Nach einigen schlechten Jahren wollten die Detroit Pistons in der letzten Saison endlich wieder um die Playoffs mitspielen - und wurden herbe enttäuscht. Die Neuzugänge brachten nicht den gewünschten Effekt, stattdessen stand man sich gegenseitig im Weg und von Harmonie war weit und breit keine Spur. Unter dem neuen starken Mann Stan van Gundy soll nun alles anders werden. Im Sommer wurden die ersten Schritte gemacht, auch wenn bezüglich der Zukunft von Greg Monroe weiterhin Unsicherheit herrscht.
Es war ein Mittwoch im Sommer 2009. Der 8. Juli, um genau zu sein. Mit Stolz gab man in Detroit die Verpflichtungen von Ben Gordon und Charlie Villanueva bekannt. Beide wurden mit üppigen Fünfjahresverträgen ausgestattet, es sollte der Beginn einer neuen Ära bei den Pistons werden, in der man an die Erfolge der ersten Jahre nach dem Millennium anknüpfen wollte.
Doch alles kam ganz anders. Die folgende Saison 09/10 war eine herbe Enttäuschung. Nur 27 Siege fuhr das Team ein, dabei war doch eigentlich ein tiefer Playoff-Run angepeilt. Gordon wurde nach drei Spielzeiten und einigen Verletzungen zu den Bobcats verschifft, Charlie V startete in Detroit nur insgesamt 27 Partien, sein Beitrag zum Spiel des Pistons wurde von Jahr zu Jahr geringer. So gewann die Franchise aus Motor City viermal in Serie lediglich 30 Spiele oder weniger, zwei Coaches wurden in diesem Zeitraum in die Wüste geschickt.
Und täglich grüßt das Murmeltier
Es war ein Mittwoch im Sommer 2013. Der 10 Juli, um genau zu sein. Mit Stolz gab man in Detroit die Verpflichtung von Josh Smith und wenige Tage später den Sign-and-Trade-Deal um Brandon Jennings bekannt. Endlich sollten die entscheidenden Puzzleteile gefunden worden sein, um wieder in die Postseason einzuziehen. Was folgte ist bekannt: eine Saison mit 29 Siegen.
Erneut hatte man im Front Office eine zweifelhafte Entscheidung getroffen: Statt auf die jungen Hoffnungsträger Andre Drummond und Greg Monroe zu setzen, erschuf man durch die Verpflichtung von J-Smoove ein dreiköpfiges Monster, das sich selbst eher Raum nahm, als Gegner einzuschüchtern.
Auch Jennings konnte die Erwartungen nicht erfüllen, traf beispielsweise lediglich 37,7 Prozent seiner Würfe aus dem Feld. Von allen Spielern, die mehr als sechsmal pro Partie auf den Korb warfen, war dies ligaweit die schlechteste Quote - und Jennings nahm richtig viele Würfe (im Schnitt 14,2).
Coach Maurice Cheeks gelang es nicht, aus dem Team eine Einheit zu formen. Jennings und J-Smoove waren sich - ebenso wie manch andere Spieler - nicht immer grün, von Harmonie war man weit entfernt. Im Februar musste Cheeks seinen Hut nehmen, bis zum Saisonende übernahm John Loyer an der Seitenlinie.
Wo geht es nach oben?
Nun, in der Saison 2014/2015, soll endlich alles anders laufen, da waren sich die Verantwortlichen in Detroit zu Beginn der Offseason einig. Omnipräsentes Thema war die Zukunft von Restricted Free Agent Greg Monroe, dessen Rookie-Vertrag ausgelaufen war.
Aufgrund der starken Leistungen Monroes (15,2 Punkte, 9,3 Rebounds im Schnitt) ging man davon aus, dass Detroit jedes Angebot matchen würde. Das Problem: Es gab keins. Damit war der Plan der Pistons, sich die Vertragsverhandlungen zu sparen und Monroe für weitere vier Jahre zu verpflichten, hinfällig.
LeBron als Hindernis
Die Aktionen auf dem Free-Agent-Markt waren von LeBron James und Carmelo Anthony abhängig. Vorher wollte sich keine Franchise mit genügend Cap Space der Möglichkeit berauben, einen der richtig dicken Fische an Land zu ziehen. Zudem waren mit Chris Bosh und Pau Gasol zwei weitere, talentierte Big Men zu haben.
