Der wilde Mustang

Von Haruka Gruber
Quaresma, Ricardo, Porto
© Getty

München - Keine Schmuddelgeschichten. Keine Schlägereien. Nicht einmal ein Besäufnis. Je mehr man in die Welt des Ricardo Quaresma abtaucht, umso größer ist die Verwunderung.

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Der Flügelspieler des FC Porto gilt als notorisch infantil. Als ein Spätpubertierender ohne Disziplin und der rechten Einstellung. Querkopf Quaresma - so prägnant, so klischeehaft.

Am Dienstag reist der FC Porto zum FC Schalke 04 (ab 20.45 Uhr im SPOX-TICKER und Internet TV). Das Hinspiel des Champions-League-Achtelfinals steht an, und Königsblau zittert vor allem vor einem. Quaresma. Spitzname: Mustang.

Karriereknick in Barcelona

So wurde er von seinem ersten Proficoach Laszlo Bölöni bei Sporting Lissabon genannt, weil er ähnlich einem Wildpferd ungestüm über den Platz galoppierte. Ohne Verstand und Ratio, dafür aber mit einer gehörigen Portion Ballverliebtheit.

Quaresma war im Sommer 2003 der kommende portugiesische Superstar. Nicht Cristiano Ronaldo, schon gar nicht Nani. Der damals erst 19-Jährige Quaresma war es, den der FC Barcelona für knapp über sechs Millionen Euro verpflichtete.

"Im Nachhinein war der Wechsel einfach nur enttäuschend", erinnert sich Quaresma. "Das, was mir passiert ist, wünsche ich niemandem." Coach Frank Rijkaard, ebenfalls erst im Sommer zu Barca gestoßen, konnte mit dem taktisch unreifen Jüngling nicht viel anfangen und verbannte ihn des Öfteren auf die Bank.

Stinkstiefel - oder nur unreif?

"Ich habe an mir gezweifelt. Ich habe in den Spiegel geschaut und mich gefragt, ob ich gut genug bin, überhaupt Fußball zu spielen", so Quaresma.

Nach zwölf Monaten drohte er dem Klub schließlich mit einem Streik, sollte Rijkaard bleiben und er nicht wechseln dürfen. "Ich war natürlich jung, mir wurde vom Verein aber auch unfair mitgespielt ", verteidigt sich Quaresma.

Seit dieser Episode hängt ihm jedoch dieser zwielichtige Ruf nach. Wie erwähnt: Keine Schmuddelgeschichten, keine Schlägereien, nicht einmal ein Besäufnis - dennoch steckt Quaresma seit drei Jahren in der Stinkstiefel-Schublade.

Für jeden Top-Verein bereit

Dabei erinnert der Quaresma von heute nicht mehr viel an Quaresma von damals. Zumindest außerhalb des Fußball-Platzs. "Mittlerweile ist er ein anderer Junge. Er ist reifer geworden. Diese mangelnde Disziplin war Teil seiner Entwicklung und Jugend", sagt Ricardo Costa bei SPOX.com.

Der Abwehrspieler des VfL Wolfsburg spielte bis zum vergangenen Sommer beim FC Porto. Der Verein, der Quaresma 2004 für eine Ablöse von sechs Millionen Euro aus dem spanischen Exil befreite. Costa: "Damals war er nicht bereit für Barcelona. Im Moment könnte er aber bei jedem europäischen Top-Verein spielen."

Die Rückkehr in seine portugiesische Heimat verlieh Quaresma Sicherheit und eine zuvor nicht gekannte Konstanz, 2005 und 2006 wurde er zu Portugals Fußballer des Jahres gewählt, mit dem FC kam er in den vergangen beiden Spielzeiten zu Meisterehren.

Markenzeichen: Der "Trivela"

Überragend seine Schnelligkeit, überragend seine Flankenläufe auf rechts oder links, außerordentlich seine Technik, die ihm den zweiten Spitznamen verschaffte. "Harry Potter", wegen den zahlreichen Zaubertricks. Der "Trivela", der Schuss mit dem Außenrist, bleibt jedoch nach wie vor der Favorit unter all seinen Finten.

"Porto ist eine gute Wahl, aber Quaresma hat die Qualitäten, um sich überall durchzusetzen", sagt Luis Figo. Der Altmeister soll es auch gewesen sein, der seinem Verein Inter Mailand geraten hat, für seine Nachfolge Landsmann Quaresma zu holen.

München und die Minus-Grade

Der Umworbene könnte sich seinen zukünftigen Verein frei auswählen. Neben Inter gehören Real sowie Atletico Madrid, der FC Arsenal, der FC Chelsea und der FC Bayern zu den Verehrern. Ein Wechsel nach München lehnte Quaresma im vergangenen Sommer ab, weil es "zu kalt ist und es nicht jedem Spieler Spaß macht, in Deutschland zu spielen".

Der Umworbene könnte sich seinen zukünftigen Verein frei auswählen - hätte er seinen Vertrag in Porto im Januar nicht überraschend vorzeitig verlängert.

"Vollkommen glücklich"

Wenige Wochen zuvor sorgte er in Porto für Irritationen, weil er unbedacht und etwas zu lautstark einen Wechsel ins Ausland gefordert hatte. Nach ausgiebigen Unmutsäußerungen der Fans dachte Quaresma jedoch um und stimmte einer vorzeitigen Ausweitung seines Kontrakts um zwei Jahre bis 2011 zu.

"Der neue Vertrag zeigt doch nur, was für eine gute Beziehung der Verein zu mir hat. Porto gab mit so viel, hier habe ich ungemein viel gelernt. Ich liebe die Stadt und bin vollkommen glücklich", sagt Quaresma. Schmuddelgeschichten, Schlägereien oder Besäufnisse würden da doch nur stören.

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