Das Vorbild Freiburg

Von Christoph Köckeis
Bisher halfen auch keine Gebete: Der SpVgg Greuther Fürth steht der ultimative Krisengipfel bevor
© Getty

Greuther Fürth und der FC Augsburg drohen im Abstiegssumpf zu versinken. Doch was läuft schief? Das Keller-Duo steuert in eine ungewisse Zukunft. Bevor es am Samstag zum ultimativen Krisengipfel kommt, versucht SPOX die Misere einzuordnen.

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Sturmflaute: Im modernen Fußball verliert der klassische Knipser zunehmend an Ansehen. Es reiche nicht mehr aus, im Strafraum zu lauern, auf Vorlagen der Kollegen zu warten, so die gängige Ansicht. Vielmehr sollte man beweglich, technisch versiert sein. Dazu bereit, das natürliche Revier zu verlassen. Wer jene Attribute vereint und das Vollstrecken nicht vergisst, gehört zu den heißesten Aktien. Und ist für Augsburg oder Greuther Fürth reinste Utopie.

Sie würden einen Neuner alter Schule freudig empfangen. Denn vor Abschluss der Hinrunde kann ihrem Angriff getrost die Bundesligatauglichkeit abgesprochen werden. Elf Treffer bejubelte der FCA, die Spielvereinigung sogar nur deren zehn. Dass beide am Tabellenende rangieren, entbehrt jeder Erwähnung.

"Ich sehe ja, was unser Team Woche für Woche investiert. Doch - und da muss ich mich leider wiederholen - wir belohnen uns dafür nicht. Wenn du Woche für Woche Nackenschläge bekommst, verlierst du das Selbstvertrauen", bemängelt Mike Büskens. Bei den Fürthern ist das Ungleichgewicht zwischen Aufwand und Ertrag augenscheinlich.

Auf den fehlenden Beistand Fortunas dürfen sich die Vereine nicht ausreden. Sonst ist es womöglich zu spät: "Wir müssen den Bock umstoßen, schnellstmöglich. Uns fehlt in gewissen Situationen ein Fünkchen Durchschlagskraft. Vielleicht ist es ab und zu Cleverness." Oder eben mangelnde Qualität.

Transferpolitik: Zwangsläufig sind die offensiven Peinlichkeiten mitunter auf das Spielermaterial zurückzuführen. In der Übertrittzeit zielten die Bayern zwar darauf ab, entsprechende Adaptierungen vorzunehmen. Um dicke Fische an Land zu ziehen, fehlte schlicht das nötige Kleingeld. Der Fluch der Kleinen. "Wir alle, die wir Verantwortung tragen, haben im Sommer die Entscheidungen im Rahmen unserer geringen wirtschaftlichen Möglichkeiten getroffen und hinter diesen stehen wir", betonte Büskens.

Um Missverständnisse zu vermeiden, stellte er klar: "Wir haben vollstes Vertrauen." Zweckoptimismus in Reinkultur. Ohne haltbare Gründe. Die Zahlen sind nämlich besorgniserregend. Edu, der beste Stürmer, hält bei einem Tor. Der erfolgreichste Akteur, Mittelfeldmann Zoltan Stieber bei drei. Andere Transfers wie Djiby Fall oder Tobias Mikkelsen gleichen Totalausfällen.

200 Kilometer südlich das gleiche Bild: Aristide Bance, verpflichtet als Hoffnungsträger, als neuer Goalgetter, hinkt den Ansprüchen weit hinterher. Anfangs noch gesetzt, hat ihm Sascha Mölders den Rang abgelaufen. Er führt mit drei Treffern gemeinsam mit Tobias Werner die teaminterne Rangliste an. Auch die als Verstärkung gepriesenen Milan Petrzela, Knowledge Musona sowie Jan Moravek sind Reservisten.

Manager Jürgen Rollmann reagierte im "Doppelpass" unverhohlen "Die Neuen haben nicht so eingeschlagen wie erwartet. Natürlich kann sich das noch ändern."

Die Nebenkriegsschauplätze: Rollmann, neuer starker Mann in Augsburg, ist in puncto Kaderzusammenstellung aus der Schusslinie zu nehmen. Er beerbte Anfang Oktober Manfred Paula, konnte nicht einwirken. Unangenehmen Fragen musste er sich trotzdem stellen: "Das Experiment Paula ist nicht gescheitert, er ist Nachwuchschef." Warum Boss Walther Seinsch hier ein neues Fass öffnete, scheint ob bescheidener Transfers logisch. Planungssicherheit und Nachhaltigkeit garantiert dies jedoch keineswegs.

"Dass der Weggang von Andreas Rettig ein Vakuum hinterlässt, ist klar. Dass man aber langfristig arbeiten will, hat man bewiesen, als man Markus Weinzierl mit einem Dreijahresvertrag ausgestattet hat", glaubt Rollmann. Immerhin verfügt Augsburg über einen Sportdirektor. Man sollte meinen, im hochprofessionellen Bundesliga-Geschäft die Mindestvoraussetzung. Weit gefehlt, Fürth beweist das Gegenteil.

Beim Aufsteiger leitet Helmut Hack die Geschicke. Er ist Präsident und Manager in Personalunion. Und das obwohl mit Alfred Hörtnagl im November 2011 ein erwiesener Fachmann kam, der fünf Jahre bei Österreichs Rekordmeister Rapid Wien diesen Posten bekleidete. "Ich habe ihn nicht dafür geholt, er hätte sich dahin entwickeln können", so Hack in der "Bild".

Erst vergangene Woche beendete man die "fruchtbare Zusammenarbeit" mit Hörtnagl, der Klub-Homepage zufolge auf dessen eigenen Wunsch. Erstaunlich, dass die Betreuer in Augsburg und Fürth nicht angezweifelt werden.

Die Zukunft: Rollmann erklärte am Sonntag: "Markus hat die volle Rückendeckung. Er ist ein armer Hund in den letzten Wochen, denn wir haben große Personalsorgen." Ob man mit Weinzierl über das Jahr hinaus plant, bleibt fraglich. Dass der Turnaround funktionieren kann, war in der Vorsaison beim SC Freiburg zu bestaunen. Als Schlusslicht überwintert, pflügte man mit Neu-Trainer Christian Streich durch die Niederungen. Bis auf Rang elf.

Jedenfalls kündigte Rollmann an, den Laden kräftig umzukrempeln: "Wir werden uns im Winter neu aufstellen und den Kader optimieren. Wir bleiben in unserem Rahmen und machen keine finanziellen Abenteuer, aber es gibt genügend Spieler, für die wir attraktiver sind als der derzeitige Arbeitgeber." Die Kandidaten habe man ausgesucht, in den nächsten Wochen sollen die ersten Vollzugsmeldungen folgen. Man darf gespannt sein.

Aus Fürth vernimmt man weniger Konkretes. "Selbst wenn uns kaum einer den Klassenerhalt zutraut, schweißt uns das nochmal enger zusammen", beschwört Büskens das Wir-Gefühl: "Wir werden bis zum letzten Atemzug alles geben." Ob das wirklich ausreicht?

Aufschluss darüber, welche Richtung das Keller-Duo einschlägt, wird bereits der Samstag geben. In Fürth gastiert Augsburg dann zum Krisengipfel. Bei einer Pleite könnte der Rückstand zum ersten Nicht-Abstiegsplatz auf 13 Punkte anwachsen. Und Fürth oder Augsburg im Abstiegssumpf untergehen...

Der 17. Spieltag in der Übersicht

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