Hendrie Krüzen von Bayer Leverkusen im Interview: "In Dortmund gab es Spieler, die in ihrer eigenen Welt lebten"

Hendrie Krüzen arbeitet seit vielen Jahren als Co-Trainer von Peter Bosz.
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Was ist anders in Leverkusen als in Dortmund?

Krüzen: Die Zuschauerkapazitäten unterscheiden sich natürlich. Die Trainingsbedingungen und -anlagen sind dagegen wirklich fantastisch und in meinen Augen sogar noch besser als in Dortmund. Wir haben in Leverkusen sehr kurze Wege und machen alles rund um das Stadion. Dadurch haben wir jeden Tag dieselben Abläufe und müssen den Ort quasi nie verlassen. Das ist auf jeden Fall ein Vorteil, die Spieler lieben so etwas.

Wie fällt Ihr Zwischenfazit bei Leverkusen aus?

Krüzen: Es gefällt uns sehr. Hier können wir innerhalb des Staffs mit jedem alles bereden, wir machen alles zusammen. Die Zusammenarbeit mit Rudi Völler, Simon Rolfes oder Fernando Carro ist wirklich gut. Sie lassen uns unsere Arbeit machen, weil sie uns vertrauen. Gerade auch das Ende der vergangenen Saison macht uns zuversichtlich, dass es auch in der neuen Spielzeit erfolgreich weitergeht.

Gibt es inhaltliche Unterschiede bei der Trainerarbeit zwischen der Zeit in Dortmund und nun bei Bayer?

Krüzen: Nein. Einzig die Erfahrungen, die wir außerhalb des Spielfelds gemacht haben. Daraus haben wir unsere Schlüsse gezogen. Unser Fußball muss auch nach der Zeit beim BVB derselbe bleiben. Es gibt ein paar Details, an denen wir geschraubt haben, aber die verrate ich natürlich nicht. Sie sind aber wichtig, weil es immer Details sind, die darüber entscheiden, ob du ein Spiel gewinnst oder verlierst.

Wenn Sie zu einer neuen Mannschaft kommen, wie überzeugen Sie dann die Spieler vom bevorzugten Spielstil?

Krüzen: Wir haben jeden Tag eine Sitzung, in der wir über unsere Spielweise reden. Wenn ein Spieler nicht einverstanden ist, wie wir spielen, muss er das zwingend sagen, denn dann kann er nicht zu unserer Mannschaft gehören. Wir wollen nur die Spieler haben, die bereit sind, unseren Ansatz mit Leben zu füllen und idealerweise sogar so darüber denken wie wir. Es ist dabei immer wichtig, dass man vor allem die älteren und gestandenen Spieler davon überzeugt, dass auch das Nach-vorne-Verteidigen eine Möglichkeit ist. Wenn man dann einmal das Vertrauen von Jungs wie den Bender-Zwillingen oder Kevin Volland hat und sie gesehen haben, dass es funktionieren kann, ist es leichter. Auch wenn man mal mit drei, vier oder fünf Gegentoren verliert, müssen sie weiter von unserem Ansatz überzeugt sein. Denn Gegentore passieren nicht zwangsläufig dadurch, dass man zu hoch steht. Das kann immer auch ein simpler Standard sein.

Am schwersten zu überzeugen werden sicherlich die Defensivspieler sein, oder?

Krüzen: Klar, Verteidiger und Torhüter wollen immer unter allen Umständen Gegentore vermeiden. Die meisten Abwehrspieler laufen meist intuitiv nach hinten oder erzeugen erst dann Druck auf den Ball, wenn sie tief stehen. Das ist aber nicht die einzige Lösung, denn denselben Druck auf den Ball kann ich auch ausüben, wenn ich höher stehe. Das ist der springende Punkt in unserem Spiel: sofortiger Druck auf den Ball, sobald er verloren gegangen ist, damit das Spielfeld eng bleibt.

Mit Kai Havertz trainieren Sie eine der großen deutschen Fußballhoffnungen. Ist er ein Spieler für Teams wie den FC Bayern oder Real Madrid?

Krüzen: Ich denke, Kai ist in Zukunft definitiv ein Spieler für die ganz großen Klubs. Er hat extrem viel Talent und bringt alles mit für eine herausragende Karriere. Er schießt Tore, bereitet sie vor und kann einfach sehr gut mit dem Ball umgehen. Was er noch verbessern kann, ist das Verhalten beim defensiven Umschaltmoment, die 5-Sekunden-Regel. Dass er da nicht stehenbleibt, sondern direkt wieder drauf geht. Das wird er aber auch noch lernen.

Ist Havertz der beste Spieler, den Sie je trainiert haben?

Krüzen: Einer der Besten, ja. Ich würde noch Hakim Ziyech, Frenkie de Jong und Matthijs de Ligt bei Ajax nennen. Und es ist sehr schade, dass wir in Dortmund nicht mit Marco Reus arbeiten konnten, weil er verletzt war. Er und Mario Götze haben unsere Spielweise geliebt. Das sind alles Spieler, die nicht nur an den nächsten Pass, sondern bereits an die übernächste Spielsituation denken, bevor sie überhaupt in Ballbesitz kommen.

Wie groß beziffern Sie die Chance, dass Havertz auch in der nächsten Saison noch in Leverkusen spielt?

Krüzen: Er muss es in diesem Jahr schaffen, noch mehr zum Führungsspieler zu werden und eine größere Verantwortung zu tragen. Wenn er seine Leistungen aus der letzten Saison bestätigt, dann wird die Wahrscheinlichkeit wohl nicht geringer, dass er geht. Das wäre auch in Ordnung, denn dann müsste er vielleicht auch den nächsten Schritt bei einem der ganz großen Klubs machen. Aber mal sehen - in jedem Fall fühlt sich Kai bei uns im Moment pudelwohl.