Entdecke den Drecksack in Dir

Haruka GruberSPOX
26. November 200922:55
Mainz holte "Schnäppchen" Ivanschitz für 500.000 Euro Leihgebühr plus Kaufoption aus AthenGetty
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Sensibelchen oder verkanntes Genie? Andreas Ivanschitz polarisierte in Österreich wie kein Zweiter - bis er in Mainz zum Top-Zugang der Bundesliga avancierte. Mit je sechs Toren und Assists ist er zweitbester Scorer. Dennoch wird er vom Nationalteam ignoriert. Warum? Liegt es an ihm selbst? Sein Vorbild Andreas Herzog und und drei österreichische Sportjournalisten erklären das Phänomen Ivanschitz.

"Andi hat das Größte geschafft, das ein Fußballer erreichen kann."

von Andreas Herzog (Österreichs U-21-Trainer)

SPOXImagoIch konnte mich in den letzten zwei Jahren sehr gut in Andi hineinversetzen. Es war eine schwere Zeit, weil er bei Panathinaikos Athen keine Rückendeckung hatte - dabei ist man besonders als Kreativspieler darauf angewiesen, Vertrauen zu spüren.

Ähnlich beschissen lief es für mich beim FC Bayern. Erst als ich nach Bremen in mein altes Umfeld zurückgekehrte und merkte, wie sehr ich geschätzt werde, konnte ich meinen besten Fußball zeigen. Diese Sicherheit genießt offenbar auch Andi in Mainz.

Derzeit läuft alles blendend für Andi, doch so perfekt wird es nicht weitergehen. Es wird zukünftig von entscheidender Bedeutung sein, dass Andi den Drecksack in sich entdeckt.

Er ist ein anständiger Kerl, aber wenn die Umstände schwieriger werden, muss er zu sich und zu anderen hart sein. Ich habe früher gesagt, dass ich Andi nicht für einen Leadertyp halte. Das wurde immer als Kritik an Andi ausgelegt. Ich wollte jedoch nur ausdrücken, dass Andi als damals 19-Jähriger viel zu früh zum Kapitän der Nationalmannschaft ernannt wurde. Er wurde in eine Rolle hineingedrängt, mit der er überfordert war.

Wie es mit Andi in der Nationalmannschaft weitergeht, kann ich nicht einschätzen. Entscheiden muss Teamchef Didi Constantini, aber von seinen Qualitäten her müssen wir nicht diskutieren. Klar ist nach dem ersten Drittel der Saison: Mainz dürfte nicht der letzte Verein von Andi gewesen sein. Ohne Mainz schlecht reden zu wollen, aber Andi muss schauen, dass er in ein, zwei Jahren eine Mannschaft findet, die international vertreten ist.

Aber auch ohne einen Wechsel hat er bereits das vielleicht Größte geschafft, das ein Fußballer überhaupt erreichen kann: Trotz seine schweren Standings in Österreich hat er dank seiner Leistungen in Mainz die Meinung eines ganzen Landes verändert.

Peter Linden (Kronen Zeitung):"So gut wie noch nie"

Peter Altmann (LAOLA1.at):"Vergleichbar mit dem jungen Sebastian Deisler"

Alexander Huber (Kurier):"Der Sündenbock für alles"

"So gut, wie noch nie."

von Peter Linden (Kronen Zeitung)

SPOXIch kenne Andi seit fast genau zehn Jahren - aber ich habe nicht geglaubt, dass ihm der Durchbruch in Deutschland so schnell gelingt. Wir müssen nicht darüber reden, dass er über fußballerische Klasse verfügt, aber in der Bundesliga geht es doch anders zu als in Griechenland.

Andi ist nach wie vor der freundliche Bursche von nebenan. Der Traum aller Schwiegermütter. Vielleicht war er aber lange Zeit zu nett. Er ist ein wohlerzogenes Kind - und wohlerzogene Kinder bekommen Probleme, wenn sie es mit Männern zu tun bekommen. Jetzt wirkt er selbstbewusster, steht voll im Saft und spielt so gut wie noch nie in seinem Leben.

Umso unverständlicher ist es, dass Didi Constantini ihn nicht berücksichtigt. Dass Andi nicht nominiert wurde, als er in Athen keine Einsätze bekam, war noch verständlich. Aber jetzt? Constantini hat Andi unterstellt, dass er einen Stammplatz gefordert hätte. Wer Andi kennt, weiß, dass er so etwas nie machen würde.

Mittlerweile haben sich zumindest die Fans mit Andi versöhnt. Wer es in Deutschland schafft, ist in Österreich ein gehobener Mensch, egal ob die Rapid-Anhänger noch immer sauer auf ihn sind, weil er 2006 zu Red Bull Salzburg ging. Wenn es um Andi geht, sind die Österreicher himmelhoch jauchzend oder zu Tode betrübt. So war es immer, und so wird es wohl auch immer sein. Das ist Österreich.

