"Es wurde viel Vertrauen zerstört"

Von Interview: Michael Graßl
Reiner Plaßhenrich (r.) ist inzwischen Co-Trainer in Aachen
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SPOX: Hatten Sie deshalb auch einmal den Gedanken, den Verein zu verlassen? Sie selbst sind dem Verein nach dem Karriereende ja mehr unverhofft als geplant erhalten geblieben.

Plaßhenrich: In diese Richtung gab es keine Überlegungen. Denn eigentlich wollte ich noch ein paar Jahre Fußball spielen, aber das haben die Knochen leider nicht mehr mitgemacht (lacht). Während meiner Reha schnupperte ich 2009/10 in der A-Jugend-Bundesliga als Co-Trainer in den Trainerbereich hinein. Irgendwann ist der Funke dann übergesprungen und ich habe mich bei der Alemannia bis zum Co-Trainer der ersten Mannschaft hochgearbeitet.

SPOX: Sie haben in einem Interview erwähnt, dass Ihre Arbeit als Trainer besonders von Dieter Hecking beeinflusst wurde. Was haben Sie sich von ihm abgeschaut?

Plaßhenrich: Meiner Meinung nach ist sein Erfolgsgeheimnis, dass er vernünftig mit seinen Spielern umgeht. Er geht von sich aus auf die Mannschaft zu, das ist wichtig. Wenn man einen guten Zugang zu den Spielern bekommt, dann ist alles wesentlich einfacher. Viele Trainer sehen nur den Spieler, aber wenn man den Menschen dahinter erreicht, dann funktioniert auch der Spieler. In dieser Hinsicht hat mich Dieter Hecking geprägt.

SPOX: Sie sind in Aachen nicht nur Co-Trainer, sondern leiten auch das Nachwuchsleistungszentrum. Lassen sich diese beiden Aufgaben überhaupt miteinander vereinbaren?

Plaßhenrich: Ich bin es gewohnt, Vollzeit zu arbeiten. Das war in meinem Leben schon immer so. Als ich noch in der Regionalliga spielte, habe ich gleichzeitig eine Ausbildung gemacht und bin dann jeden Abend noch zum Training gefahren. Wenn man etwas mit Herz und Leidenschaft macht, dann ist keine Arbeit zu viel.

SPOX: Für das Nachwuchsleistungszentrum haben Sie ambitionierte Ziele formuliert. Wie genau sehen Ihre Zukunftspläne dafür aus?

Plaßhenrich: Ein Ziel ist es, die Qualität der Trainer weiter zu verbessern. In den vergangenen Jahren war es oft so, dass jeder Trainer für sich trainiert hat. Schlussendlich haben wir aber alle das gleiche Ziel: Wir wollen mehr Spieler aus der eigenen Jugend in der ersten Mannschaft sehen. Das fängt schon ganz unten an. Dort sollen die Basics gelegt werden, auf denen der nächste Trainer wiederum aufbauen kann. So setzt sich das bis zum Profibereich fort.

SPOX: In der letzten Verifizierung durch den DFB haben sie den ersten Stern knapp verpasst. Woran scheiterte eine Auszeichnung?

Plaßhenrich: Bei dieser Prüfung ist entscheidend, dass alle benötigten Dokumente vorgelegt werden können. Wir haben ein halbes Jahr vor der Inspektion damit begonnen, alles Wichtige auf Papier zu bringen, konnten in dieser kurzen Zeit aber nicht mehr den vollen Ansprüchen gerecht werden. Trotzdem haben wir unser bislang bestes Ergebnis erreicht und sind zuversichtlich, bei der nächsten Verifizierung mit dem ersten Stern ausgezeichnet zu werden.

SPOX: Was genau muss für eine solche Verifizierung dokumentiert werden?

Plaßhenrich: Im Prinzip alles (lacht). Das fängt natürlich bei den Spielen an und geht über Leistungsdiagnostiken, einzelne Trainingseinheiten, Gespräche mit den Eltern und Videoanalysen. Alles, was im Profibereich angewendet wird, wird auch in der Jugend eingesetzt. Hinzu kommt unser eigenes Konzept, das den jungen Spielern das beibringen soll, was Aachen schon immer ausgezeichnet hat: Leidenschaft, Siegeswille und hartes Arbeiten.

SPOX: Diese Tugenden scheint die Profi-Mannschaft bereits zu beherzigen, immerhin ist sie derzeit Spitzenreiter der Regionalliga West. Woher kommt der neue sportliche Aufschwung?

Plaßhenrich: Wir haben im letzten Winter gute Spieler dazubekommen und frühzeitig mit den Kaderplanungen für die aktuelle Saison begonnen. So konnten wir eine intakte Mannschaft punktuell ergänzen. Dass wir diese Saison schon so erfolgreich sind, war aber nicht zu erwarten.

SPOX: Wie überzeugen Sie gute Spieler, die bei anderen Vereinen deutlich mehr verdienen könnten, zur Alemannia zu wechseln?

Plaßhenrich: Unsere Tradition und die Erfolge, die wir vor ein paar Jahren gefeiert haben, sind immer noch ein gutes Pfund, das wir in die Waagschale werfen können. Zudem haben wir sehr gute Trainingsbedingungen und ein tolles Stadion. Man merkt, dass die Zuschauer das wieder honorieren. Und je mehr Zuschauer kommen, desto attraktiver wird es auf der anderen Seite wieder für die Spieler.

SPOX: Die erfolgreichste Zeit der Vereinsgeschichte ist noch nicht allzu lange her. Dürfen die Fans beim Blick auf die Tabelle wieder von Größerem träumen?

Plaßhenrich: Unsere Hochphase zwischen 2004 und 2007 ist ein besonderer Teil der Aachener Fußballhistorie. Wir haben damals in kurzer Zeit Erfolge gefeiert, die andere Vereine in 50 oder 60 Jahren nicht feiern. Innerhalb dieser drei Jahre standen wir im DFB-Pokalfinale, spielten durch die daraus resultierende Qualifikation für den UEFA Cup international und stiegen in die Bundesliga auf. Es ist klar, dass sich die Menschen diese Zeit zurückwünschen. Aber niemand kann vorhersagen, ob diese Zeit irgendwann noch einmal zurückkommt.

Seite 1: Plaßhenrich über die Bundesligazeit und den Tivoli

Seite 2: Plaßhenrich über die Arbeit als Trainer und den Aufstieg

Reiner Plaßhenrich im Steckbrief

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