Der Saisonauftakt in Melbourne rückt unaufhaltsam näher: Noch drei Wochen bleiben für den letzten Feinschliff. In Barcelona hielten sich die Top-Teams abermals bedeckt. Erste Tendenzen wurden bei den viertägigen Testfahrten erkennbar. SPOX hat zumindest einen brandheißen Tipp parat.
Red Bull: 322 Runden - Bestzeit: 1:22.197 (5. Sebastian Vettel)
Irgendwie mutete es grotesk an: Die Mechaniker verrenkten sich regelrecht mit ihren Sichtblenden. Selbst die Fotografen trickste man durch Parken unter dem Boxendach aus. Dabei werden die Verantwortlichen nicht müde zu betonen, dass der RB9 nur eine Evolution ist. Warum also diese Geheimnistuerei? Oder sollten dadurch bewusst Spekulationen befeuert werden?
Sebastian Vettel konnte jedenfalls die Wahrnehmung aus Jerez bestätigen: Mal wieder designte Adrian Newey einen Boliden, der von Grundspeed und Balance überzeugt. Letzteres könnte ob kritischem Verschleiß der Reifen von übergeordneter Bedeutung sein. Entsprechend fokussierte man sich auf Dauerläufe. Was die Konstanz betrifft, fiel Mark Webber dabei im Vergleich zu Mercedes, Lotus oder McLaren etwas ab.
Sebastian Vettel: "Auch diesmal haben wir das Abtanken anderen überlassen. Es geht darum, unter der Haube die Komponenten noch besser anzuordnen und standfest zu machen. Am ersten Tag legte uns ein Software-Problem lahm, das Bauteil kam aber von McLaren."
Mark Webber: "Die große Herausforderung besteht darin, die Reifen zu verstehen. Sieben von 100 Runden sind gut, da hast du Grip, um Setupveränderung zu verstehen. Aus diesen beschränkten Daten müssen wir das Maximum herauslesen."
Der Fahrplan bis zum Saisonstart
Ferrari: 360 Runden - Bestzeit: 1:21.875 (2. Fernando Alonso)
Dem Testauftakt blieb Fernando Alonso fern, arbeitete stattdessen an der physischen Konstitution. Mit Spannung wurde demnach sein Auftritt in Barcelona erwartet - auch von der Scuderia. Nach der Jungfernfahrt durften die Techniker aufatmen. Der F138 sei ein himmelweiter Fortschritt. Lediglich 27 Tausendstel fehlten zur Wochen-Bestzeit. In Abwesenheit von Vettel setzte der spanische Vize-Weltmeister eine Duftmarke.
Selbst wenn dahinter ein Show-Run vermutet wird - der Psycho-Krieg scheint wieder aufzuflammen. Apropos Flammen: In Jerez bereiteten zu hohe Temperaturen Kopfzerbrechen, diesmal überhitzte der Auspuff kontrolliert. Damit sollte die Belastungsgrenze erforscht werden. Unter der Nase war übrigens ein Schlitz zu sehen. Über den Zweck des "Haifischmauls" wird gerätselt. Man vermutet eine Verbesserung der Strömung.
Felipe Massa übernahm am feuchten Freitag das Cockpit, konnte die Performance-Anstrengungen Alonsos nicht fortführen. Über lange Distanzen lässt die Scuderia noch Nachholbedarf erkennen.
Fernando Alonso: "Das neue Auto fühlt sich ungefähr gleich an wie beim Finale in Brasilien. Damals waren wir weit weg von Red Bull und McLaren. Die böse Überraschung vom Vorjahr blieb uns erspart. Ich bin sicher, dass wir in Australien stark sein werden."
McLaren: 315 Runden - Bestzeit: 1:21.848 (1. Sergio Perez)
Der MP4-28 hat Potenzial - großes Potenzial. Sergio Perez konnte dies belegen. Mit 1:21.848 brannte er am Mittwoch die Bestzeit in den Asphalt. Tags darauf musste sich Jenson Button mit Rang sieben begnügen - vollbeladen und auf harten Reifen. Der britische Weltmeister von 2009 wertete seine 1:22.840 als "ziemlich gut". Und trotzdem zeichnen sich Sorgenfalten auf der Stirn ab.
