BVB überrollt Schalke 04: Fünf Erkenntnisse zum Revierderby

Von Kerry Hau / Sascha Staat
Mahmoud Dahoud zeigte eine starke Vorstellung gegen Schalke 04.
© imago images

Mit dem 4:0 gegen Schalke 04 setzt Borussia Dortmund ein Ausrufezeichen im Kampf um die Meisterschaft und stellt unter Beweis, dass der Kader von Trainer Lucien Favre in der aktuellen Verfassung auch Ausfälle von Leistungsträgern wie Marco Reus, Emre Can oder Axel Witsel kompensieren kann.

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Aufseiten der Schalker gesellt sich zur fehlenden Spielkultur hingegen noch ein Problem zwischen den Pfosten hinzu. Fünf sportliche Erkenntnisse zum Revierderby.

1. Dortmunds Niederlage in Paris hatte auch ihr Gutes

Von Startschwierigkeiten keine Spur: Im ersten Spiel unter Wettbewerbsbedingungen seit fast zwei Monaten präsentierte sich der BVB bis auf die ersten und die letzten 15 Minuten erstaunlich eingespielt und frisch. Das hing laut Julian Brandt auch damit zusammen, dass die Mannschaft bereits vor dem "Lockdown" mit den ungewöhnlichen Rahmenbedingungen in Berührung gekommen war.

"Wir kennen ja diese Stille. Deshalb hatten wir heute vielleicht einen kleinen Vorteil", meinte der Offensivspieler mit Bezug auf die 0:2-Niederlage in der Champions League bei Paris Saint-Germain vor dem "Lockdown" im März.

Favre hob in diesem Zusammenhang die hohe Konzentration seine Mannschaft lobend hervor, die sich auch statistisch belegen ließ: Die ersten vier Schüsse auf das Tor von Schalkes Keeper Markus Schubert fanden allesamt ihr Ziel, auf der Gegenseite ließ die schwarz-gelbe Defensive nur einen Schuss auf den Kasten von Roman Bürki zu.

"Wir haben vorher viele Gespräche geführt und wussten, dass es eigentlich nichts anderes ist als das Spiel, was wir früher als Kinder gespielt haben: Ohne Zuschauer und einfach Spaß haben. Das hat man heute der Mannschaft auch angemerkt", resümierte Bürki.

2. Die Offensive des BVB ist titelreif

Dortmunds starker Kollektivauftritt gegen Schalke war eine Kampfansage in Richtung des Tabellenführers aus München, der am Sonntag bei Union Berlin (ab 18 Uhr im LIVETICKER) antritt und am 26. Mai in den Signal Iduna Park kommt. Gerade die Dortmunder Offensive um den allgegenwärtigen Brandt, den wuchtigen Haaland und den quirligen Raphael Guerreiro stellte unter Beweis, dass sie während der Zwangspause weder an Agilität noch Fantastie eingebüßt hat und sich nicht vor der des FC Bayern verstecken muss.

PlatzTeamSp.ToreDiffPkt.
1.Bayern München2573:264755
2.Borussia Dortmund2672:333954
3.Borussia M'gladbach2652:312152
4.RB Leipzig2663:273651
5.Bayer Leverkusen2545:301547

Die Derby-Tore Nummer zwei und drei kamen zwar auch durch individuelle Fehler der Schalker zustande, das Zusammenspiel der Favre-Elf im letzten Drittel funktionierte aber teilweise herausragend, wie insbesondere beim 1:0 durch Haaland deutlich wurde. Brandt und Thorgan Hazard leiteten den Treffer mit einer blitzschnellen Kombination ein, der 19-jährige Norweger vollstreckte so eiskalt wie man ihn nach seiner Ankunft in Dortmund im Januar kennengelernt hatte.

"Es war definitiv nicht ganz perfekt, aber für das erste Spiel nach so langer Zeit fand ich es gut", so Brandt. Man darf nicht vergessen: Gegen Schalke fehlten mit dem noch nicht vollständig wieder genesenen Kapitän Marco Reus und Youngster Giovanni Reyna, der sich beim Aufwärmen verletzte, zwei weitere Waffen für den Angriff. Und Jadon Sancho, mit 14 Toren und 16 Vorlagen in der Bundesliga der statistisch beste Angreifer des BVB, wurde im Duell mit Königsblau ebenso wie Mario Götze erst wenige Minuten vor Schluss eingewechselt.

3. Dahoud, der heimliche Gewinner

Nicht nur an vorderster Front scheinen sich Favre genügend Optionen zu bieten. Die Ausfälle der an muskulären Problemen laborierenden Emre Can und Axel Witsel fielen zumindest im Derby kaum ins Gewicht, weil sich der robuste Thomas Delaney und der spielstarke Mahmoud Dahoud sehr gut auf der Doppelsechs ergänzten und maßgeblich zu dem geschlossenen Auftritt der Ihren beitrugen.

