"Zorniger hat das Mediale unterschätzt"

Timo Hildebrand wurde 2007 mit dem VfB Stuttgart Deutscher Meister
© imago

Vor wenigen Wochen gab Timo Hildebrand nach anhaltenden Verletzungsproblemen sein Karriereende bekannt. Sein Traum, die Laufbahn in Amerika ausklingen zu lassen, platzte. Bei SPOX spricht er über sein neues Leben, die Szene seiner Karriere und Alexander Zornigers Zeit beim VfB.

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SPOX: Herr Hildebrand, kurz vor Ihrem 37. Geburtstag beendeten Sie vergangenen März Ihre Karriere. Dabei sollte die eigentlich in den USA ausklingen, die Hüfte hat das allerdings nicht mehr zugelassen. Haben Sie das Ihrem Körper schon verziehen?

Timo Hildebrand: Ja. Ich bin schon seit einem Jahr in Reha. Von Monat zu Monat wurde immer deutlicher, dass ich das Abenteuer Amerika nicht mehr erreiche. Daher habe ich mich damit schon länger auseinander gesetzt. Es ist okay und nicht schlimm.

SPOX: Was hatte Sie denn an den USA besonders gereizt?

Hildebrand: Ich wollte Lebenserfahrung sammeln, mein Englisch perfektionieren und etwas Schönes mit der Familie erleben. Es sollte einfach noch einmal hinausgehen aus dem 'normalen Leben'. Das wäre schon eine schöne Etappe gewesen.

SPOX: Wie kam es denn überhaupt zu Ihrer Verletzung?

Hildebrand: Als ich Schalke im Sommer 2014 verließ, spürte ich bereits ein leichtes Ziehen in der Hüfte. Das war zunächst nicht so wild, ich war damals ja vereinslos. Ich dachte, es würde schmerzen, weil ich keine tägliche Behandlung erhalten habe. Als ich im September in Frankfurt unterschrieb, wurde es aber immer schlimmer. Die Schmerzen wollten nicht nachlassen.

SPOX: Aber dann war professionelle Hilfe wieder verfügbar, oder?

Hildebrand: Genau, ich habe im Januar endlich Bilder der Hüfte machen lassen. Es kam heraus, dass ich tiefgreifende Probleme habe, die später zu großen Schwierigkeiten führen könnten. Ich hatte dann auch Schmerzen, obwohl ich gar nicht mehr trainiert habe. Daher war eine Operation unumgänglich.

SPOX: Das Karriereende letztlich auch. Sie haben einmal gesagt, der Fußball würde Ihnen Augenblicke und Herausforderungen bescheren, die man nirgendwo sonst bekäme. Könnte das in Zukunft zum Problem werden?

Hildebrand: Es ist jetzt einfach ein anderes Leben. Man hat nicht mehr diese Herausforderung und den Druck, Woche für Woche Leistung bringen zu müssen. Als Spieler ist man jede Woche mit Adrenalin vollgepumpt und hat Glücksgefühle, wenn man ein Spiel gewinnt. Jetzt muss ich mir andere Adrenalinkicks holen. (lacht)

SPOX: Wo?

Hildebrand: Mal sehen. Vielleicht lerne ich jetzt mal das Skifahren oder mache schwierige Klettertouren. Wieso nicht mal an einem steilen Kliff hängen?

SPOX: Ist Ihr Abschied vom Fußball emotional vergleichbar mit Ihrem Abgang vom VfB Stuttgart 2007, als Sie Torwarttrainer Eberhard Trautner weinend in den Armen lagen?

Hildebrand: Daran habe ich auch schon denken müssen. Das war damals schon sehr heftig. Ich war auf einen Schlag heraus der Komfortzone und nicht mehr im gewohnten Umfeld. Das Karriereende war auch emotional, aber ein schleichender Prozess. Als ich mein Abschiedsvideo gesehen habe, musste ich auch ein paar Tränen verdrücken.

SPOX: Sie haben nun bereits eine erste Vorahnung davon bekommen, wie es ist, nicht mehr aktiver Fußballer zu sein. Und, wie ist es?

Hildebrand: Ich bin glücklich, ein sehr flexibles Leben führen zu können. Ich kann machen, was ich will. Ich habe in keinerlei Hinsicht mehr Druck. Das ist jetzt schon ein neues Lebensgefühl, denn ich befinde mich nicht mehr in diesem Hamsterrad drin. Das Fußballer-Leben ist sehr hektisch und schnelllebig. Jetzt kann ich alles selbst gestalten. Das ist großes Glück und großer Luxus.

SPOX: Wie fühlt sich die Distanz an?

Hildebrand: Es ist okay, da man dann manche Dinge durchaus auch anders sieht, wie wenn man mittendrin ist.

SPOX: Beispiel?

Hildebrand: Ich wohne in Stuttgart und stehe dem VfB natürlich sehr nahe. Ich habe daher die Amtszeit von Alexander Zorniger intensiv verfolgt. Ich war bestimmt nicht der Einzige, der irgendwann die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen hat. Zorniger hat das Mediale und diesen Einfluss, der damit einhergeht, sehr unterschätzt. Das merkt man wohl gar nicht in voller Ausprägung, wenn man voll im Job steckt.

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