FC Bayerns U19-Trainer Danny Schwarz im Interview: "Ich weiß nur noch, dass ich mir die Haare rot gefärbt habe"

Von Dennis Melzer
Danny Schwarz spielte unter Joachim Löw für den VfB Stuttgart.
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Sie beendeten Ihre Karriere 2012. Welche Pläne hatten Sie sich für Ihr Leben nach dem aktiven Fußball zurechtgelegt?

Schwarz: Ich war Sportinvalide und musste mir überlegen, was ich fortan machen möchte. Aufgrund meiner Invalidität hatte ich die Möglichkeit, über die Berufsgenossenschaft eine Ausbildung zum Sportmarketing-Fachwirt zu absolvieren. Nebenbei habe ich unter Marc Kienle als U19-Co-Trainer beim FC Bayern gearbeitet. Nach der Ausbildung stand ich vor der Entscheidung, eine Trainerlaufbahn einzuschlagen oder das Fußballbusiness komplett zu verlassen.

Warum entschieden Sie sich für die erste Option?

Schwarz: Ich hatte ein sehr gutes Vorstellungsgespräch bei der Allianz und wäre beinahe in der Versicherungsbranche gelandet. Am letzten Tag vor meiner Zusage wurde mir angeboten, weiterhin Jugendtrainer bei Bayern zu bleiben. Da ich mich eher auf dem Fußballplatz gesehen habe, anstatt von 9 bis 17 Uhr in einem Büro zu sitzen, habe ich der Allianz abgesagt.

Halbtags saßen Sie aber auch beim FC Bayern in einem Büro. Was war Ihre Aufgabe?

Schwarz: Eigentlich war geplant, dass ich alle Abteilungen durchlaufe und überall hereinschnuppere. Dazu kam es aber nicht, weil mir meine Tätigkeit beim Kids Club so viel Spaß gemacht hat. Ich habe die Webseite betreut und ein kleines Magazin geschrieben. Außerdem ließ sich mein Engagement beim Kids Club zeitlich bestens mit meiner Tätigkeit als Co-Trainer vereinbaren. Das war optimal.

Schwarz arbeitete gemeinsam mit Heiko Vogel.
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Schwarz arbeitete gemeinsam mit Heiko Vogel.

Schwarz: Heiko Vogel? "Hat meinen Horizont erweitert"

Warum tauschten Sie den Bürostuhl trotzdem wieder komplett gegen die Fußballschuhe ein?

Schwarz: Ich konnte einfach nicht mehr sitzen (lacht). Spätestens nach zwei Stunden musste ich aufstehen und mich bewegen. Obwohl die Erfahrung des Büroalltags wertvoll war, habe ich festgestellt, dass die Vorfreude aufs Training am Nachmittag größter war als die Vorfreude aufs Büro. Der Wunsch, eine Trainerlaufbahn einzuschlagen, hatte sich mit der Zeit also deutlich verfestigt.

Im Oktober 2013 kam Heiko Vogel als U19-Trainer zum FC Bayern. Welche Rolle spielte er bei Ihrer Entwicklung als Trainer?

Schwarz: Heiko Vogel kam vom Champions-League-Teilnehmer FC Basel zu uns und brachte sehr viele Aspekte aus dem Seniorenfußball ein. Das hat meinen Horizont definitiv erweitert. Als Spieler habe ich mir über die Arbeit als Trainer im Seniorenbereich nicht so viele Gedanken gemacht. Dass es sich dabei um einen Beruf handelt, den man vor allem in puncto Menschenführung erlernen muss, wird häufig unterschätzt. Heiko hat mir mit seinen Tipps jedenfalls einen Schub gegeben. Eines Tages sagte er: "Es ist ja schön und gut, was du als Co-Trainer machst, aber du brauchst eine eigene Mannschaft. Du bist so weit."

Und dann?

Schwarz: Ich habe die U16 für drei Jahre übernommen und zwischenzeitlich, von März bis Juni 2017, interimsweise die zweite Mannschaft als Cheftrainer gecoacht. Erstmals eine Herrenmannschaft zu trainieren, war eine neue und großartige Erfahrung. Seit Sommer 2019 bin ich gemeinsam mit Martin Demichelis U19-Trainer.

Sie haben kürzlich in einem Gespräch mit Transfermarkt.de verraten, dass Pep Guardiola Sie zu "Zweidritteln" am meisten beeindruckt hat. Was haben Sie damit gemeint?

