Vom Auftritt der Memphis Grizzlies in der Saison 2021/22 zeigte sich selbst Stephen Curry beeindruckt. Mit dem Überraschungsteam wird in Zukunft regelmäßig zu rechnen sein. Doch wie schaffen Ja Morant und Co. den nächsten Schritt zum Titelanwärter?
Wie ist die Saison der Memphis Grizzlies zu bewerten?
Über weite Strecken der Saison balgten sich die Chicago Bulls, Cleveland Cavaliers und Memphis Grizzlies in einem Dreikampf um den Status als größtes Überraschungsteam der Saison 2021/22. Letztlich geht dieser Titel aber ohne viel Diskussion an die 650.000-Einwohner-Metropole am Mississippi.
In den letzten Saisonwochen stotterten die Cavs- und die Bulls-Motoren, die aufstrebenden Grizzlies zogen ihr Ding dafür von Oktober bis in den Mai durch - ungeachtet jeglicher Widrigkeiten, zum Beispiel der Verletzungssorgen um Ja Morant. Der aktuelle und künftige Franchise-Star verpasste 25 Spiele, Memphis gewann dank der beeindruckenden Tiefe davon ganze 21 Partien.
Ohne den Point Guard machte vor allem die Defense den Gegnern zu schaffen, Morant verpasste der Offense jede Menge Spektakel. Das führte laut Cleaning the Glass auf beiden Seiten des Feldes zu Top-5-Werten: Die Offense rangierte ligaweit auf Platz vier (115,8 Punkte pro 100 Possessions), die Defense auf Rang fünf (109,6), was wiederum im viertbesten Net-Rating (+6,2) resultierte.
Trotz des überaus jungen Kerns stellte Memphis bilanztechnisch einen Franchise-Rekord ein (den halten sie gemeinsam mit dem 2012/13er Grit'n'Grind-Team), 56 Siege bei nur 26 Niederlagen reichten für Platz zwei in der Western Conference. In einer äußerst wilden Erstrundenserie gegen Minnesota setzten sich die Grizzlies in sechs Spielen durch, dann waren aber die Golden State Warriors zu stark. Doch auch hier lieferte Memphis einen tollen Kampf (2-4), obwohl Morant drei Partien aufgrund einer Knieverletzung verpasste.
So lässt sich die Saison der Grizzlies nicht nur dank des ersten Seriengewinns seit 2015 als voller Erfolg zusammenfassen. Morant räumte MIP- und All-NBA-Ehren ab (bzw. wird letzteres abräumen) und ist aus dem aktuellen Guard-Olymp der Association nicht mehr wegzudenken. Jaren Jackson Jr. etablierte sich in der Diskussion um den Defensive Player of the Year, Desmond Bane zeigte ebenfalls eine steile Entwicklungskurve und Taylor Jenkins landete unter den Finalisten zum Coach of the Year.
Die Grizzlies haben 2021/22 nicht nur aufhorchen lassen, sie haben sich ein Megaphon geschnappt und lauthals in den 29 NBA-Arenen verkündet: "Wir sind angekommen!" Memphis wird sich wohl so schnell nicht aus dem erweiterten Kreis der West-Elite verdrängen lassen. Der weitere Weg ist klar: Jetzt soll es nach ganz oben gehen.
NBA Playoffs: Warriors vs. Grizzlies - Die Serie im Überblick
Spiel | Datum | Heim | Auswärts | Ergebnis |
1 | 1. Mai | Memphis Grizzlies | Golden State Warriors | 116:117 |
2 | 4. Mai | Memphis Grizzlies | Golden State Warriors | 106:101 |
3 | 8. Mai | Golden State Warriors | Memphis Grizzlies | 142:112 |
4 | 10. Mai | Golden State Warriors | Memphis Grizzlies | 101:98 |
5 | 12. Mai | Memphis Grizzlies | Golden State Warriors | 134:95 |
6 | 14. Mai | Golden State Warriors | Memphis Grizzlies | 110:96 |
Kann Ja Morant ein Championship-Team anführen?
Der Erfolg der Grizzlies steht und fällt mit Ja Morant. Das ist jedoch eine Situation, um die ein Großteil der NBA-Teams Memphis beneidet. Bereits in seiner dritten Saison hat der 22-Jährige seine meisten Kritiker verstummen lassen. Morant ist einer der besten Point Guards der Liga, daran gibt es keine Zweifel.
Seine nackten Zahlen lesen sich so: 27,4 Punkte pro Spiel in der regulären Saison (Karrierebestwert) bei 49,3 Prozent aus dem Feld und immerhin 34,4 Prozent von Downtown. Dazu kamen 6,7 Assists, 5,7 Rebounds - in seinem Alter oder jünger haben nur Luka Doncic, LeBron James, Tracy McGrady, Kobe Bryant, Michael Jordan und Oscar Robertson solche Stats aufgelegt - und weiß Gott wie viele Klicks auf seine Highlight-Clips. In der Postseason lieferte er im zweiten Jahr in Folge ebenfalls äußerst beeindruckend ab (27,1 Punkte, 9,8 Assists und 8 Rebounds).