Andreas Herzog (Österreichs U-21-Trainer):"Ivanschitz hat das Größte geschafft"

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"Vergleichbar mit dem jungen Deisler."

von Peter Altmann (LAOLA1.at)

Zu Beginn seiner Karriere hat Österreich davon geträumt, dass aus Andi der neue Superstar des AC Milan oder Real Madrid wird. Das ist übertrieben, dafür reicht es nicht. Aber Mainz passt wunderbar zu ihm, und wenn er es in dem familiären Umfeld schafft, seine Leistungen zu stabilisieren, wird er über kurz oder lang zu einem besseren Verein wechseln.

Nach seinem Wechsel von Rapid Wien zum Retortenklub Red Bull Salzburg war er bei einem Großteil der Rapid-Fans unten durch. Nach einer schwachen EM und einer Phase, wo er bei Panathinaikos wenig gespielt hat, wurde er auch im Nationalteam zum Prügelknaben. Die Mehrheit der Fans hat damals die Entscheidung goutiert, dass Andi nicht mehr einberufen wurde.

Andi polarisiert nun mal wie kein ein anderer österreichischer Fußballer. Nicht wegen seines Charakters, sondern wegen seines Werdegangs. Hans Krankl hat ihn mit 19 zum Kapitän gemacht und seitdem hat sich alles auf ihn fokussiert. So eine Erwartungshaltung kann einen erdrücken. Wenn man vorsichtig ist, lässt sich seine Ausgangsposition zu Karrierebeginn mit der von Sebastian Deisler vergleichen - als Hoffnungsträger eines ganzen Landes.

Damals war Andi dem Druck noch nicht gewachsen und hat sich schwer getan. Mit Mitte 20 ist er aber eine andere Persönlichkeit und hat sich weiterentwickelt. Daher habe ich ihm absolut zugetraut, sich in der Bundesliga durchzusetzen. Und mittlerweile ist die Stimmung in Österreich gekippt - was nach den Erfahrungen mit Toni Polster nicht überraschen sollte.

Als Spanien-Legionär wurde Polster von den Österreichern gnadenlos ausgepfiffen, aber als er nach Köln ging und dort zum Star avancierte, war er plötzlich Österreichs Liebling schlechthin. Von diesem Großer-Bruder-Syndrom profitiert auch Andi.

Jetzt geht es vor allem darum, dass Andi und Teamchef Constantini ihre zwischenmenschlichen Differenzen aus dem Weg räumen und Vertrauen aufbauen, damit Andi wieder ins Nationalteam zurückkehren kann. Im Frühjahr waren Constantinis Begründungen, Andi nicht zu nominieren, noch nachvollziehbar. Aber mittlerweile ist die Sache eskaliert.

Andreas Herzog (Österreichs U-21-Trainer):"Ivanschitz hat das Größte geschafft"

Peter Linden (Kronen Zeitung):"So gut wie noch nie"

Alexander Huber (Kurier):"Der Sündenbock für alles"

"Der Sündenbock für alles."

von Alexander Huber (Kurier)

SPOXAndi ist ein netter, gebildeter Mensch, der für einen Fußball-Profi rhetorisch ungewohnt gewandt ist. Als großer Kämpfer ist Andi aber nicht bekannt. Dementsprechend bin ich davon ausgegangen, dass er Zeit braucht, um sich in Deutschland durchzusetzen und sich reinzubeißen. Offenbar spielt es eine wichtige Rolle, dass er sich in Mainz sehr wohl fühlt.

Dass er trotz seiner Leistungen nicht von Österreichs Teamchef Didi Constantini berufen wird, dürfte mit einem verhängnisvollen, strategischen Fehler zusammenhängen. Jahrelang war Andi einfach nur nett, aber als er in Athen auf der Bank saß und deswegen von Constanini nicht nominiert wurde, hat er in einem für ihn untypischen, sehr kritischen Interview den Teamchef attackiert. Das scheint ihm Constantini noch übelzunehmen.

Zumindest das österreichische Volk hat Andi aber für sich gewonnen. Spätestens nachdem es in Athen bergab ging und er bei der EM 2008 enttäuschte, war er der Sündebock für alles. Die Leute hatten es satt, dass Andi als Kapitän während der EM die Leistung des Teams schön redete, nur um ja keine Wellen zu schlagen. Ironie des Schicksals, dass Andi wohl längst wieder in der Nationalmannschaft spielen würde, wenn er brav geblieben wäre und Constantini nicht kritisiert hätte.

Andreas Herzog (Österreichs U-21-Trainer):"Ivanschitz hat das Größte geschafft"

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