Hat Borussia Dortmund mit der "Peripherie"-Taktik beim 1:0-Erfolg im Spitzenspiel die FC-Bayern-Achillesferse gefunden? Der BVB kontrolliert die Flügel, Toni Kroos und Mario Gomez. Und: Robert Lewandowski spielt wie ein Weltklasse-Stürmer.
Teil I: Bayern-Erinnerungen an Louis van Gaal
Es sind die bösen Geister der Vergangenheit: Erinnerungen an Louis van Gaal, der in seiner erfolglosen zweiten Saison den Bayern einen von Berechenbarkeit und Querpässen geprägten Fußball verordnet hatte.
Als ob van Gaal nie entlassen worden wäre, passten sich die Defensivspieler im eigenen und mittleren Spieldrittel munter den Ball gegenseitig zu, ohne einen nenneswerten Raumgewinn zu erzielen.
Die Folge: Von den insgesamt 792 Ballkontakten der Bayern entfielen satte 68 Prozent (539) auf die Vierer-Abwehrkette plus die Doppel-Sechs Toni Kroos/Luiz Gustavo. Zum Vergleich: Die Dortmunder standen wesentlich defensiver und hofften auf Konter, dennoch entfielen auf die BVB-Vierer-Abwehrkette und die Doppel-Sechs Sven Bender/Sebastian Kehl lediglich 59 Prozent der Ballkontakte.
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Ebenfalls bezeichnend die Pass-Statistik: Die Bayern spielten sich den Ball doppelt so oft zu wie der Gegner (568 zu 278), was einen Minuten-Schnitt von 6 Pässen macht. Doch dies alles war Makulatur, weil die außerordentlich hohe Zahl durch eine Aneinanderreihung von Querpässen und Rückpässen zustande kam.
Insgesamt versuchte der FCB 35 Steilpässe über 30 Meter, von denen jedoch nur 31 Prozent erfolgreich waren. Infolge der erfolglosen Variante mit dem langen Ball, mussten sich die Abwehrspieler damit begnügen, den Ball in den eigenen Reihen zu halten: Philipp Lahm, Holger Badstuber, Jerome Boateng und Rafinha passten sich 227 Mal zu!
Die Ungefährlichkeit zeigt sich in einer weiteren Zahl: Fünfmal wurde ein Pass über 30 Meter nach hinten gespielt, Dortmund hingegen verzichtete komplett darauf. Ebenfalls evident die fehlende Präsenz im Borussia-16er: Franck Ribery (5), Mario Gomez (5), Thomas Müller (2) und Arjen Robben (2) waren die einzigen Bayern und kamen in Dortmunds Strafraum zusammen auf ganze 14 Ballkontakte.
Teil II: Dortmund drängt Bayern an die Peripherie
Teil III: Lewandowski vs. Gomez - Wer ist hier Weltklasse?
Teil IV: Santana, der beste Backup der Bundesliga
Teil V: Kroos' Rückschlag auf dem Weg zum Führungsspieler
Teil II: Dortmund drängt Bayern an die Peripherie
Fußball-Taktik ist ein weites Feld, Dortmunds Trainer Jürgen Klopp jedoch fasste die Erfolgsformel bei den Bayern in einen Satz zusammen: "Wir haben das Spiel nach außen gedrängt. Dort konnten wir dann die Flügelspieler doppeln."
Wie erfolgreich sein Plan war, belegen die Daten. Von den 792 Bayern-Ballkontakten entfielen 221 Ballkontakte auf die Außenverteidiger Lahm (111) und Rafinha (110), außerdem zeichnete das Duo (172) für fast ein Drittel aller 568 Pässe verantwortlich.
Analog dazu gestalteten sich die Zahlen der drei Zentrum-Spieler im Mittelfeld: Kroos, Gustavo und Müller kamen zusammen nur auf 184 Ballkontakte und 137 Pässe.
Dortmund gelang es, mit einem enormen Aufwand (10 Kilometer mehr Laufleistung als die Bayern) die Flügel mit zwei oder drei Spielern zu besetzen und gleichzeitig die Mitte zu verdichten, vor allem Müller zu isolieren und das gesamte FCB-Spiel an den Rand zu drücken.