Das sind die Zahlen eines Franchise-Eckpfeilers und Morant ist auch einer. Das heißt aber nicht, dass er bereits sein Maximum erreicht hat. Vor allem defensiv muss er sich verbessern, um in den Playoffs nicht zur leichten Zielscheibe zu werden. Auch sein Shooting benötigt weiterhin Arbeit, auch wenn er sich in dieser Hinsicht stetig verbessert.
Ein verlässlicher Dreier würde Morant wohl endgültig zu einem offensiven Cheat-Code werden lassen. Schon jetzt kommt er fast nach Belieben in die Zone, wo er trotz 1,90 Meter Körpergröße, aber dank unfassbarer Athletik und Akrobatik auch die besten Defenses zur Verzweiflung bringt. Im Schnitt markierte er 16,6 Zähler in der Zone, damit führte er die NBA an - als erster Guard in den vergangenen 25 Jahren!
Ja Morant: Zahltag dank der Rookie Extension
So viele Begeisterungsstürme er mit seinem Spielstil auch auslösen mag, bei den Grizzlies-Fans schwingt in Angesicht dessen gnadenloser Attacken auch immer eine Sorgenfalte mit. Keiner spielt so spektakulär, aber gleichzeitig stürzt wohl niemand so oft so besorgniserregend. Ein gewisses Verletzungsrisiko schwingt oftmals mit, der einst ähnlich agierende Derrick Rose sollte hier als warnendes Beispiel genannt werden.
Doch wenn Morant auf dem Court steht, hievt er die Grizzlies sofort auf ein neues Level (da sollte man sich von der Bilanz ohne Morant nicht zu sehr täuschen lassen). Ohne Zweifel bringt er das Potenzial mit, einen Contender anzuführen, deshalb wird die Franchise ihn in diesem Sommer zum bestbezahlten Grizzly aller Zeiten machen.
Der 2. Pick des Draft 2019 darf diesen Sommer eine vorzeitige Vertragsverlängerung unterschreiben, die ihm über fünf Jahre mindestens 186 Millionen Dollar und höchstens 222 Millionen Dollar einbringen wird. Um die höhere Rookie-Extension zu erhalten, muss er kommende Saison nochmal ein All-NBA-Team erreichen. Bei den Verhandlungen wird es nur noch darum gehen, ob eine Spieleroption für das letzte Vertragsjahr (27/28) inkludiert wird oder nicht. Wenn Morant sie fordert, dann wird er sie auch bekommen.
Was fehlt den Grizzlies noch zum Contender-Status?
Der Tenor nach dem Playoff-Aus war geprägt von einer Mischung aus Selbstbewusstsein und Angriffslust: "Wir sind jung, sie sind alt. Sie wissen, dass wir jedes Jahr angreifen werden", prahlte beispielsweise Dillon Brooks nach der finalen Pleite gegen die Warriors.
Für diese Aussage im Speziellen hatte Stephen Curry zwar wenig übrig ("Er sagt eine Menge verrückter Sachen"), doch auch der dreifache Champion hat erkannt, dass mit den Grizzlies in Zukunft zu rechnen sein wird: "Nach oben sind diesem Team keine Grenzen gesetzt. Sie werden für eine lange Zeit oben mitmischen und um den Titel in der Western Conference kämpfen."
Womöglich wären bereits in diesem Jahr mit einem fitten Morant die West-Finals drin gewesen, so aber steht die Zukunft des jungen Teams im Fokus. Der Kern steht auch für die kommende Saison, Morant und JJJ sind beziehungsweise werden durch die Rookie Extensions langfristig an das Team gebunden. Banes Rookie-Vertrag läuft noch bis 2024.
Um diesen noch sehr jungen Kern steht ein sehr tiefes und ebenfalls junges Team. Mit einem Altersschnitt von 23,7 Jahren stellte Memphis in der abgelaufenen Saison den zweitjüngsten Kader. Es ist äußerst selten, dass solch junge Mannschaften solche Erfolge feiern. Morant ist erst 22 Jahre alt, Jackson Jr. ebenfalls und Bane ist 23. Hinzu kommt in zum Beispiel Ziarie Williams (20) ein interessanter Rookie oder in Brandon Clarke (25) ein wichtiger Rollenspieler.
Mit mehr Playoff-Erfahrung im Rücken wird Memphis nur noch weiter wachsen, die Entwicklung der jungen Spieler sollte die Grizzlies in den kommenden Jahren noch gefährlicher machen. Zusätzliche Upgrades würden dem Team vor allem auf dem Flügel (dazu gleich mehr) gut zu Gesicht stehen. Viel fehlt aber nicht mehr, um ganz oben anzuklopfen. Dank des bereits vorhandenen Talents und einer Optionsvielfalt in der Offseason sind die Grizzlies für die Zukunft so gut aufgestellt wie kaum eine andere Organisation.
Was können die Memphis Grizzlies in der Offseason machen?
