Rafinha schwänzt Abfahrt ins Trainingslager

SID
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© Getty

Düsseldorf - Im seit Tagen andauernden Streit um die Abstellung von Bundesliga-Profis am olympischen Fußball-Turnier hat der Brasilianer Rafinha für eine Eskalation gesorgt.

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Der Schalker Rechtsverteidiger fehlte am Montagmorgen bei der Abfahrt seines Klubs ins Trainingslager nach Österreich, um mit der brasilianischen Olympia-Auswahl an diesem Dienstag Richtung Peking zu reisen. Der FC Schalke 04 hatte dem vom Verband angeforderten Rafinha keine Freigabe erteilt.

"Wir werden jetzt gemeinsam mit DFB und DFL überlegen, wie wir damit umgehen. Es ist zum ersten Mal vorgekommen, dass ein Spieler eigenmächtig eine Entscheidung gegen die Forderung des Klubs fällt", sagte Schalkes Manager Andreas Müller.

Rafinha stützt sich auf Rogge 

"Ich kann verstehen, dass er den Traum hat, bei Olympia zu spielen, doch die Interessen des Vereins stehen nun mal im Vordergrund", stellte Müller klar. Rafinha steht ebenso wie seine Bundesliga-Kollegen Diego (Werder Bremen) und Breno (Bayern München) im Aufgebot der Brasilianer, nur der Bayern-Spieler aber hat eine Freigabe.

Rafinha, der betonte, die Olympischen Spiele seien für ihn und sein Land sehr wichtig, stützt sich bei seiner eigenmächtigen Handlung auf die Aussagen von IOC-Chef Jacques Rogge, der von einer Abstellungspflicht sprach und den Klubs bei verweigerter Freigabe sogar mit Sperren für die Spieler drohte.

Keine Abstellungspflicht

Dem widersprechen jedoch die nationalen Fachverbände und auch der Weltverband. FIFA-Generalsekretär Jerome Valcke sorgte am Sonntag im Telefonat mit dem Generalsekretär des DFB, Wolfgang Niersbach, für Klarheit.

"Es besteht keine Verpflichtung, Spieler abzustellen, egal ob unter oder über 23 Jahre", teilte Niersbach der "Sport-Bild" mit.

Holger Hieronymus, Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga (DFL), will nun sogar prüfen lassen, ob man Spieler, die ohne Zustimmung ihrer Vereine nach Peking reisen, für das olympische Turnier sperren lassen kann.

Verantwortlich für den Zickzackkurs ist vor allem die FIFA, deren Statuten für das Fußball-Turnier bei den Olympischen Spielen keine Abstellungspflicht vorsehen.

"Wir hätten uns von der FIFA eine einheitliche Sprachregelung gewünscht, damit diese Diskussion um Abstellungspflicht gar nicht erst aufkommt", befand Schalkes Manager Müller.

"Gewohnheitsrecht" als Grundlage für Forderung

Der Weltverband hat natürlich kein großes Interesse daran, dass ein mit Stars gespicktes Olympia-Fußballturnier in Konkurrenz zu den alle vier Jahre stattfindenden Weltmeisterschaften tritt.
Dennoch hatte FIFA-Sprecher Alain Leiblang auf Anfrage erklärt: "Wir haben die Vereine informiert, dass sie die Spieler abstellen müssen." Dies sei den Klubs schriftlich zugestellt worden.

Den Eingang des Schreibens bestätigte zwar auch Bayer Leverkusens Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser. Es sei an "das Gewohnheitsrecht erinnert und keineswegs von Abstellungspflicht gesprochen", sagte Holzhäuser, dessen Klub mit dem Ivorer Constant Djakpa auch einen angeforderten Spieler in den Reihen hat.

Doch am Montag einigten sich Klub und Akteur auf Djakpas Olympia-Startverzicht. Dagegen erteilte Bundesliga-Aufsteiger 1899 Hoffenheim seinem Torjäger Chinedu Obasi nach langem Hin und Her die Freigabe für Peking - unter Auflagen.

Hertha BSC hingegen bleibt beim klaren Nein für Marko Pantelic (29). Der Serbe sollte einen der drei für über 23 Jahre alte Spieler im Olympia-Team einnehmen, erhält aber keine Freigabe.

Noch offen ist, wie sich Bremens Mittelfeldstar Diego verhält. Er ist vom Klub nicht freigestellt. Geschäftsführer Klaus Allofs rechnet allerdings nicht damit, dass Diego wie Rafinha eigenmächtig zu seinem Olympia-Team reist. Allofs: "Ich befürchte nicht, dass das passiert."

Lucio zeigt Verständnis

Der brasilianische Nationalspieler Lucio hat Verständnis für seine Landsleute Rafinha und Diego geäußert, die unbedingt zu den Olympischen Spielen wollen. "Es ist sehr wichtig für einen Spieler bei Olympia teilzunehmen. Das sollte der Verein verstehen", sagte der Abwehrchef des FC Bayern in München.

Die Olympia-Teilnahme sei auch für die Fortentwicklung eines Spielers wichtig.

Was macht Werders Diego?

Am Montagabend trifft sich das brasilianische Olympia-Team in Paris, um von dort aus zur Vorbereitung auf das Turnier in Peking nach Singapur zu fliegen. Nach SPOX-Informationen wird dann auch Werder Bremens Mittelfeld-Star Diego im Flugzeug sitzen.

Er habe das Ticket bereits in der Tasche, sagte Diegos Berater Leonardo Scheinkman gegenüber SPOX.com.

"Diego hat sich noch mal mit den Bremer Verantwortlichen getroffen. Und unter Umständen scheint Manager Klaus Allofs bereit zu akzeptieren, dass er nach Peking fährt", so Scheinkman. Allofs selbst jedoch betonte am Sonntag: "Wir bleiben bei unserem Nein."

Kehrtwende der FIFA: Keine Abstellungspflicht

Allerdings: "Letzten Endes kann Werder nichts dagegen tun", so der Berater weiter. Ob Bremen den Spieler freistellen muss, ist vom rechtlichen Standpunkt aus jedoch weiter nicht definitiv geklärt. Mittlerweile gibt es eine verwirrende Fülle von unterschiedlichen und sich widersprechenden Äußerungen diverser Offizieller.

Droht den Spielern eine Sperre? Der DFB bemüht sich um Aufklärung.

Erst am Sonntagabend stellte die FIFA durch Generalsekretär Jerome Valcke klar, dass "keine Verpflichtung besteht, Spieler abzustellen, egal ob unter oder über 23 Jahre". Dies habe ihm der Franzose telefonisch mitgeteilt, sagte DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach der "Sport Bild".

In den Tagen zuvor noch hatten sowohl IOC-Präsident Jaques Rogge als auch die FIFA wiederholt mit Sperren gedroht, sollten die Vereine Spieler unter 23 nicht freistellen.

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