Genauer: Trotz der hohen Ballbesitzzeiten auf den Außen verbuchten die Bayern leidliche 4 Flanken und 3 Eckbälle. Einerseits lag es an der Ungefährlichkeit der Außenverteidiger, alleine 7 der 10 Rafinha-Pässe ins Angriffsdrittel landeten beim Gegner.
Andererseits zeigten die offensiven Flügel eine durchwachsene Leistung: Linksaußen Ribery machte mit 4 Torschüssen und 1 Torschussvorlage aufmerksam, verlor dafür aber fast 70 Prozent seine Zweikämpfe. Rechtsaußen Robben zeigte sich bei seinem Comeback zwar zweikampfstärker (nur 29 Prozent verloren), ihm ging hingegen die Gefährlichkeit ab (0 Torschüsse, 1 Torschussvorlage).
Teil I: Bayern-Erinnerungen an Louis van Gaal
Teil III: Lewandowski vs. Gomez - Wer ist hier Weltklasse?
Teil IV: Santana, der beste Backup der Bundesliga
Teil V: Kroos' Rückschlag auf dem Weg zum Führungsspieler
Teil III: Lewandowski vs. Gomez - Wer ist hier Weltklasse?
Fußballerisch gab es durchaus Grund zur Kritik am Dortmunder Spiel, läuferisch jedoch erbrachte der BVB eine Leistung der Superlative. Bender legte mit 13,1 Kilometer die längste Strecke zurück. Insgesamt liefen sieben Dortmunder mehr als der Zweitbeste der Bayern (Kroos: 10,6). Nur Gustavo (11,5) kam ansatzweise an die Werte des BVB heran.
Im Vergleich der Mittelstürmer jedoch gibt es keine Auffälligkeiten: Für Robert Lewandowski wurden 10,5 Kilometer notiert, bei Gomez waren es 10,2 Kilometer. Dennoch wurde auf keiner Position der Unterschied zwischen beiden Teams offensichtlicher.
Gomez verlor seine ersten 9 Zweikämpfe, bevor er in der 55. Minute den 10. Zweikampf erstmals für sich entschied und gleich für Torgefahr sorgte. Am Ende eine aus statistischer Sicht keine gute, aber auch keine miserable Vorstellung des Bayern (20 Prozent gewonnene Zweikämpfe, dafür 3 Torschüsse und 2 Torschussvorlagen).
Trotzdem ist Gomez der eindeutige Verlierer im Wettstreit der Angreifer. Denn: Lewandowski demonstrierte in München, dass er weniger torgefährlich ist als Gomez (nur 1 Torschuss und 2 Torschussvorlagen), dafür auf ähnlich hohem Niveau einen anderen Stürmertypus verkörpert.
Im Spiel gegen den Ball nahm er gemeinsam mit Shinji Kagawa die Aufgabe als erstes Störfeuer so ernst, dass Badstuber und Boateng aus der Bayern-Innenverteidigung heraus nie die Ruhe zu einem präzisen Pass über 30, 40 Meter hatten. Im Spiel mit dem Ball verstand sich Lewandowski als Mischung aus Brecher (überragende 48 Prozent gewonnene Zweikämpfe) und verkappter Spielgestalter (60 Prozent angekommene Pässe), der je nach Situation das Tempo verschleppte.
Exemplarisch das 1:0 (vgl. Video): Lewandowski erobert von Rafinha den Ball und wartet mit Bedacht darauf, bis sich Mario Götze und Kagawa am Strafraum positionieren. Pass auf Götze, der nach einem Doppelpass mit "Ersatz-Neuner" Kagawa das Siegtor erzielt. Lewandowskis Hockey-Assist bleibt hingegen empirisch unberücksichtigt.
