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Beutezug auf Umwegen

Die Minnesota Vikings beendeten in Week 11 mit dem Sieg über Arizona die vierwöchige Durststrecke
© getty

Nach vier Niederlagen in Folge haben die Minnesota Vikings den freien Fall gestoppt, in Week 11 gab es einen enorm wichtigen Heimsieg über die Arizona Cardinals. Dabei entdeckten die Vikes einerseits erfolgreiche Tugenden aus den ersten Spielen dieser Saison wieder - und zeigten darüber hinaus aber auch neue Ansätze. An Thanksgiving warten jetzt die unerwartet starken Detroit Lions, auf dem Spiel steht nichts anderes als die Division-Führung in der NFC North. Zu sehen gibt es das Spiel am Donnerstagabend ab 18.30 Uhr live auf DAZN!

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In diesen Spielzug hatte Minnesota wirklich alles rein gepackt: Beim Stand von 10:7 für die Cardinals standen die Vikes am Sonntag an Arizonas 31-Yard-Line, als sich Running Back Jerick McKinnon hinter dem Center aufstellte und den direkten Snap erhielt. McKinnon übergab an Cordarrelle Patterson, der warf das Ei rüber zu Sam Bradford - und der etatmäßige Quarterback feuerte den Ball schließlich in Richtung Endzone. An der 1-Yard-Line zog Adam Thielen dann die Pass-Interference-Strafe, was den Touchdown-Run von Matt Asiata ermöglichte.

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Viel mehr Tricks in einen Spielzug zu packen - und dabei noch erfolgreich zu sein - ist wahrlich nicht einfach. Und gleichzeitig war es irgendwo ein Sinnbild: Die in dieser Hinsicht ganz besonders verletzungsgeplagten Vikings haben schon die komplette Saison über eine desolate Offensive Line - der Hauptgrund dafür, dass Minnesota mit Abstand die wenigsten Yards pro Run verzeichnet (2,7) und bereits 26 Sacks zugelassen hat.

In der Theorie "simple" Inside- und Outside-Zone-Runs, wie sie Dallas Woche für Woche so spektakulär auf den Rasen bringt, funktionieren für Minnesota daher schlicht nicht. Stattdessen müssen die Vikings auf Umwegen zu ihren Punkten kommen. Und das erfordert nunmal ein gewisses Maß an Kreativität.

"Das war ein kleiner Trick, den wir noch nie so gespielt haben", betonte Receiver Stefon Diggs und fügte hinzu, dass Offensive Coordinator Pat Shurmur "tolle Arbeit mit dem Play-Calling" leiste: "Er gibt den Jungs die Chance, erfolgreich zu sein. Es ist faszinierend, das zu beobachten."

Frischer Wind im hohen Norden

Und es ist gleichzeitig auch ein frischer Wind im hohen Norden: Nach dem überraschenden Rücktritt von Norv Turner Anfang November übernahm Shurmur als Interimslösung - wie sich bisher herausstellt, nicht die schlechteste Option.

Einerseits herrschte von Anfang an eine gewisse Vertrautheit: Shurmur und Bradford haben bereits bei den Rams und den Eagles zusammengearbeitet und kennen einander seit Jahren. Andererseits steht Shurmur für eine andere Art Offense als Turner. Eine Offense, die deutlich besser zu den offensichtlichen Schwächen in Minnesotas Kader passt.

Während Turner gerne auf tiefe Drops seines Quarterbacks sowie lange Pässe setzt, baut Shurmur verstärkt auf einen West-Cost-Ansatz mit vielen kurzen, schnellen Pässen. Gegen Washington in Week 10 flogen nur acht von Bradfords 40 Pässen mehr als 10 Yards, gegen die Cardinals gab es keinen Pass-Versuch von über 20 Yards. Am vergangenen Sonntag wurde er den Ball nach bereits 2,28 Sekunden los, ligaweit ein Spitzenwert. 52,8 Prozent seiner Passing-Yards kommen inzwischen insgesamt nach dem Catch.