Schwarz: Seine Herangehensweise an den Fußball und seine Innovationen. Er zerbricht sich den Kopf über Aspekte, die scheinbar selbstverständlich sind. Er denkt detailliert darüber nach, wie der einzelne Spieler sich zu positionieren hat und warum genau diese Positionierung die bestmögliche sein könnte. Es war ein Geschenk, seine Trainingsmethodik live zu verfolgen und zu sehen, wie er es schafft, dass seine Mannschaft die Pläne umsetzt. Man muss sagen, dass Pep damals der Trainer schlechthin war. Er hatte vor seiner Ankunft in München zwar ein Sabbatical eingelegt, aber jeder konnte sich noch an seine Arbeit beim FC Barcelona erinnern. Ich habe mich immer gefragt, wie und was dort trainiert wurde, weil Barca einfach alles zerlegt hat. Das war Wahnsinn!

Gibt es konkret etwas, das Sie von ihm mitgenommen haben?

Schwarz: Ich war letztlich nur Zuschauer und natürlich nicht im inneren Kreis des Teams. Aber ich habe mir sicherlich bewusst und unbewusst verschiedene Vorgehensweisen von ihm abgeschaut. Ab und zu habe ich mich mit David Alaba ausgetauscht und ihn nach bestimmten Abläufen und Hintergründen gefragt.

Hatten Sie die Chance, sich persönlich mit Guardiola über Fußball auszutauschen?

Schwarz: Während einer Länderspielpause haben wir mit der U19 einmal gegen die verbliebenen Profis gespielt. Pep und ich standen allerdings sieben Meter auseinander, ein richtiges Gespräch kam daher nicht zustande. Was mir aber diesbezüglich vor allem in Erinnerung geblieben ist: Obwohl es sich dabei nur um einen Trainingskick handelte, war er von diesem Spiel besessen und hat ständig mit seinem Co-Trainer über einzelne Szenen gesprochen.

David Alaba gilt als letztes waschechtes Eigengewächs, das den Sprung zu den Bayern-Profis gepackt hat. Warum dauert es nicht mehr lang, bis die "Durststrecke" für den FCB-Nachwuchs endet?

Schwarz: Die Frage impliziert, dass es bald jemand schafft (lacht). Wir arbeiten am Campus mit Wahrscheinlichkeiten und möchten die Wahrscheinlichkeit so hoch wie möglich halten. Wann der Fall eintritt, hängt aber von einigen Faktoren ab. Du brauchst als Talent neben der obligatorischen Qualität den passenden Moment und einen Trainer, der den Mut aufbringt, dich zu bringen. Ich muss allerdings sagen, dass die Öffentlichkeit sich bei dieser Thematik zu sehr auf David Alaba versteift.

In welcher Hinsicht?

Schwarz: Es wird das Bild vermittelt, dass es beim FC Bayern nahezu unmöglich ist, den Sprung zu den Profis zu schaffen. Dabei wird außer Acht gelassen, dass es bei allen Bundesligisten brutal schwer ist. Natürlich war David der Letzte, der sich bei den Bayern-Profis durchgesetzt hat, aber es gibt etliche Spieler, die bei Bayern ausgebildet wurden und sich national und international einen Namen gemacht haben. Emre Can ist von Juventus Turin zum BVB gewechselt, hat beim FC Liverpool gespielt und ist deutscher Nationalspieler. Alessandro Schöpf steht bei Schalke 04 unter Vertrag und hat einige Länderspiele für Österreich auf dem Buckel. Das sind nur zwei Beispiele. Ich finde es schade, dass solche gestandenen Jungs vergessen werden.

Schwarz arbeitet am Münchner Campus.
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Schwarz arbeitet am Münchner Campus.

Schwarz über den FCB-Campus: "Alles eine Stufe profesioneller geworden"

Sie haben die Jugendarbeit an der Säbener Straße noch live miterlebt. Wie hat sich die Arbeit seit Öffnung des Campus im Sommer 2017 verändert?

Schwarz: Alles ist nochmal eine Stufe professioneller geworden. Über Umkleidekabinen, Athletik- und Physioräume bis hin zu den Platzverhältnissen. Die Voraussetzungen sind besser als bei manch einem Klub im Profibereich. Man kann sich mittlerweile gar nicht mehr vorstellen, dass sämtliche Mannschaften früher an der Säbener Straße trainiert haben. Es war viel zu eng. Trotz dieser Bedingungen haben es Spieler wie Thomas Müller, Philipp Lahm oder Basti Schweinsteiger nach oben geschafft, aber im Laufe der Zeit war das Ganze nicht mehr professionell genug. Für uns Trainer und auch für die Spieler ist der Campus ein Segen.

Hat der FC Bayern mit dem Campus im internationalen Vergleich zu spät auf die Entwicklungen reagiert?

