BVB: Mit Ungewissheit ins Ungewisse

Von Jochen Tittmar
Jürgen Klopp beobachtet seine Spieler beim Abschlusstraining in Donezk
© Getty

Borussia Dortmund geht mit gemischten Gefühlen und einer weiter angespannten Personalsituation ins Achtelfinalhinspiel der Champions League bei Schachtjor Donezk (20.30 Uhr im LIVE-TICKER). Neben der Ungewissheit, ob beim BVB in der Königsklasse weiterhin ein Rädchen ins andere greift, ist auch der Leistungsstand der Ukrainer undurchsichtig.

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Zufall sei es gewesen, meinte Manager Michael Zorc zu dem Umstand, dass Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und er am Sonntag nach der deftigen 1:4-Heimklatsche gegen den Hamburger SV auf dem Trainingsgelände im Dortmunder Stadtteil Brackel zugegen waren.

Trainer Jürgen Klopp hatte seiner Mannschaft zuvor ins Gewissen geredet. Um was es dabei genau ging, wollte Klopp nicht öffentlich machen. Ein Krisengipfel sei es aber nicht gewesen, ließ man verlauten.

6 Gegentore in 135 Minuten

Hatte man am Samstag genau hingesehen, dürften die Themen auf des Trainers Agenda augenscheinlich geworden sein.

Nicht zum ersten Mal in dieser Saison deckte ein mitspielender Gegner Dortmunder Problemzonen in der Defensivbewegung schonungslos auf. Sechs Gegentore fing sich die Borussia nun in den letzten 135 Bundesligaminuten.

Daraus lässt sich zwar kein veritables Abwehrproblem ableiten, doch die Marke, die der BVB im Vorjahr für das Spiel gegen den Ball gesetzt hat, lässt diese Disziplin im Vergleich dazu in Teilen dieser Saison wie ein Manko erscheinen.

Dortmund fehlt der Rhythmus

So fehlte gegen den HSV das, "was uns sonst so stark gemacht hat", wie Zorc sagt. Aggressives Anlaufen, Ballgewinne, schnelle Umschaltbewegung - das war höchstens in Nuancen zu sehen.

Was Dortmund derzeit zudem abgeht und die Probleme bedingt, ist der Rhythmus. Das hat krankheitsbedingte Gründe, in der Vorwoche setzten zahlreiche Stammspieler fast vollständig mit dem Training aus und andere reisten zur Nationalmannschaft.

Dass gegen Hamburg jeder halbwegs spielfitte Akteur aufs Feld geschickt werden musste, sah man an der Tatsache, dass die Westfalen entgegen der Gewohnheit äußerst schwerfällig in die Partie kamen und nicht in der Lage waren, entstehende Lücken handlungsschnell zuzulaufen.

Erstes CL-K.o.-Spiel seit 1998

Positiv war immerhin, dass die Dortmunder über weite Strecken der intensiven Begegnung läuferisch ans Limit gingen. So half die vermurkste Trainingswoche wenigstens im regenerativen Bereich.

Regeneration statt Finetuning im Training wird auch das Motto der nun folgenden Wochen lauten. Mit der Hinspielpartie gegen Schachtjor Donezk beginnen für den BVB wieder die englischen Wochen, bis zum Rückspiel Anfang März warten fünf Partien in 17 Tagen auf die Schwarzgelben.

Rhythmus und Kompaktheit müssen also über die Spiele gefunden werden. In der Ukraine kommt es dabei zu einer Partie, deren Charakter es beim BVB seit fast 15 Jahren nicht mehr gab. Donezk wird für Dortmund das erste K.o.-Runden-Spiel in der Königsklasse seit dem Halbfinale 1998 gegen Real Madrid - es war das Hinspiel mit dem gebrochenen Torpfosten.

Schachtjors Leistungsstand ungewiss

Damals trat Zorc selbst noch gegen den Ball und Mario Götze musste mit seinen fünf Jahren bestimmt vorzeitig ins Bett. Daraus folgt, dass keiner der aktuellen Belegschaft bislang in seiner Karriere mit einer solchen Situation konfrontiert wurde.