Damit konnten die Vikings Arizonas gefährlichen Pass-Rush zumindest eine Zeit lang aus dem Spiel nehmen. Zudem halfen Chip-Blocks der Running Backs und der Tight Ends den oft so überforderten Tackles, wenn Bradford aus der Shotgun heraus agierte.

In der Folge setzten Chandler Jones, Markus Golden und Co. Bradford nur bei zehn seiner 30 Dropbacks unter Druck - ein vergleichsweise gutes Ergebnis für Minnesotas Pass-Protection.

"Kann eine Defense aus dem Konzept bringen"

Shurmurs Kniffe im Running Game sind derweil eine willkommene Abwechslung, für Fans wie Spieler gleichermaßen. Die eingangs beschriebene Wildcat mit McKinnon - der im College übrigens Quarterback-Erfahrung gesammelt hat und den Ball durchaus auch werfen kann - zählt genauso dazu wie Jet-Sweeps und diverse Fakes über Patterson, ein Tight-End-Reverse-Run oder der Einsatz von Defensive Tackle Linval Joseph als eine Art Fullback an der gegnerischen 1-Yard-Line.

Shurmur hat das Personal für diese Art Trick-Spielzüge, und er nutzt es. Genau das benötigtt die Offense, um ihre riesige Schwäche zu überwinden. "Das kann eine Defense aus dem Konzept bringen, weil sie diese Dinge nicht so oft sieht", erklärte auch Head Coach Mike Zimmer in der Twincities Pioneer Press. "Wir haben letzte Woche einige neue Dinge hinzugefügt. Das war auch schon in den vergangenen Wochen der Fall, allerdings haben wir es da nicht immer genutzt. Es ist immer auch eine Frage des Timings."

Der Week-11-Hangover: Wenns scheiße läuft...

Bradford ist sich zudem sicher, dass es hilft: "Wenn man im Spiel verschiedene Formationen und Packages zeigt, etwa auch die Wildcat, dann muss sich der nächste Gegner unter der Woche auch darauf vorbereiten und hat nicht so viel Zeit für das Standard-Zeug." All das dürfte nochmals ein Stück weit besser funktionieren, sollte Adrian Peterson tatsächlich im Laufe des Dezembers wieder eingreifen können.

Defense auf dem Weg der Besserung?

"Besser Funktionieren" ist dieser Tage auch das Motto für Minnesotas Defense. So aggressiv und mitreißend wie die Vikes hier über die ersten fünf Spiele auftraten, so schockierend war der Absturz während der vierwöchigen Niederlagenserie. Plötzlich taten sich Löcher in der Secondary auf, gegnerische Offenses schraubten den Schnitt auf inzwischen 4,2 Yards pro Run gegen Minnesota hoch - und vor allem der Pass-Rush funktionierte längst nicht mehr so gut wie noch zu Saisonbeginn.

Das änderte sich gegen Arizona. Die Vikes kamen gegen eine überforderte Cardinals-O-Line zu unglaublichen 30 Pressures, mehr als die Ravens, Chiefs, Cowboys, Bengals und Titans am Sonntag zusammengenommen hatten. Ein bemerkenswertes Detail dabei: Minnesota blitzte für Zimmer-Verhältnisse schon fast historisch wenig.

Laut ESPN standen am Ende ganze vier Blitzes bei 43 Dropbacks zu Buche (9,3 Prozent), in 42 Regular-Season-Spielen unter Zimmer hatte Minnesota in dieser Kategorie die 10-Prozent-Marke noch nie unterboten. "Ich wollte einige Male blitzen", gab Zimmer anschließend zu, "aber die Jungs haben mir gesagt, dass ich bei dem bisherigen Plan bleiben soll, weil der Pass-Rush so gut funktioniert hat. Also blieb ich dabei."

Kann Minnesota weiter mit dem 4-Men-Rush Druck erzeugen - Joseph kam gegen Arizona auch bei offensichtlichen Passing-Downs zum Einsatz und leistete gute Arbeit -, wäre das ein wichtiger Schritt auf dem Weg zurück zur dominanten Defense: Offenses hatten während den vergangenen Wochen Zimmers Blitze häufig mit schnellen Pässen aus dem Spiel genommen, was dann zu Löchern in der Secondary führte. Wenig hilfreich hierbei allerdings: Cornerback Terence Newman fällt aller Voraussicht nach aus.