Noch mehr als Delaney, der sein erstes Pflichtspiel seit Ende Oktober bestritt, ging Dahoud als heimlicher Gewinner aus dem Derby hervor. Der nicht selten wegen seiner großen Hast mit dem Ball kritisierte Ex-Gladbacher war meist die erste Anspielstation für die Dreierkette und verteilte den Ball bis auf einen unnötigen Befreiungsschlag in Hälfte eins klug.

KategorieDelaney gegen SchalkeDahoud gegen Schalke
Ballaktionen5580
Passquote91,3 %88,7 %
Balleroberungen510
Zweikampfquote44,4 %25 %

"Wir haben uns viel vorgenommen, aber gerade in der ersten Halbzeit keinen Zugriff bekommen", sagte Schalkes Kapitän Daniel Caligiuri und nannte auch den Grund dafür: "Die Freiräume der Dortmunder Sechser waren zu groß, deshalb konnten sie sich immer aufdrehen und das Spiel verlagern." Speziell Dahoud.

4. Ohne Harit in Top-Form geht bei Schalke nichts

Auch nach dem achten sieglosen Liga-Spiel in Folge wollte David Wagner den Teufel nicht an die Wand malen. "Wir haben es läuferisch einigermaßen gut hinbekommen und alle gesund durch das Spiel bekommen", sagte der Schalker Trainer und sprach von Defiziten in Sachen Abstimmung, Laufwege, Konterabsicherung und Positionsspiel.

Sein Fazit hätte auch deutlich härter ausfallen können: Diesem S04 fehlt es wie schon vor der Corona-Pause an allem. Erst recht, wenn sich Amine Harit nicht in Top-Form präsentiert. Der Marokkaner scheint in Wagners Kader der einzige Akteur zu sein, der in der gegnerischen Hälfte spielerische Lösungen anbieten kann. Von Spielern wie Benito Raman, Guido Burgstaller oder Rabbi Matondo sind keine Überraschungsmomente zu erwarten, Suat Serdar ist mehr Zerstörer als Gestalter.

Darauf haben sich die Gegner längst eingestellt, wie auch wieder in Dortmund zu erkennen war. Der auf sich allein gestellte Harit wurde konsequent gedoppelt und brachte es nur auf 52 Ballaktionen und zwei Torschussvorlagen. Schalkes Topscorer (sechs Tore, vier Assists) wartet somit seit zehn Bundesliga-Spielen auf eine Torbeteiligung.

5. Noch ist Nübel da

Seit diesem Samstag steht spätestens fest: Schalke hat nicht nur ein Problem, Tore zu schießen, sondern auch Tore zu verteidigen. Im Zentrum der Kritik: Torhüter Schubert, der das zweite und aus pyschologischer Sicht "tödliche" Gegentor kurz vor der Pause mit seinem verunglückten Befreiungsschlag einleitete und auch beim dritten Dortmunder Treffer kurz nach der Pause alles andere als glücklich aussah.

Es waren nicht die ersten Patzer dieser Art des 21-Jährigen, der gewiss ein großes Talent ist, aber offensichtlich noch Zeit benötigt. Da der zwei Jahre ältere und zudem erfahrenere Alexander Nübel noch beim S04 unter Vertrag steht, dürfte sich in den kommenden Wochen sicherlich wieder die Frage stellen, ob es Sinn ergibt, ihn weiterhin auf der Bank schmoren zu lassen. Er mag wegen seines Wechsels zum FC Bayern der große Buhmann bei den Fans sein, allerdings dürfen diese sowieso nicht ins Stadion, weshalb er im Falle einer "Begnadigung" seitens Wagners keine direkten Anfeindungen zu spüren bekäme.

Gleichwohl wären die auf Platz acht abgerutschten Schalker auch mit einer tadellosen Vorstellung von Schubert im Derby untergegangen. Dafür agierte die gesamte Mannschaft zu harmlos und legte nicht einmal die Kämpfertugenden an den Tag, die ihnen gerade in Derbys gegen den BVB in den vergangenen Jahren den ein oder anderen Achtungserfolg beschert hatten. Bei den Verantwortlichen machte sich nach dem Spiel kollektive Ratlosigkeit breit. Es gebe "einiges aufzuarbeiten", sagte etwa Aufsichtsratsvorsitzender Clemens Tönnies. Was genau, das wisse er nicht.

Die nächsten fünf Spiele von Schalke 04

GegnerDatum
FC Augsburg (H)24.05.2020
Fortuna Düsseldorf (A)27.05.2020
Werder Bremen (H)30.05.2020
Union Berlin (A)06.06.2020
Bayer Leverkusen (H)13.06.2020

Die nächsten fünf Spiele von Borussia Dortmund

GegnerDatum
VfL Wolfsburg (A)23.05.2020
FC Bayern München (H)26.05.2020
SC Paderborn 07 (A)30.05.2020
Hertha BSC (H)06.06.2020
Fortuna Düsseldorf (A)13.06.2020
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