Der MP4-28 bleibt ein Mysterium. "Manchmal fühlt er sich gut an, manchmal nicht", betonte Button. Warum, das sollte in Barcelona beantwortet werden. Nach vier Tagen grübelt die McLaren-Crew noch immer. Trotz Aerodynamik-Adaptionen, Systemchecks und Longruns vermisst man schlichtweg das Verständnis. Noch drei Wochen bleiben, bis zum Saisonstart in Melbourne: Die Uhr tickt!
Jenson Button: "Es geht derzeit darum, sicherzustellen, dass es so funktioniert, wie wir das erwarten. Manchmal war das nicht der Fall. Dafür läuft es ein andermal ziemlich gut. Mit der eigentlichen Testarbeit haben wir noch gar nicht begonnen."
Sergio Perez: "Wir müssen uns auf uns selbst konzentrieren, blicken nicht auf andere Teams. Das Auto ist an Jensons Fahrstil angepasst, nahezu darauf ausgerichtet. Um in Melbourne vorne dabei zu sein, haben wir noch sehr viel zu tun."
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Lotus: 247 Runden - Bestzeit: 1:22.188 (4. Romain Grosjean)
Kimi Räikkönen ist nicht gerade zu beneiden: Bei den Testfahrten hatte er das Pech regelrecht auf den Pedalen kleben. Nur 87 Runden spulte der Iceman in Barcelona ab. Zuerst stoppte ihn die Telemetrie - sämtliche Daten verflüchtigten sich. Später quittierte das Getriebe den Dienst. Aller Friktionen zum Trotz reist er mit breitem Grinsen ab: Der E21 ist nämlich schnell.
Die Leichtigkeit, mit welcher Räikkönen in die Spitze raste, hinterließ Eindruck. Am Mittwoch widmete sich Romain Grosjean schließlich der Rennsimulation. Obwohl die Pirellis früh körnten, zerstörte er sie nicht und verlängerte die Lebensdauer gekonnt. Dabei bewegte sich Grosjean stets im Bereich zwischen 1:28 und 1:29 - Lotus bleibt wie im Vorjahr ein Gradmesser für den Sonntag. Red Bull und Co. staunten nicht schlecht.
Kimi Räikkönen: "Wir testen, um Probleme zu finden - in der Hinsicht machen wir einen guten Job. Als wir einmal Rundenzeiten setzen konnten, hat sich glücklicherweise gezeigt, dass wir eine gute Pace besitzen."
Romain Grosjean: "Im ersten Stint habe ich nach wenigen Runden an die Box gefunkt: 'Die Reifen sind tot.' Ich habe mit den Ingenieuren einen Weg gefunden, die Haltbarkeit zu verbessern. Man muss raten, wie viel Gummi noch vorhanden ist und wie viel Energie man den Reifen zumuten kann."
Der Fahrplan bis zum Saisonstart
Mercedes: 335 Runden - Bestzeit: 1:22.611 (6. Nico Rosberg)
Das Formel-1-Engagement von Mercedes ist nicht unumstritten: Anfang der Woche forcierten zwei Aktionärsgruppen den Rückzug. Daimler wies die Forderung entschieden zurück. Bald sollen die Silberpfeile im Glanz früherer Tage erstrahlen. Barcelona nährte die Hoffnungen. Zunächst fand die Pannenshow ihre Fortsetzung - aber in einer Light-Version. Am ersten Vormittag streikte das Getriebe. Zum Missfallen von Nico Rosberg.
Danach rüstete Superhirn Ross Brawn mitunter auf die 2012er-Auspuff-Version um, erhielt so Vergleichswerte zum neuen Coanda-Modell. Auch mit dem passiven DRS wurde experimentiert. Erfreulich gestaltete sich die Auswertung der längeren Stints: Der F1 W04 ist reifenschonender als sein Vorgänger. Lewis Hamilton und Rosberg entdeckten ihre Malocher-Mentalität und fuhren konstant. Im Motorhome nickte Niki Lauda, Aufsichtsratsvorsitzender, zufrieden ab.
Nico Rosberg: "Wir haben eine viel bessere Plattform als letztes Jahr. Man spürt, der Schwerpunkt liegt tiefer und die Aerodynamik ist besser. Ich kann ohne Mühe attackieren."
Lewis Hamilton: "Wir machen ständig Fortschritte, wenn es um das Verständnis von Reifen und Abstimmung geht. Die Reifen zeigen Abbau. Sie zu schonen, ist nicht einfach. In Jerez ging das nicht so gut, weil das Auto sich nicht entsprechend verhielt. Hier war es viel besser."
