Als der BVB und Bayern München um Tomas Rosicky buhlten: "Er wollte definitiv nicht zum FC Bayern"

Von Jonas Rütten
Ende einer Hängepartie: Im Januar 2001 gibt Tomas Rosicky seinen Wechsel zum BVB und nicht zum FC Bayern bekannt.
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Zu Beginn des Millenniums erreichte die Rivalität zwischen Borussia Dortmund und dem FC Bayern einen Siedepunkt. Damals schickte sich der BVB an, dem deutschen Branchenprimus mit viel Geld aus dem Börsengang die Vorherrschaft in Deutschland streitig zu machen. Den Beginn markierte der Transferpoker um Tomas Rosicky, der schon im Büro von Uli Hoeneß saß, dem FCB dann aber einen Korb gab. Eine Schlappe für die sich Hoeneß Jahre später revanchierte.

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Am Ende war es wieder einmal Uli Hoeneß, der zuletzt und demnach auch am besten lachte. "Glaubt wirklich jemand, dass irgendein Mensch auf der Welt Rosicky kaufen will?", fragte der Manager des FC Bayern schnippisch im April 2004. Eine Frage, die einer gewissen Ironie nicht entbehrte. Schließlich saß jener Rosicky dreieinhalb Jahre zuvor noch im Büro von Hoeneß, um über einen Wechsel zum FC Bayern zu verhandeln.

Doch das umworbene und erst 20 Jahre alte Mittelfeldjuwel von Sparta Prag schloss sich dann doch nicht dem großen FCB an und wechselte stattdessen für die damalige Rekordsumme in Höhe von 25 Millionen D-Mark ausgerechnet zu Borussia Dortmund. Für die Verantwortlichen des BVB um Präsident Gerd Niebaum und Manager Michael Meier ein Coup, den sie in vollen Zügen genossen.

"Mit diesem Transfer haben wir für Bundesliga-Verhältnisse eine Pionierleistung vollbracht", sagte Meier im Januar 2001, als der sich lange hinziehende Deal mit dem tschechischen Klub unter Dach und Fach war. In München wiederum stellte Hoeneß sofort klar, dass der BVB nicht etwa seine Bayern im Werben um Rosicky ausgestochen hatte, sondern der Transfer nur Zustande gekommen war, weil sich der Ligaprimus aus den Verhandlungen zurückgezogen hatte.

BVB macht Rennen um Rosicky: Ein Transfer "Dei Gratia"?

Ein Transfercoup "Dei Gratia", von Gottes, beziehungsweise Hoeneß' Gnaden also. Hoeneß wollte damals ein falsches Spiel des Rosicky-Beraters und des Rosicky-Klubs gewittert haben, "um den Preis nach oben zu treiben". Er warf Sparta Prag vor, "neuerliche, erhöhte Transferforderungen" gestellt zu haben. Sparta-Boss Vlastimil Kostal konterte: "Er hat sich verpokert. Ich denke, Uli Hoeneß ist nicht gewohnt, solche Kämpfe um einen Spieler zu verlieren. Das muss er noch lernen."

Den Ausschlag für Rosickys Wechsel zum BVB habe nicht etwa das Geld gegeben, sondern die Tatsache, dass der FC Bayern den Spieler "nicht sofort" holen wollte, sondern nur für den Fall, dass sich Stefan Effenberg "für einen schnellen Wechsel entscheiden sollte". In Dortmund sah die Situation hingegen gänzlich anders aus.

"Es war nicht das primäre Ziel, zu beweisen, dass man genauso gut ist, wie der FC Bayern", erklärt der damalige BVB-Manager Meier die Hintergründe im Gespräch mit SPOX und Goal: "Für uns ging es primär um das Sportliche. Wir brauchten einen Ersatz für Matthias Sammer, der Invalide geworden war. Einen neuen Kopf der Mannschaft."

Einst erbitterte Rivalen in der Bundesliga: der ehemalige BVB-Manager Michael Meier und der heutige Bayern-Ehrenpräsident Uli Hoeneß.
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Einst erbitterte Rivalen in der Bundesliga: der ehemalige BVB-Manager Michael Meier und der heutige Bayern-Ehrenpräsident Uli Hoeneß.

BVB: Fukal statt Rosicky? Die kuriose Zorc-Wende

Auf der Suche nach diesem neuen Kopf verschlug es Sportdirektor Michael Zorc irgendwann im Jahr 2000 nach Prag, wo er sich eigentlich einen gewissen Milan Fukal genauer anschauen wollte. So berichtete es die Sport Bild zumindest. Stattdessen sei er dann aber von diesem leichtfüßigen, technisch hoch veranlagten Rosicky begeistert gewesen.

"Er war vom Alter und seinen Fähigkeiten her jemand, der perspektivisch der neue Kopf der Mannschaft sein konnte. Das war unsere Triebfeder", sagt Meier rückblickend. Von einem "Transferpoker" mit den Bayern um Rosicky will er jedoch heute nicht mehr sprechen.