Teil I: Bayern-Erinnerungen an Louis van Gaal
Teil II: Dortmund drängt Bayern an die Peripherie
Teil IV: Santana, der beste Backup der Bundesliga
Teil V: Kroos' Rückschlag auf dem Weg zum Führungsspieler
Teil IV: Santana, der beste Backup der Bundesliga
Er ist der Traum eines jeden Trainers: Sportlich wertvoll, charkterlich einwandfrei und nie klagend ob seiner Bankrolle - obwohl Felipe Santana bei fast jedem anderen Bundesligisten einen Stammplatz inne hätte.
In München folgte ein weiterer Beleg seiner Wertigkeit: Als Vertreter des verletzten Neven Subotic bildete er mit Mats Hummels einen erneut herausragenden Innenverteidiger-Block und verdammte Gomez von der Chance in der 55. Minute abgesehen zur Bedeutungslosigkeit.
Santana war zweikampfstärkster Dortmunder (70 Prozent gewonnen) und schrieb sich die meisten Ballkontakte (66) zu, außerdem blieben er und Hummels in 7 der 9 direkten Duelle gegen Gomez siegreich.
Mit Leistungen wie dieser dürfte es nicht mehr so selbstverständlich sein, dass Subotic nach dem Ausheilen seiner Gesichtsverletzung Santana wieder verdrängt. Denn: Statistisch gibt es kein nenneswertes Argument pro Subotic.
Kurios, wie identisch die Zahlen der beiden anmuten: Santana und Subotic spielen fast gleich viele Fehlpässe (13,8 Prozent zu 14,8 Prozent), haben fast gleich oft den Ball (auf 90 Minuten hochgerechnet 89 zu 83) und gewinnen fast gleich oft ihre Zweikämpfe (69,2 Prozent zu 68,6 Prozent). Sogar die Zweikampfwerte in der Luft (71,1 Prozent zu 70,0 Prozent) und am Boden (67,9 Prozent zu 67,4 Prozent) unterscheidet sich kaum.
Teil I: Bayern-Erinnerungen an Louis van Gaal
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Teil III: Lewandowski vs. Gomez - Wer ist hier Weltklasse?
Teil V: Kroos' Rückschlag auf dem Weg zum Führungsspieler
Teil V: Kroos' Rückschlag auf dem Weg zum Führungsspieler
Santana ersetzte Subotic, Kroos wiederum sollte auf Bayern-Seite Bastian Schweinsteigers Fehlen im defensiven Mittelfeld vergessen machen. Ein erfolgloses Unterfangen.
Während für Schweinsteiger im Schnitt 102 Ballkontakte verzeichnet werden, ging Kroos gegen Dortmund weitestgehend unter. Auffällig, dass er sich mit dem nach vorne wenig konstruktiven Sechser-Partner Gustavo zu tief postierte und so eine zu große Lücke zwischen ihnen und Müller/Gomez klaffte.
Kroos (42 von 82 Ballkontakten) wie auch Gustavo (38 von 65 Ballkontakten) kamen trotz Feldvorteile häufiger in der eigenen als in der gegnerischen Hälfte an den Ball. Noch aussagekräftiger die Erhebung der Passempfänger: Für Kroos wurden 67 Pässe (alleine 20 Pässe zu Lahm) gezählt, Müller (3) und Gomez (1) spielte er zusammengerechnet aber nur viermal an.
Entsprechend wenig wirkungsvoll seine Bemühungen nach vorne: Defensiv erfüllte er mit 68 Prozent gewonnenen Zweikämpfen die Norm, doch seine 2 Torschüsse und 3 Torschussvorlagen schmeicheln ihm eher, als sie etwas aussagen. Mehr von Belang: Seine 0 Ballkontakte im Dortmunder Strafraum.
FCB-Trainer Jupp Heynckes betonte in der Vergangenheit, dass er aus Abstimmungsgründen einen Ausfall lieber Eins-zu-eins ersetzt als zu viele Veränderungen vorzunehmen. Im Dortmund-Spiel entschied er sich gegen seine Prinzipien und stellte Kroos von der Zehn auf die Sechs und Thomas Müller vom rechten Flügel auf die Zehn. Ein Plan, der bekanntermaßen nicht aufging.
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