Abgerechnet wird ganz nebenbei

Von Oliver Wittenburg
Felix Magath verzichtet trotz fieser Lichtverhältnisse auf seine trendige Sonnenbrille
© Getty

Die Bundesliga hat eine wilde Woche hinter sich. Wie geht es jetzt weiter in München, auf Schalke und in Hamburg? Und was ist eigentlich mit Borussia Dortmund los? Die AL liefert wie immer schlüssige Antworten und erklärt nebenbei, warum Charlie Sheen hier keine Rolle spielt.

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1. Präambel: Jeder blamiert sich so gut er kann. Die einen weniger, die anderen mehr, doch jeder gibt sein Bestes. Krisen gibt es in der Liga wie in jeder Saison genug, doch aktuell finden wir eine neue Qualität vor: Abgerechnet wird mittendrin oder mal so nebenbei. Man hinterlässt keine verbrannte Erde mehr, sondern fackelt den ganzen Laden gründlich ab, während man noch drin ist. Klingt doof? Ist es auch. Da werden Trainer demontiert und enteiert, oder schmeißen selbst die Brocken hin. Und dann sagt man 'danke für die Aufmerksamkeit' oder gar nichts mehr und wendet sich wieder der Tagesordnung zu. Sportlich gesehen haben Schalke und die Bayern den Transfer vom Schlachtfeld auf den Rasen prima hingekriegt. Der HSV ist voll auf die Schnauze geflogen, wenngleich die Fallhöhe gering war.

2. Münchner Befindlichkeiten, Teil 1: Warum van Gaal bei den Bayern gehen muss, ist jetzt allen klar. Karl-Heinz Rummenigge hat's ja erklärt. Vier Minuten lang. Strategische Ausrichtung und so. Differenzen. Er wirkte zwar etwas zerstreut und irgendwie außer Atem und überhaupt sehr unkillerkallelike, aber die Botschaft war unmissverständlich: Wir haben zwar keinen Plan, aber dieser Kerl passt uns nicht. Die Frage ist jetzt ja: Was für einen Trainer wollt Ihr denn? Er soll was darstellen, aber nicht zu sehr sich selbst. Er soll möglichst jedes Spiel gewinnen, aber auch wunderschönen, zeitgemäßen Fußball spielen lassen. Er soll die jungen Spieler fördern, neue Talente heranführen, die Superstars zu nehmen wissen und Glanz und Gloria über den Klub bringen. Und: Er darf sich auf keinen Fall mit einem der Klub-Bonzen anlegen. Bleibt ja fast nur Heynckes.

3. Münchner Befindlichkeiten, Teil 2: Eine kleine Hörprobe aus der Allianz Arena am Samstagnachmittag: "Vorstand raus, Vorstand raus!" 1:0. Torjubel. "Ole, ole!" "Wir ham die Schnauze voll, wir ham die Schnauze voll." 2:0. "Ole, ole." "Wir sind die wahren Münchner!" 3:0. "So ein Tag,... ole, ole!" "Neuer, du Arschloch!" 4:0. "Ole, ole!" Und immer so weiter.

4. Hamburgs B-Liste: Was das Strategische angeht, ist der HSV auch nicht unbedingt optimal ausgerichtet. Doch bald wird's besser. Denn jetzt übernimmt ja Wunschkandidat Michael Oenning das Ruder! Bis 2012 soll er Cheftrainer sein. Zumindest am Montagvormittag. Am Abend sieht's da freilich wieder ganz anders aus. Dennoch: Hier die Empfehlungen der AL für den Fall, dass das mit dem Neuen ("Ich bin ja nicht blauäugig") schiefgehen sollte: Ernst Middendorp ("Wir bringen uns gegenseitig in Schwierigkeiten, das ist die wahre Wonne"), Werner Lorant ("Die Spieler sollen rennen und das Maul halten") und Rudi Gutendorf ("Auf Fidschi musste ich einen Zaubertrank aus Wurzeln mittrinken, hatte tagelang Dünnpfiff"). Zu Guttenberg liebäugelt übrigens angeblich mit der Hoffmann-Nachfolge. Soll eine sehr beeindruckende Bewerbungsmappe haben.