Sauber: 343 Runden - Bestzeit: 1:22.160 (3. Nico Hülkenberg)
Ruhig und besonnen tüftelte der Schweizer Rennstall in Barcelona. Von der Zeitenjagd unbeirrt prüfte man die Funktionalität neuer Aerodynamik-Konfigurationen. Überdies mündeten die "Ohren" an der Airbox in ein passives DRS. Da war es kaum verwunderlich, dass anfangs fast drei Sekunden fehlten. Lediglich die chronischen Nachzügler Marussia und Caterham lagen noch weiter zurück.
Manch Beobachter sorgte sich bereits um die Sensation der Vorsaison - bis zum Mittwoch. Nico Hülkenberg deutete auf weichen Pneus das Leistungsvermögen an. Mit 1:22.160 verbuchte er den drittschnellsten Umlauf. Über mehrere Kilometer war der Auftritt ebenfalls vielversprechend. In schnellen Passagen glänzt der C32, die Zeiten brachen deutlich geringer ein als etwa bei Ferrari.
Nico Hülkenberg: "Das Auto liegt gut, in langsamen Kurven können wir uns noch verbessern. Ich habe keine Bedenken. Der Reifenverschleiß macht das Testen natürlich nicht einfach, aber da sitzen wir alle im gleichen Boot."
Esteban Gutierrez: "Wir haben verschiedene Einstellungen probiert, hatten auch leichte Probleme mit dem Setup. Unsere Datenflut ermöglicht uns jedoch eine detaillierte Analyse. Das wird die Basis sein, um Lösungen zu finden."
Force India: 283 Runden - Bestzeit: 1:22.877 (8. Adrian Sutil)
Adrian Sutil fieberte den Einsatz herbei: Über ein Jahr wurde die Sehnsucht nach der Königsklasse nicht gestillt. Am Donnerstag war es soweit. Der 30-Jährige durfte sich auf dem Circuit de Catalunya beweisen - und hinterließ ein starkes Bewerbungsschreiben für das Cockpit bei Force India. Nach fünf Runden überflügelte er Stammpilot Paul di Resta, letztlich war er über eine Sekunde schneller.
Nicht verraten konnte Sutil die Spritmenge, wobei die Zufriedenheit durchaus Aufschlüsse zulässt. Alleine ob der Reifen wirken die 1:22.877 beachtlich. Immerhin sammelte er die ersten Erfahrungen mit dem empfindlichen schwarzen Gold. Anfang nächster Woche wird die Fahrerfrage geklärt: Für Sutil spielt die Leistung eine untergeordnete Rolle. Vielmehr entscheidet die Mitgift. Jules Bianchi hat Ferrari im Rücken. Die Italiener würden Force India einen Rabatt auf den 2014er-Motor gewähren.
Paul di Resta: "Wir lernen mehr und mehr über das Auto - und darum geht es bei den Wintertests. Langsam entwickle ich ein Gefühl für die Abnutzungsrate der Pneus, das ist entscheidend."
Adrian Sutil: "Nach dem zweiten Run war ich vier Zehntel schneller als Di Resta, da war das Team beeindruckt. Ich war auch selbst überrascht. Da habe ich gemerkt: Da geht was! Ich habe eine gute Visitenkarte abgegeben."
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Williams: 367 Runden - Bestzeit: 1:22.675 (7. Pastor Maldonado)
Verspätet wurde das 2012er-Modell in den Ruhestand verabschiedet. Am Dienstag präsentierte der britische Rennstall seine neueste Kreation. Sie hört auf den Name FW35. Und wildert in Grauzonen. Die Front erinnert an Ferrari. Ausgeprägte Pylonen, an welchen der Flügel befestigt ist, kanalisieren die Luft. Beim Heck folgt man dem Trend zum Schlankheitswahn.
Für Aufregung sorgt der Coanda-Auspuff. Hinter den Endrohren trennt ein waagrechter Steg die Luft. FIA-Renndirektor Charlie Whiting erklärte sie für regelwidrig. Für Mercedes-Teamchef Brawn voreilig: "Dem Buchstaben des Gesetzes ist die Lösung legal." Von den Nebengeräuschen ließ man sich nicht beirren: Ohne grobe technische Mängel lernten Piloten und Mechaniker das Fahrzeug kennen.
Pastor Maldonado: "Im letzten Jahr war das Auto recht gut und vor allem über das gesamte Jahr konkurrenzfähig. Derzeit fühlt es sich so an, als hätten wir einen weiteren großen Schritt gemacht."