"Das ist neu für uns", sagt Nuri Sahin. "Wir haben nicht viele Spieler, die schon solche Spiele gemacht haben. Darauf muss man sich vorbereiten."

Zumal neben dem K.o.-Charakter der Partie auch noch ein schwer einschätzbarer Gegner zu bespielen sein wird. Schachtjor zeigte in der Gruppenphase teils bärenstarke Leistungen und geht zusammen mit dem BVB als die Überraschung des Wettbewerbs durch. Deutlich ungewisser ist jedoch die Frage nach dem aktuellen Leistungsstand.

Stammviererkette steht bereit

Seit Anfang Dezember fehlt Donezk der Pflichtspielrhythmus, die Gegner in der Vorbereitung waren größtenteils Laufkundschaft. Mit Offensivmotor Willian verließ die prägende Figur im Winter den Verein. Sein Abgang wurde mit dem auch vom FC Chelsea heftig umworbenen Taison kompensiert, doch welche Auswirkungen dies auf die Mannschaft hat, wird sie ohne Härteprüfung selbst nicht genau einzuschätzen wissen.

Beim BVB gilt die Rückkehr zum in der Königsklasse so erfolgreichen 4-3-3 dagegen als ebenso wahrscheinlich wie jene des seit dem 19. Dezember ohne Spielpraxis ausgestatteten Neven Subotic (nach Faserriss in der Wade). Auch Marcel Schmelzer (nach Rachenentzündung und Fußprellung) kann mitwirken, nachdem er am Montag im Training umknickte und "einen kurzen Schock" bei Klopp auslöste. "Es hat sich als Kleinigkeit herausgestellt. Er kann spielen", sagt der Coach.

Die Stammviererkette dürfte also bereitstehen, das letzte Spiel über 90 Minuten in dieser Konstellation liegt aber bereits 75 Tage zurück (1:1 gegen Bayern München). Dass Lukasz Piszczek bestätigte, sich schon seit einer Weile mit Hüftproblemen herumzuschlagen, macht den Verbund nicht unbedingt sattelfester.

Probleme ohne Gündogan

Größere Sorgen hinsichtlich eines funktionierenden Gegenpressings macht dagegen das Fehlen von Ilkay Gündogan. Der Nationalspieler laboriert an einer Blessur an Zeh und Oberschenkel. Klopp gab an, die medizinische Abteilung mit der Forderung bedacht zu haben, Gündogan bis Mittwoch "irgendwie hinzukriegen" - das klappte nicht.

Die Partien ohne Gündogan waren es nämlich, die Dortmunds Defensive oft dumm aussehen ließen. Dem BVB eine Abhängigkeit vom 22-Jährigen zu attestieren, mag zu weit gehen. In seiner aktuellen Form ist Gündogan aber ohne Zweifel das wertvollste Bindeglied, das eine ausgewogene Balance im Spiel der Borussia herzustellen vermag.

Klopp weiß das genauso wie die Notwendigkeit, die Mannschaft auf die Rückbesinnung auf die defensiven Pflichten und daraus resultierenden Stärken einzuschwören. "Darüber wird zu reden sein", deutete Kapitän Sebastian Kehl bereits im Anschluss an das HSV-Spiel an.

Auf Schalke-Pleite folgte Real-Sieg

Es brauchte zwar ein bisschen Zeit, aber aus Klopp und Zorc spricht mit dem Blick auf Donezk nun wieder die Zuversicht. Der Manager glaubt an die Lernfähigkeit des Teams, das bisher ohnehin in der Champions League immer motiviert bis in die Haarspitzen auftrat.

"Wir sind überall noch im Rennen", erinnert Klopp jene, die schon den Anflug einer Krise beim Meister ausgemacht zu haben scheinen.

Die schwebende Situation, vor einem wichtigen CL-Spiel in der Liga versagt zu haben, kennt der BVB bereits. Nach der schwächsten Saisonleistung im Derby gegen Schalke 04 wartete im Oktober Real Madrid. Dortmund gewann 2:1 und zeigte eine herausragende Partie. Die Ungewissheit war plötzlich wie verflogen.

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