5. Einfach genial: Es ist nun wirklich ungerecht, wie überall auf Clemens Tönnies eingedroschen wird. Der Mann ist Unternehmer und als solcher liegt ihm nur das Beste für Schalke am Herzen. Ihn jetzt überall als Dilettanten hinzustellen und die Fleischwolf-Metapher überzustrapazieren, grenzt an Niedertracht. Nein, Tönnies hat sich das alles wohl überlegt und die Rechnung ist so einfach, dass nur ER überhaupt darauf kommen konnte: Rehhagel + Charisteas = Champions-League-Sieg. Darüber schon mal nachgedacht?

6. Rost: Der Man-of-the-Weekend-Award geht natürlich an Frank Rost. Das Eier-Interview war erste Sahne und man muss schon ein ganz Mieser sein, wenn man dem Mann eine Profilneurose unterstellen wollte und etwa behaupten würde: Der pflegt doch nur sein Image als unbequemer und mündiger Profi mit Ecken und Kanten und Schnick und Schnack und ist gar nicht besser als die, denen er vermeintlich den Spiegel vorhält. Selber Egoist, der! Das sollte man nicht tun.

7. Wer denkt sich sowas aus? Rauls Schleichangriff auf Eintracht-Tollpatsch Fährmann hätte locker gereicht, um als Story des Spiels auf Schalke durchzugehen. Doch das war zu billig, also hufte der "andere Grieche" (Manuel Neuer), also Frankfurts Tzavellas, einen Ball aus 73 Metern ins Tor. Da aber 1:1, wie immer es auch zustande gekommen sein mag, kein Ergebnis ist, schickte Magath, der mit dem Rehhakles-Schwert über dem Haupt, Angelos Charisteas zurück ins irdische Dasein und der setzte mit seinem dritten Ballkontakt seit dem EM-Finale 2004, dem 2:1 für Schalke, die Pointe der Saison.

8. Schulterblick: Die AL hat freilich auch einen pädagogischen Auftrag. Heute: Verkehrserziehung. Jeder Fahrschüler kennt den Schulterblick. Umgucken! Toter Winkel. Hallo! Gefahr! Nachzulesen in der deutschen Straßenverkehrsordnung (STVO), irgendwo um §9 rum. Wie man's nicht macht, haben der Mainzer Svensson und Frankfurts Fährmann gezeigt. Müssen natürlich mental Manta fahren, Ellbogen aus dem Fenster, der Fuchsschwanz flattert lässig im Wind und - BATSCH!

9. Haltung bewahren: Frankfurt hat ja vieles nicht. Zum Beispiel kein Meer und keine Berge. Tore und Punkte hat man auch nicht genug, dafür aber immerhin einen Boss, der das Zeug zur Stilikone hätte, wenn er es darauf anlegen würde. Die AL sagt ja zu Heribert Bruchhagen. Der Mann bewahrt Haltung, auch wenn der Eintracht das Wasser bis zum Hals steht und - vor allem - behauptet nicht heute genau das Gegenteil von dem, was er sich gestern noch auf die Fahnen geschrieben hat.

10. Dranbleiben, Bayer! Wohl zuviel Metylan geschnüffelt? Der BVB wird schon noch merken, was er davon hat, so verantwortungslos schludrig mit seinem Vorsprung umzugehen. Leverkusen lauert, Leverkusen hat Blut geleckt und Leverkusen hat sich Ballack fürs große Finale aufgehoben. Seit Beginn der Rückrunde knabbert und nagt Bayer am Punkte- und Torepolster des BVB wie ein Marder am Bremsschlauch. Mit Erfolg, wie die Auswertung aktueller Daten ergeben hat: Einen Punkt und ein Tor hat Leverkusen förmlich im Handstreich getilgt. Zack! Das ist alarmierend! Wenn das so weitergeht, dann ist der Vorsprung am 107. Spieltag weg, liebe Dortmunder. Wir haben Euch gewarnt.

11. Wer zu spät kommt: Eigentlich sollte Charlie Sheen eine tragende Rolle in der AL spielen. Denn wer sonst könnte der Liga in dieser misslichen Lage noch weiterhelfen? Doch weil der Gute schon einen Gastauftritt in Voegis Liga-Lehren und in der "Welt" hatte, haben wir drauf verzichtet.

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