Valtteri Bottas: "Das ganze Paket ist besser, speziell der Grip im Heckbereich beim Beschleunigen aus den Kurven. Es ist einfacher zu fahren, erlaubt konstante Rundenzeiten."
Der Fahrplan bis zum Saisonstart
Toro Rosso: 329 Runden - Bestzeit: 1:23.366 (9. Jean-Eric Vergne)
Vergangenes Jahr manövrierte sich Toro Rosso in eine Sackgasse, verkündete Teamchef Franz Torst bei der Präsentation. Der STR8 bietet ein neues, breiteres Spektrum zur Abstimmung, wovon Fahrer als auch Techniker profitieren sollen. Doch die Weiterentwicklung steckt noch in den Kinderschuhen. In Barcelona stand Phase zwei des Kennenlernens an.
Nachdem man sich in Jerez unter den Top Fünf etablierte, droht der Rückfall in die Belanglosigkeit. Mit Soft Pirellis enttäuschte Jean-Eric Vergne als Neunter - die 1:23,366 war zu Äquivalent Williams nicht berauschend. Zwar lag das Hauptaugenmerk auf verschiedenen Setup-Optionen, um das Handling des Boliden zu überprüfen, dennoch ist der Rückstand beträchtlich.
Daniel Ricciardo: "Wir haben an der Aufhängung Veränderungen vorgenommen. Das war interessant und hat uns mit Datenmaterial versorgt. Aus diesem Grund sind die Ergebnisse zu vernachlässigen, es geht um das Lernen."
Jean-Eric Vergne: "Alles, was wir testen, gibt uns Mittel zum Arbeiten, wenn die Zeit reif ist, auf das beste Setup, die Balance und Performance zurückzugreifen. Ich sehe ein enormes Potenzial."
Caterham: 294 Runden - Bestzeit: 1:26.177 (11. Giedo van der Garde)
Tja, da haben wir uns geirrt: Nachdem sich Caterham in Jerez als Vorletzter etablierte, dachten wir, das werde vorerst so bleiben. Besonders der Abgang von Timo Glock würde Marussia zu schaffen machen. Zumindest was die Kräfteverhältnisse betrifft, haben wir vorschnell geurteilt. Zwei Wochen danach sprechen die Fakten gegen den giftgrünen Renner.
Mit Respektabstand rangierte der CT03 am Ende der Zeitentabelle, rund eine Sekunde fuhr man hinterher. Zu allem Überdruss gibt es Ärger an der Regelfront. Die FIA kündigte an, den Auspuff zu verbieten. Ungeachtet dessen hielt man am umstrittenen Flap nach dem Endrohr fest. Gleichwohl stimmt die Zuverlässigkeit leicht optimistisch.
Charles Pic: "Wenn wir die Performance erreichen wollen, die wir uns für Australien vorgenommen haben, wartet noch viel Arbeit. Dennoch fühle ich mich mit jeder Runde wohler."
Giedo van der Garde: "Wir versuchen die Stabilität des Hecks zu erhöhen, das ist ein Bereich, auf den wir uns konzentrieren. Es hat definitiv eine agilere Vorderachse als das 2012er-Auto."
Marussia: 241 Runden - Bestzeit: 1:25.115 (10. Max Chilton)
Der Frustpegel erreichte in Jerez den Höchststand: Caterham schien zu enteilen, die Mechaniker schlugen sich mit technischen Defiziten herum, dazu die prekäre Finanzlage. Zumindest die Gefahr endgültig zum belächelten Schlusslicht der Formel 1 zu avancieren, wurde gebannt.
Die für Aerodynamik wesentlich repräsentativere Strecke in Barcelona zeichnet ein weniger tristes Bild: Max Chilton konnte sich an drei Testtagen vor der unmittelbaren Konkurrenz festsetzen, nur der verregnete Abschluss misslang. Vom Mittelfeld ist man weiterhin meilenweit entfernt. Unzureichend auch die Haltbarkeit. Luiz Razia, der zweite Rookie im Team, war diesmal zum Zuschauen verdammt.
Max Chilton: "Der erste Teil unserer Arbeit bestand aus der Erprobungen von KERS und anderen Systemen. Danach konnten wir am Setup arbeiten. Wieder einmal war es so, dass mehr Nutzen hinter den Kulissen gefühlt wurde, als auf der Zeitenliste."
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Der Formel-1-Kalender im Überblick
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