Die Lions sind wieder bissig

Doch bei all den positiven Tendenzen im Spiel gegen Arizona bleibt festzuhalten: Ohne den 100-Yard-Pick-Six von Xavier Rhodes und den 104-Yard-Kick-Off-Return von Patterson hätte es wohl die nächste Pleite gegeben. Darüber hinaus halfen die Cardinals, die sich mehrfach selbst im Weg standen, mit 96 Penalty-Yards zusätzlich nach.

Somit wird das Duell mit Detroit an Thanksgiving der nächste Prüfstein. Nicht nur, weil es um die Spitzenposition in der NFC North geht, sondern auch, weil sich die Lions-Offense in dieser Saison überraschend stark präsentiert.

Das liegt vor allem an Matthew Stafford, der sich im System von Offensive Coordinator Jim Bob Cooter merklich wohl fühlt. Das heißt unter anderem: Schnellere Pässe und Yards nach dem Catch, statt die permanente Suche nach dem langen Pass, die es mit Calvin Johnson viel zu häufig gab. Kein Starting-Quarterback hat in dieser Saison prozentual auch nur ansatzweise so viele Yards nach dem Catch wie Stafford (56,2 Prozent).

Das Week-11-Roundup: Nächstes Cowboys-Statement - Brady stark

Die Lions sind in der Red Zone enorm effizient und lassen sich auch von Rückständen nicht aus dem Konzept bringen. Eine wichtige Tugend, denn Detroit lag in dieser Saison in sage und schreibe jedem einzelnen Spiel im Schlussviertel zurück. Darüber hinaus sieht das Running Game seit der Rückkehr von Theo Riddick endlich wieder besser aus, wenngleich Ameer Abdullah nach wie vor ausfällt.

"Division-Spiel zuhause an Thanksgiving"

Darüber hinaus hat Detroit den Vorteil, vor einigen Wochen bereits in Minnesota gewonnen zu haben - ein Sweep gegen den Division-Rivalen wäre ein großer Schritt in Richtung Playoffs. "Was den Game-Plan angeht, haben wir das natürlich nicht vergessen", bestätigte Stafford, fügte aber prompt hinzu: "Das macht die Herausforderung, die Minnesota für uns darstellt, nicht geringer. Das ist eine wirklich starke Defense, ein wirklich gutes Team mit guten Coaches. Wir werden alle Hände voll zu tun haben."

Dabei helfen soll dann auch Detroits Defense. Hier sind die Lions bisher alles andere als unschlagbar, vielmehr lassen sie 7,6 Yards pro Pass zu und erzeugen kontinuierlich zu wenig Druck. Das soll jetzt anders werden: Während Linebacker DeAndre Levy nach wie vor ausfällt, erinnert der wieder genesene Ziggy Ansah zunehmend an seine herausragende Form aus dem Vorjahr: Beim Sieg über die Jaguars verzeichnete er zuletzt fünf Pressures und vier QB-Hits.

"Ich denke, er kommt langsam. Er hilft uns schon jetzt enorm, auch wenn er keinen Sack hatte", lobte Head Coach Jim Caldwell. "Er kommt [seiner Bestform] immer näher und macht viele Plays für uns. Natürlich wollen alle Defensive Linemen die Sacks, aber zu dieser Position gehört mehr."

Es bleibt abzuwarten, welches Team gegen den vertrauten Feind erfolgreicher in die Trick-Kiste greift. Die Vikings jedenfalls haben am Sonntag gezeigt, dass sie hier Asse im Ärmel haben. Stafford brachte es letztlich aber auf den Punkt: "Es ist ein Division-Spiel zuhause an Thanksgiving. Da gibt es nichts zu argumentieren. Ich rechne mit einer tollen Atmosphäre und einem hochklassigen Spiel."

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