Sollten sich die Grizzlies für eine aggressive Free Agency entscheiden, könnte das Front Office etwa 20 Millionen Dollar an Cap Space schaffen. Damit wäre Memphis das wohl attraktivste Team mit Spielraum unter der Gehaltsobergrenze, alle anderen Salary-Cap-Teams dümpeln eher am anderen Ende des Tabellenspektrums herum.
So könnten die Grizzlies einen Hochkaräter anlocken, bevor Morants neuer Vertrag und langfristig auch die Bane-Verlängerung die finanzielle Flexibilität ab spätestens 2024 einschränken. Teambesitzer Robert Pera soll immerhin gewillt sein, die Geldbörse weit aufzureißen, um einen potenziellen Titelanwärter zu finanzieren, nach Steve Ballmer (Clippers) und Dan Gilbert (Cavs) ist Pera der drittreichste Owner in der NBA. Das Problem ist dabei nur: Besonders viele Hochkaräter, die ins Profil der Grizzlies passen, gibt es in diesem Sommer nicht.
Wie bereits erwähnt braucht Memphis Verstärkung für den Flügel, idealerweise einen weiteren Scorer. Auch ein Upgrade auf der Center-Position wäre für Memphis denkbar, da Steven Adams in den Playoffs teils komplett aus der Rotation fiel. Klopfen die Grizzlies vielleicht bei Restricted Free Agent Miles Bridges an? Das wäre aber ein großes Risiko, da Charlotte mit jedem Angebot gleichziehen kann. Eine sicherlich günstigere, aber deutlich glanzlosere Option wäre mitunter T.J. Warren, der nun aber verletzungsbedingt seit Dezember 2020 nicht mehr auf dem Parkett stand.
In Anbetracht dieser Optionen ist es nicht unrealistisch, dass Memphis eher einen anderen Weg einschlägt. Zum Beispiel könnte der Cap Space genutzt werden, um mit den eigenen Free Agents Tyus Jones und Kyle Anderson zu verlängern und anschließend den Kader mit der Midlevel-Exception (10,3 Mio. Dollar) und der Biannual Exception (4,1 Mio.) in der Breite weiter zu verstärken.
Jones und Anderson haben in der abgelaufenen Saison wichtige Rollen eingenommen, vor allem Ersterer sollte gehalten werden. Der Backup-Point-Guard hat einen starken Morant-Vertreter gegeben, der kaum Fehler macht (4,4 Assists pro Spiel bei nur 0,6 Turnover) und sich damit auf den Radar unter anderem der New York Knicks gespielt hat. Schon vor dem Start der Free Agency könnte er eine Vertragsverlängerung in Memphis unterschreiben (4 Jahre/55,8 Mio.).
Im Draft darf sich Memphis auf zwei weitere Talente freuen, die Grizzlies besitzen nicht nur ihren eigenen Pick (#29), sondern auch den der Utah Jazz (#22). Den Lakers-Pick via New Orleans hat Memphis dagegen nicht bekommen, dafür hätte L.A. in der Draft Lottery auf Platz elf zurückfallen müssen, was ohnehin unwahrscheinlich war.
Wie könnte ein Trade für einen dritten Star aussehen?
Es gibt da noch eine weitere Möglichkeit, wie sich Memphis in der Offseason verstärken könnte, und zwar per Trade. Die Verträge von Brooks (11,4 Mio. in der kommenden Saison) und Adams (17,9 Mio.) laufen 2023 aus, in der Vergangenheit hat sich Executive of the Year Zach Kleiman nie davor gescheut, Spieler vor ihrem Contract Year in zusätzliches Kapital umzuwandeln. Fragt mal bei Jonas Valanciunas und Grayson Allen nach.
Neben Brooks und Adams verfügen die Grizzlies vor allem über eine Menge Draft-Picks. Neben den beiden Erstrundenpicks in diesem Jahr hält Memphis die Rechte am 2024er Warriors-Pick (Top-4-geschützt aus dem Andre Iguodala-Deal) sowie bis 2028 alle eigene Picks. Damit ließe sich ein für viele Teams reizvolles Trade-Paket zusammenstellen.
Um die Flügel-Thematik anzugehen wären zum Beispiel Jerami Grant oder Harrison Barnes eine Option. Beide würden einen guten Two-Way-Mix mitbringen und könnten für den richtigen Preis von den Detroit Pistons beziehungsweise Sacramento Kings abzuwerben sein. Grant steht noch ein Jahr für 21 Mio. Dollar unter Vertrag, Barnes ebenfalls noch ein Jahr für 18,4 Mio. Dollar.
Memphis könnte sich auch Bojan Bogdanovic (19,3 Mio.) - die Utah Jazz sind angeblich bereit, sich Angebote anzuhören - genauer anschauen. Der Forward bringt in jedem Fall Erfahrung mit, passt mit seinen 33 Jahren allerdings nicht so gut in die Timeline der Grizzlies wie Grant (28) oder selbst noch Barnes (Ende Mai wird er 30).
Kleiman und Co. werden definitiv die Augen und Ohren offenhalten, wie sie den ohnehin schon vielversprechenden Kader im Sommer weiter verstärken können. Optionen gibt es einige. Den großen Worten von Brooks sollen am besten schon nächstes Jahr Playoff-Taten folgen.
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