"Das wurde medial immer verbreitet, aber ich habe das nicht so empfunden", erklärt der heute 70-Jährige, für den die Angelegenheit "eine klare Sache" gewesen sei. "Die Bayern glaubten nur nicht, dass er zu Borussia Dortmund tendieren würde." Und Rosicky? "Der wollte definitiv nicht zu Bayern München", sagt Meier: "Es gibt nur wenige Spieler, die dem Lockruf von Bayern München widerstehen, aber er war einer davon."

Erst Gegner, später Teamkollegen beim FC Arsenal: Thierry Henry und Tomas Rosicky.
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Erst Gegner, später Teamkollegen beim FC Arsenal: Thierry Henry und Tomas Rosicky.

BVB in der Finanzkrise: Transfer-Rechte an Rosicky verpfändet

Eine Entscheidung, die Rosicky zunächst nicht bereuen sollte. BVB-Trainer Matthias Sammer verliebte sich auf Anhieb in den "Riesenfußballer" aus Tschechien und nannte ihn seinen "Musterschüler".

Nachdem der BVB dank der Gelder aus dem Börsengang im Oktober 2000 noch einmal auf dem Transfermarkt nachlegte und für die Fabelsumme von insgesamt knapp 90 Millionen Mark Marcio Amoroso, Ewerthon, Jan Koller und Sebastian Kehl holte, schienen sich die Machtverhältnisse in Fußball-Deutschland endgültig zu Gunsten der Dortmunder zu wandeln.

Doch die Meisterschaft 2002 blieb Rosickys einziger Titel in fünfeinhalb Jahren beim BVB, wo sie ihn ob seiner schmächtigen Statur "Schnitzel" nannten. Finanziell geriet der BVB in existenzielle Nöte, die 2004 so groß waren, dass der Verein gezwungen war, Spieler zu verkaufen. Damals folgte die Hoeneß'sche Retourkutsche für die dreieinhalb Jahre zuvor erlittene Schlappe in der Causa Rosicky, indem er ihm absprach, jegliches Interesse von anderen Vereinen zu wecken - schon gar nicht vom FC Bayern. Ein Uli Hoeneß fragt eben nur einmal.

Aus Dortmund folgten wütende Konter. Zorc sprach von einer "linken Tour" von Hoeneß und auch Trainer Sammer sah in Rosickys Absage 2001 den Grund für die Abqualifizierung: "Dass sich Tomas Rosicky nicht so überschwänglich über den FC Bayern äußert wie andere Spieler, darf kein Grund sein, gegen ihn nachzutreten und ihn zu beleidigen." Doch weitere Verbalattacken verkniffen sich die BVB-Verantwortlichen, schließlich waren die Bayern trotz allem potenzielle Abnehmer von Spielern wie beispielsweise Torsten Frings.

Als hätte er die finanzielle Zwickmühle der Dortmunder kommen sehen, hatte Hoeneß, der seine Frau zum Kauf von BVB-Aktien anstiftete, schon gleich nach dem Wechsel des Tschechen Meier angerufen und gesagt: "Michael, als Aktionär möchte ich darauf aufmerksam machen, dass man sorgfältig mit meinem Geld umzugehen hat." Doch das taten sie in Dortmund zu jener Zeit nicht. Als Rosicky den BVB im Sommer 2006 verließ, gehörten den Schwarz-Gelben nicht einmal mehr die Transferrechte am eigenen Spieler.

Die hatte der BVB verpfändet und lagen seit 2005 beim Grevener Bauunternehmer Sahle, der dem BVB im Gegenzug eine 15-Millionen-Euro-Geldspritze gab. Rosicky war damals "not amused", gar "schockiert", weil ihn niemand darüber in Kenntnis gesetzt hatte.

Rosicky beim BVB: "Ganz oben und dann nur Durchschnitt"

Lange Zeit sträubten sich die Dortmunder, Rosicky zu verkaufen, obwohl es schon 2004 - und anders als Hoeneß es behauptete - Interesse aus Madrid und London gegeben hatte. Doch am Ende fühlte sich Rosicky vom BVB "betrogen" und war nicht mehr "mit ganzem Herzen" bei der Sache. "Ich war ganz oben in Deutschland", so seine Bilanz bei seinem Abschied, "und dann nur Durchschnitt."

Für nur noch zehn Millionen Euro ging er zum FC Arsenal, wo zahlreiche Verletzungen "in meinen besten Jahren" einer Weltkarriere im Weg standen. Seine ungekrönte Laufbahn endete 2017 dort, wo sie angefangen hatte: bei Sparta Prag. Dort ist er jetzt Sportdirektor. Ob er rückblickend seine Entscheidung gegen die Bayern und für die Borussia anno 2001 bereue? "Nein, nie!", sagte er dem kicker 2019.

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