NFL

Brüder im Geiste

Von Marcus Blumberg
Bill Belichick und Pete Carroll stehen mit ihren Teams im Super Bowl
© getty
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The Art of War - or Tennis?

Belichick zieht seine Inspiration unter anderem aus Sun Tzus "The Art of War" mit dem Grundsatz, zunächst einmal den Gegner zu studieren und besser zu verstehen als jeder andere. Dies spiegelt sich in seiner Gameplan-basierten Herangehensweise an jedes einzelne Spiel wider.

Während die Patriots gegen die starke Lauf-Defense der Ravens irgendwann beschlossen hatten, gar nicht mehr zu laufen, bekam Running Back LeGarrette Blount gegen die Colts 30 Mal den Ball und überrannte den Gegner regelrecht im Wissen, dass Indy den Lauf nicht stoppen kann.

Carroll setzt auf "The Inner Game of Tennis" von W. Timothy Galloway. Daraus zieht er seine Philosophie: "Es geht darum, das Wirrwarr in den Interaktionen zwischen deinem Bewusstsein und Unterbewusstsein aufzuräumen. Das gelingt durch überlegenes Training und eine klare Herangehensweise. Fokus, Klarheit und der Glaube an einen selbst sind die Faktoren, die es uns erlauben, unsere Fähigkeiten auszuleben, ohne abschweifende Gedanken und Bedenken." Und genau das verkörpern wohl derzeit die Seahawks am besten. Oder demonstriert jemanden deutlicher Selbstvertrauen als ein Richard Sherman?

Zwei Alleinherrscher

Im Spiel sind sich beide zudem ähnlich, was Offensiv-Entscheidungen angehen. Schon zu USC-Zeiten ließ Carroll häufig Fourth Downs ausspielen. Dort nannte man ihn nicht umsonst "Big Balls Pete". Eine Haltung, die auch einem Belichick nicht fremd ist.

Defensiv wiederum könnten sie nicht verschiedener sein. Während Belichick immer wieder versucht, seine Formationen zu verschleiern und Quarterbacks zu verwirren, was selbst gegen Peyton Manning dann und wann funktioniert hat, macht Carroll keinen Hehl aus seiner Defensive.

Im letzten Super Bowl wurde nichts verschleiert, man verteidigte gewohnt aggressiv und diszipliniert und zerlegte so die vielleicht beste Offense in der Geschichte der Liga.

Seattles Legion of Boom: Das vierköpfige Monster

Die größte Gemeinsamkeit aber ist die Tatsache, dass beide Alleinherrscher sind. Weder Belichick noch Carroll haben jemanden außer den Teameignern über sich. Bill hat Personal-Experte Nick Caserio an seiner Seite, während Pete auf General Manager John Schneider setzt, der ihm allerdings eher zuarbeitet. Ein Punkt, der der entscheidende Faktor gewesen ist, vom College zurück in die NFL zu kommen.

SpyGate und Doping

Auch negative Geschichten sind beiden nicht fremd. Bei Belichick ist es "SpyGate", das ihn bis heute verfolgt. Im Rahmen seiner fast legendären "Deflate-Gate"-PK stellte er kürzlich noch mal klar: "Da gibt einer Signale vor 80.000 Zuschauern. Wir haben diese Signale vor 80.000 Zuschauern gefilmt, wie es viele andere Teams auch gemacht haben, okay? Vergessen Sie das! Wenn das falsch war, wurden wir dafür bestraft."

Carroll wurde zwar nicht direkt erwischt, aber dafür bewies er kurios gutes Timing beim Abgang aus Kalifornien. Nur wenige Monate nach seinem Antritt in Seattle wurde bekannt, dass die Trojans gegen zahlreiche NCAA-Regularien verstoßen hatten und besonders Heisman-Gewinner Reggie Bush im Mittelpunkt stand. Das führte zur Aberkennung eines Meistertitels, zahlreicher Siege und der Rückgabe der Heisman-Trophäe von Bush.

Der Coach wollte davon natürlich nichts gewusst haben. Carroll hüllt außerdem den Mantel des Schweigens über die hohe Anzahl von Dopingsperren gegen seine Spieler für die Einnahme des Amphitamins Adderall. Beide bewegen sich also auch öfters am Rande der Legalität.

Ein Blick in die Zukunft

Der kommende Super Bowl wird nur einen Sieger sehen, aber zwei herausragende Coaches, die trotz ihres Alters noch lange nicht fertig sind. Carroll wird mit seinem noch sehr jungen Quarterback noch einige Schlachten bestreiten und nun erstmals richtig vor der Herausforderung Free Agency stehen.

Belichick auf der anderen Seite muss sich mit dem Gedanken befassen, was nach Brady kommt, der nicht mehr ewig spielen wird. Übernimmt Jimmy Garoppolo oder doch ein ganz anderer? Doch eines dürfte klar sein: Dies wird nicht das Ende der Erfolgsgeschichten dieser beiden Coaches sein. Und wer weiß, womöglich sehen sich beide schon nächsten Februar wieder - vielleicht in Santa Clara.

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