Zwischen Sinn und Sinsheim

Von Max-Jacob Ost
Egal wohin Ralf Rangnick derzeit spricht, immer steckt ihm ein Mikrofon vor der Nase. Schlimm!
© Getty

Wir empfehlen, diese Alternative Liste bei Kerzenschein zu lesen. Denn es wird romantisch. Zum Valentinstag gibt es eine Sonderedition. Mit viel Liebe, etwas Ralf Rangnick und dem Ozonloch des deutschen Fußballs.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Hach ja. Valentinstag. Der Tag, an dem die Herzen höher schlagen. Bei den vergebenen Doppel-X-Chromosonenträgern ebenso wie bei der Grußkarten- und Blumenindustrie. Nicht einmal Sauron könnte an diesem Tag böse sein. Und wer würde sich nicht über einen Ring aus seiner Hand freuen? Doch wir schweifen ab.

Was wir eigentlich sagen wollten: Niemand kann sich diesem Tag entziehen. Und da sich der Hormonhaushalt dieser Alternativen Liste ungefähr mit dem einer Entenmutter kurz nach erfolgreicher Brutzeit deckt, müsst Ihr Bad-Boys und "Bayern_hater_hater_hater_hater" da draußen verstehen, dass wir heute einfach nicht böse sein können. Wirklich. Es geht nicht. Also gibt es eine Sonderedition. Ohne Häme, aber mit viel Herz...

1. And I owe it all to you, Dieter: Julian Schieber. Der Friedhelm Funkel der aktiven Profis. Also barttechnisch jetzt. Ein toller Typ! Schießt den Club fast alleine zum Klassenerhalt. Ja: DEN Club. Den Depp. Um das zu verdeutlichen: Das ist, als würde man Oliver Pocher zu Roger Willemsen make-overn. Einfach Wahnsinn. Und dabei ist der Julian wie die Frauen von Lothar Matthäus - nur geliehen. Tolle Sache das. Kann man dem Club nur zu gratulieren. Und dem Julian natürlich auch. Wird er bestimmt noch oft dran zurückdenken, an die schönen Tage gerade. An eine Saison, in der er mit Christian "one shot within a thousand" Eigler trainieren durfte. Wenn er dann erstmal Montagabend bei minus sechs Grad in Aue feststeckt. Und er sich beim Warmlaufen vorstellt, wie zwischen den Zuschauern plötzlich Dieter Hecking auftaucht. In enger Karottenjeans und mit frivol-wilder Fönfrisur. Ihn bei der Hüfte packt, in die Höhe reckt und zusammen mit ihm singt: "'Cause I. Had. The time of my liiife..."

2. You. Are. So. Beautiful...: Mario Gomez. Er sorgte eindeutig für die Highlights des Spieltags. Also frisurentechnisch jetzt. Mario G. - der Mann, mit dem wir alle so ungerecht verfahren sind. Was haben wir in der Alternativen Liste Witze über ihn gemacht. Und nun? Siebzehn Buden. Anführer der Torschützenliste. Rumms!

Klar, sein Torjubel sieht immer noch aus, als würde er das frustrierende Frisbee-Turnier einer Mädchen-Grundschule imitieren. Und ja, seine engsten Verfolger sind mit Papiss Cissé und Fannyfrisch Gekas zwei Spieler, die vermutlich noch von blinden Hühnern ausgelacht würden. Trotzdem. Es ist Valentinstag. Deshalb: Sorry, lieber Mario. Bist anscheinend doch ein mittelsemiüberdurchnittlicher Kicker der oberen unteren Mittelklasse. Und deine neue Frisur? Ist zwar von 'N Sync geklaut, aber irgendwie doch ganz fesch. Also: Weiter so und Ihr werdet den Mailändern zeigen, wo der Lockenstab hängt, ganz sicher!

3. Let's talk about Ralf: Ralle Rangnick. Vielleicht die heißeste Trainerliebe der Alternativen Liste - nach Christoph Daum. Also pointentechnisch jetzt. Sein Schicksal liest sich wie ein Trailer zum neuen ARD-Sechzehnteiler "Die weiblichen Buddenbrooks" (In der Hauptrolle: Armin Müller-Stahl als Tony Buddenbrook, Bethsy Kröger und als weibliche Erzählerin). Denn seine Trennung von Hoffenheim faszinierte ein Millionenpublikum. Rangnick und die Champions League? Eine Liebe, die nicht sein durfte. Statt einer erfüllten Landliebe: Tränen und Tragödien. Ein Leben zwischen Sinn und Sinsheim.