Schwarz: Wenn man sich anschaut, wie diesbezüglich von anderen Klubs aufgerüstet wurde, würde ich sagen, dass Bayern rechtzeitig reagiert hat.

Wie fällt Ihr Zwischenfazit für den Campus nach fast drei Jahren aus?

Schwarz: Die Entwicklungen der Mannschaften und der einzelnen Spieler sind absolut positiv. Wir haben nicht nur aus rein sportlicher Sicht, sondern auch im Hinblick auf Pädagogen vor Ort und Unterkünfte höhere Kapazitäten geschaffen. Die Anzahl an hochtalentierten Spielern in unseren Reihen ist enorm. Was ich allerdings nicht ganz verstehe, ist, dass unsere Jugendarbeit in der öffentlichen Wahrnehmung kritischer gesehen werden als andere.

Was meinen Sie?

Schwarz: Ich habe das Gefühl, dass es negativ ausgelegt wird, wenn wir Jugendspieler von außerhalb verpflichten. Der Tenor ist: Wenn die Bayern 16- oder 17-jährige Spieler holen, dann zählt das nicht als eigener Nachwuchs. Dieses Vorgehen ist doch bei anderen Klubs ebenfalls gang und gäbe. Natürlich ist das Bestreben da, Spieler aus der Umgebung von der U9 an bis zur U23 oder bis zu den Profis auszubilden. Aber das ist leider nicht so einfach.

In den vergangenen Jahren wurden die Engländer und Franzosen für ihre Jugendarbeit gelobt. Vor allem, weil darauf geachtet wurde, den jungen Spieler ihre Bolzplatzmentalität nicht auszutreiben. Wie schätzen Sie die Situation im deutschen Jugendfußball ein?

Schwarz: Ich bin der Meinung, dass wir rechtzeitig die Kurve bekommen haben. Es ist noch nicht lange her, da wurde zu 80 Prozent über das System philosophiert. Als Fußballer wirst du dabei irgendwann bekloppt und sagst: "Jetzt hör doch mal auf mit diesen Systemen. Ob wir 4-3-3 gegen 3-5-2 spielen, ist doch völlig egal." Systeme sind in jungen Jahren überhaupt nicht entscheidend. Der deutsche Fußball hat erkannt, dass wir uns in eine komplett falsche Richtung bewegt haben. Daran hat Mehmet Scholl mit seiner Kritik an der Nachwuchsarbeit vielleicht auch einen Anteil. Er hat - zugegebenermaßen auf seine ganz spezielle Art und Weise - den Finger berechtigterweise in die Wunde gelegt.

Wie sieht diesbezüglich die Arbeit konkret beim FC Bayern aus?

Schwarz: Wir legen Wert darauf, dass der Ball und die individuelle Ausbildung des Spielers im Vordergrund stehen. Wir versuchen nicht, den Jungs ihre Bolzplatz- oder Straßenfußballermentalität auszutreiben, sondern ermutigen sie vielmehr dazu, das Eins-gegen-Eins zu suchen, mutige Dinge zu machen und kreativ zu sein - und das alles im Einklang mit unserer Spielphilosophie. Ich bin froh, dass diese Art der Spielerentwicklung mittlerweile auch beim DFB ganz oben auf der Agenda ist.

Sie arbeiten seit vielen Jahren als Jugendtrainer. Können Sie sich in naher Zukunft einen Wechsel auf die Bank einer Profimannschaft vorstellen?

Schwarz: Mein nächstes Ziel ist die Lizenz zum Fußballlehrer. Meine Zeit als Profi hat mir gezeigt, dass sich die Dinge noch am letzten Spieltag ändern können, weshalb ich kein Freund davon bin, zu weit in die Zukunft zu blicken. Ich mache den Job am Campus mit großer Leidenschaft und größtmöglichen Ambitionen und weiß es zu schätzen, bei einem der besten Clubs der Welt Trainer sein zu können. Über das, was in zwei oder drei Jahren sein könnte, mache ich mir aktuell keine Gedanken.

Und wie würden Sie sich als Trainer beschreiben?

Schwarz: Ich versuche, eine Mischung aus Kumpel und Lehrer mit einer natürlichen Autorität zu sein. Das Klopp'sche Modell ist für meine Begriffe ein toller Weg. Mir ist wichtig, authentisch zu sein. Ich möchte, dass die Spieler sich auf und neben dem Platz wohlfühlen um ihre beste Leistung bringen zu können. Ich bin nicht der Typ, der seine Jungs mit drakonischen Strafen oder übermäßiger Strenge begegnet. Sie wissen, dass sie mit allem zu mir kommen können. Sie wissen aber auch, wo ihre Grenzen sind.