Medienberichten zufolge hielt Monroes Management - speziell sein einflussreicher Agent David Falk - andere Teams davon ab, dem 24-Jährigen ein Offer Sheet vorzulegen. Er wollte verhindern, dass Detroit Monroe weiterhin an sich binden konnte. Denn eines war klar: Der Power Forward war in Motor City sichtlich unzufrieden und wollte sein neues Team selbst wählen. Vier schlechte Jahre mit fünf verschiedenen Coaches waren einfach zu viel. Auch ein Max-Deal hätte Monroe laut "USA Today" nicht von einem Verbleib überzeugen können.
Monroe bleibt - vorerst
In der Folge gab es Gerüchte über Sign-and-Trade-Szenarien, aber da kein Deal zustande kam, entschied sich Monroe, das Qualifying Offer der Pistons zu unterschreiben. Maximal eine Saison spielt er nun noch in Detroit, wird nächsten Sommer zum Unrestricted Free Agent. Die Betonung liegt hierbei auf maximal, denn es ist nicht ausgeschlossen, dass Monroe die Spielzeit in einem anderen Jersey beendet.
Bis zum 19. Februar haben die Pistons nämlich Zeit, einen Deal einzufädeln, um den 24-Jährigen nicht ohne Gegenwert zu verlieren - vorausgesetzt, es findet sich ein Team, das an einer Verpflichtung des Power Forwards interessiert ist und hofft, ihn in der Free Agency zu einem Verbleib bewegen zu können.
Nun ist Monroe jedoch nicht Detroits einziger zur Disposition stehender Big Man. Im Zuge der Monroe-Verhandlungen boten die Pistons auch Josh Smith mehreren Teams an, wohl wissend, dass man nicht mit beiden Spielern für die Zukunft planen kann. Am weitesten fortgeschritten waren die Gespräche mit den Sacramento Kings, eine Einigung konnte aber nicht erzielt werden.
Seite 2: Neuausrichtung und ein schmerzvoller Abschied
Der neue starke Mann
Es war ein Mittwoch im Frühling 2014. Der 14. Mai, um genau zu sein. Mit Stolz gab man in Detroit die Verpflichtung von Stan van Gundy als Head Coach und President of Basketball Operations bekannt - die wichtigste Personalentscheidung der Offseason.
Ein wirklich guter Move, der Detroit in den nächsten fünf Jahren zwar 35. Mio. Dollar kostet, aber nur das Portemonnaie von Besitzer Tom Gores belastet, da die Gehälter der Coaches bekanntlich nicht für den Salary Cap relevant sind. Nach 14 Jahren wurde zudem der Vertrag mit GM Joe Dumars nicht verlängert. An seine Stelle tritt Jeff Bower, der von 2001 bis 2003 und von 2005 bis 2010 die Geschicke in New Orleans leitete.
Zwar ist SVG eine der exklusiveren Persönlichkeiten des Coaching Business, aber ein wenig Extravaganz steht den Jungs aus Motor City gut zu Gesicht. Vielleicht auch dann, wenn man für Free Agents attraktiver werden will. Zudem bringt van Gundy gute Referenzen mit: In Miami und Orlando gewann er knapp zwei Drittel seiner Spiele als Coach.
Vermutlich auch nicht geschadet haben wird die Tatsache, dass SVG bereits mit Dwight Howard und Shaquille O'Neal gearbeitet hat - schließlich erhofft man sich von Andre Drummond eine ähnliche Entwicklung.
Ein Talent für die Zukunft
Als eine der ersten Amtshandlungen wählte van Gundy im Draft Combo-Guard Spencer Dinwiddie an 38. Stelle. Eine Entscheidung für die Zukunft, denn der 21-Jährige riss sich im Januar das Kreuzband und wird mindestens den ersten Teil der Saison verpassen. So fiel Dinwiddie bis in die zweite Runde und könnte sich als Steal entpuppen - auch wenn Detroit vielleicht noch ein ganzes Jahr auf ihn warten muss.