Wer fragte sich nicht: Was wird nun aus dem Professor für Viererketten und Schirischelte? Die beruhigende Antwort lieferte das Spiel zwischen Bayern und Hoffenheim: Denn dort stand er in der Halbzeitpause nicht nur "SKY", sondern auch "LigaTotal!" Rede und Antwort. Gekrönt wurde das Ganze noch von einem Auftritt bei "Sky90". Schau genau hin, lieber Lothar: So bringt man sich richtig ins Gespräch! Schön zu sehen, dass es Ralf wieder gut geht. Was uns aber Sorge macht, ist die "International Edition" dieses Mikrofon-Hoppings: "Ich habe mal angefangen, Spanisch zu lernen und möchte das bis zum Sommer fortführen", sagte Rangnick bei "SKY". Heißt das, er will sich von uns trennen? Schokolade her, schnell!

4. So schön, schön war die Zeit: Manuel Gräfe. Der Bastian Pastewka der Bundesliga-Schiedsrichter. Hat sich den Platz in dieser Liebesausgabe der Alternativen Liste eindeutig verdient. Denn wer die Bundesliga-Partie zwischen Stuttgart und Nürnberg beim Stand von 1:4 schon nach 89 Minuten und 52 Sekunden abpfeift - der muss ein großes Herz haben. Wer weiß, wie viele Tore die Stuttgarter in den verbliebenen acht Sekunden noch gefangen hätten? Vorsichtige Schätzungen, die sich am Bobicschen Phrasenkoeffizienten nach Spielschluss orientieren, kommen zu dem Ergebnis: Zwischen zehn und unendlich. Der VfB sollte Gräfe also danken. Vielleicht mit einem "Niemals 2. Liga"-Schal? Der dürfte in einigen Monaten ja immerhin so einiges wert sein. Als einziges Exemplar Deutschlands ohne Kokelspuren.

5. (Everything I do) I do it for you: Felix Magath. Der einzige Bundesligatrainer, der für seine Brillen eine Carglass-Versicherung abgeschlossen hat. Ein weiterer Liebling in dieser Ausgabe. Denn mit wie viel Herz sich der Felix in seine Aufgaben als Manager, Trainer, Sportchef, Klofrau und Fanbeauftragter wirft, ist wirklich vorbildlich. Hat sich jetzt sogar in dieses Internet gewagt. Bei Facebook. Mit einem Video, das nur so sprüht vor Begeisterung für dieses neue Medium. Ungefähr so, als hätte man Axel Kruse im rosa Tutu ein Werbevideo für den Ballettunterricht drehen lassen. Aber gut, es zählt, was hinten raus kommt. Und bei Facebook sind das die Fans. Davon hat der Felix jetzt schon fast 100.000. Was immerhin rund 0,004 Prozent der Fans sind, die Justin Bieber dort hat. Ja, das ist witzig, ihr Dortmundfans, die ihr gerade lacht. Vor allem, weil es auch 3500 Prozent mehr Fans sind als die Fanbeauftragten des BVB bei Facebook haben. Und die sind ja die direkte Konkurrenz, gegen die Felix mit seiner Ein-Mann-Band "Los cincos Magathos" angetreten ist.

6. Stand by me: Matthias Lehmann und Srdjan Lakic. Ein Liebespaar wie Vanilleeis und heiße Himbeeren. Wo diese Liebenden hin fallen, wächst kein Gras mehr. Denn beide wissen: In einer guten Beziehung muss man sich auch einfach mal fallen lassen können. Und das findet die Alternative Liste auch. Denn sich fallen zu lassen, hat ja immer auch mit Vertrauen zu tun. In diesem Fall eben Vertrauen in den Schiedsrichter. Oder wie Matze Lehmann es nach dem Platzverweis für seinen Gegenspieler so romantisch flötete: "De Camargo hat mich berührt, ganz klar. Natürlich bleibe ich nicht stehen. Ich wäre dumm, wenn ich so ein Geschenk nicht annehmen würde."

7. Love hurts: Neven Subotic. Der Meat Loaf unter den Bundesligaspielern. He would do anything for love. Aber er würde sich niemals fallen lassen wie ein nasser Sandsack, der vor einem Welpen in Lauerstellung geht. So wie sein Gegenspieler Lakic eben. Wie beschrieb es Subotic nach Spielschluss so schön?

"Er schmeißt sich in mich rein und fällt dann zu Boden. Lächerlich von ihm. Das hat mit Sport nichts zu tun. Ich dachte, wir sind alle Vorbilder für Kinder und sollen Fair-Play nicht nur am Arm tragen, sondern auch leben und auf dem Platz zeigen. Erstmal erwarte ich, dass er nicht so hinfällt, als ob ich ihm mit einer Waffe ins Bein geschossen hätte. Zweites erwarte ich, dass der Schiedsrichter so was sieht und die Schwalbe pfeift."

