens Tönnies. Stattdessen habe er "beeindruckte" Spieler gesehen.

Erklären konnte sich das auch Trainer Wagner nicht. Körperliche Gründe habe er nicht ausmachen können, betonte er. Aber: "Wir hatten kein Gefühl dafür, wo wir stehen. Im Defensivverhalten war das nicht gut und deshalb haben wir das Spiel verdient verloren."

Tönnies nahm deshalb auch seinen Trainer in die Pflicht und erhöhte den Druck: "Jetzt ist er gefragt und die Truppe. Die sollen das nächste Mal zeigen, dass sie es wiedergutmachen. Fertig. Ende."

Die nächsten fünf Spiele von Schalke 04

GegnerDatum
FC Augsburg (H)24.05.2020
Fortuna Düsseldorf (A)27.05.2020
Werder Bremen (H)30.05.2020
Union Berlin (A)06.06.2020
Bayer Leverkusen (H)13.06.2020
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