Einige Deals der Offseason erwecken den Anschein, als bereiteten sich die Pistons bereits auf einen Umstrukturierung des Frontcourts respektive auf einen baldigen Abschied von Greg Monroe vor. Nach den Verpflichtungen von Caron Butler und Cartier Martin sitzen nun zusammen mit Kyle Singler und Luigi Datome vier nominelle Small Forwards hinter Smith auf der Bank.
J-Smoove hat im Sommer zudem noch einmal an Muskelmasse zugelegt, um mehr Minuten als Power Forward zu bekommen. "Ich bin bereit, jede Position zu spielen, die von mir verlangt wird", sagte er im Wissen um die Experimentierfreudigkeit van Gundys. Zudem wurde als Backup-Center Aaron Gray verpflichtet, der zuletzt bei den Sacramento Kings spielte.
Neuzugänge für das System
Abgesehen von der Situation im Frontcourt, die van Gundy von seinen Vorgängern geerbt hat, machte der neue starke Mann in seinen ersten Monaten einen soliden Job. Der Abgang von Rodney Stuckey zu den Indiana Pacers wurde mit der Verpflichtung von Jodie Meeks kompensiert, die durchaus als Upgrade betrachtet werden kann. Mit dem aufstrebenden Sophomore Kentavious Caldwell-Pope wird sich Meeks einen gesunden Konkurrenzkampf um den Job als Starting Shooting Guard liefern.
Bei den Los Angeles Lakers beeindruckte Meeks vergangene Saison vor allem mit seiner Treffsicherheit von Downtown (40,1 Prozent). Auf eine identische Quote kam D.J. Augustin bei den Chicago Bulls - auch er wird in dieser Saison das Pistons-Jersey tragen und hinter Brandon Jennings den Backup-Point-Guard geben. Beide Neuzugänge passen perfekt in das System von van Gundy, der auf gute Schützen und Präsenz in der Zone setzt.
Einzig die Tatsache, dass Meeks in den kommenden drei Jahren 20 Mio. Dollar und damit in diesem Jahr mehr als Monroe verdienen wird, ist für die Hackordnung im Team nicht optimal. Da in dieser Free Agency-Periode aber einige Franchises verhältnismäßig viel Geld in die Hand nehmen mussten um ihre Problemzonen zu beseitigen, ist die Summe wenigstens halbwegs zu akzeptieren.
Abschied von Mr. Big Shot
Die Feuerkraft von draußen wird in Detroit jedenfalls dringend benötigt. Vergangene Saison verwandelten die Pistons lediglich 32,1 Prozent ihrer Dreier und lagen damit auf Rang 29 aller NBA-Teams. Zumindest in dieser Hinsicht ist das Karriereende von Chauncey Billups keine allzu schlechte Nachricht. Der war nämlich längst nicht mehr so treffsicher wie zu seinen besten Zeiten (30,4 Prozent FG, 29,2 Prozent 3FG vergangene Saison) und plagte sich dazu immer wieder mit Verletzungen herum. Die Team Option für die kommende Saison nicht zu ziehen war deshalb aus sportlicher Sicht insgesamt die richtige Entscheidung.
Darüber hinaus wiegt der Abgang von "Mr. Big Shot" allerdings schwer. Er war einer dieser Locker-Room-Guys, die jedes Team braucht. Durch seine langjährige Erfahrung konnte er den jungen Spielern wertvolle Tipps geben, die Championship-Aura machte ihn für viele zudem zum Vorbild. Vielleicht bleibt der fünffache All-Star den Pistons in anderer Funktion erhalten: Im Front Office könnte er als Bindeglied zwischen erfolgreicher Vergangenheit und Zukunft fungieren.
Ein Mittwoch im Herbst 2014. Der 29. Oktober, um genau zu sein. Die Pistons eröffnen die Saison gegen die Denver Nuggets. Bald soll im Palace of Auburn Hills wieder ein Contender zu Hause sein. Die Entwicklung wird mit Sicherheit noch dauern, auch aufgrund der ungewissen Zukunft von Monroe. Aber der erste Schritt ist gemacht. Eine ausgeglichene Bilanz ist das Etappenziel, frei nach dem Motto: Es kann nur besser werden.
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