Es ist traurig, aber ein bisschen ist der Valentinstag auch immer der Tag der gebrochenen Herzen. Wir sagen: Kopf hoch, Neven! Wenn es Dein Trainer gut mir Dir meint, schenkt er Dir ein bisschen Schokolade, ein warmes Spülbad und einen Ausdruck der aktuellen Tabelle...

8. Here without you: Matsch. Nicht nur bei Woodstock-Besuchern als "Kleister der Liebe" bekannt und damit vollkommen zu Recht in dieser rosaroten Gefühls-AL. Auch in der Bundesliga erfreut sich das Prekariats-Grün immer größerer Beliebtheit. Denn das was man so snobistisch "Rasen" nennt, wird eindeutig überschätzt. Oder wie soll man es anders interpretieren, dass bei St. Pauli und Schalke lieber auf einem Untergrund gespielt wird, der selbst für ein Stock Car Rennen zu schlecht wäre? In Bezug auf Schalke weniger erstaunlich - was soll man von einer Mannschaft erwarten, deren Tradition in weiten Teilen unter Tage liegt (nein, damit ist nicht der Trophäenschrank gemeint). In Bezug auf die Platzverhältnisse in Hamburg überrascht das allerdings wirklich. Denn wenn man den Fans von St. Pauli glaubt, hat es dort schon seit Wochen nicht mehr geregnet!

9. I want to hold your hand: Michael Ballack. Wäre Michael Ballack Dumbo der Elefant, würde er seine Ohren derzeit ständig hinter sich auf dem Boden schleifen lassen. Seit Erfindung des Strohhalms war niemand mehr so geknickt wie der einstige Capitano. Am Wochenende durfte er die Bundesliga wieder nur 90 Minuten von der Bank aus beobachten. Und das in Frankfurt. Bei einem Verein also, der in der Rückrunde ungefähr so gefährlich ist wie eine Bachblütentherapie bei Rainer Langhans. Die AL sagt: So geht es nicht weiter, Herr Heynckes! Lassen Sie den Michi wenigstens bei der zweiten Mannschaft spielen. Vielleicht schafft man dann den Aufstieg und er kann wieder gegen Unterhaching ran!

10. When a Man loves a VW-Club: Die Fans des VfL Wolfsburg. Für viele Beobachter sind sie das Ozonloch des Fußballs. Immer wieder wird berichtet, dass es existiert. Aber hat es einer von Euch mal mit eigenen Augen gesehen? Wenigstens gehören diese Zweifel nun endlich der Vergangenheit an. Denn im vierzehnten Bundesligajahr lässt sich sagen: Die VfL-Fans sind endlich in der Ersten Liga angekommen. Denn wie war die Hütte gegen den HSV? Ausverkauft. Was wurde gemacht, als sich die Mannschaft in Rückstand liegend schwer tat? Gepfiffen. Und was kam kurz danach endlich? "Hoeneß raus! Hoeneß raus!" Und das, obwohl der Gute nicht mal im Stadion anwesend war. Die Alternative Liste findet das prima und sagt: Herzlich willkommen, Ihr Wolfsburg-Fans! In unserem Herzen ist noch Platz für Euch. Für alle drei.

11. Up where we belong: Julian Schieber. Der Räuber Hotzenplotz der Bundesligaprofis. Barttechnisch. Den hatten wir schon mal, richtig. Aber manchmal muss man so eine Alternative Liste auf Teufel komm raus rund machen. Erst recht eine so romantische Ausgabe. Kommen wir also noch einmal zurück zum Julian. Über den sagt sein ehemaliger Vorgänger Mario Gomez ja, er wäre ein Typ wie Rooney. Und seit dieser Aussage sind sämtliche Sportjournalisten im Rotlichtmilieu Nürnbergs unterwegs und fragen nach Autogrammkarten wie jener legendären von Wayne himself: "Für Charlotte, ich habe dich am 28. Dezember gevögelt. Alles Liebe, Wayne Rooney." Denn anders kann das der liebe Mario mit der Ähnlichkeit zu Rooney ja wohl nicht gemeint haben. Von Toren wie dem 2:1 Rooneys gegen Man City, ist Little Wayne Schieber nämlich dann doch noch ein Stückchen entfernt. Und doch passt es so wunderbar in diese Liste. Denn was ist eine Liebeserklärung an den Fußball, wenn nicht das: What the world needs now...

Der 21. Spieltag im Überblick

Artikel und Videos zum Thema