"Ich will um die Krone kämpfen"

Alexander Maack
10. März 201416:11
Adrian Sutil startet beim Australien-GP in Melbourne erstmals in der Formel 1 für Saubergetty
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Adrian Sutil muss sich vor dem Saisonauftakt der Formel 1 in Australien nicht nur auf die neuen V6-Turbo-Motoren sondern auch auf ein neues Team einstellen. Der Gräfelfinger startet künftig für Sauber. Im Interview mit SPOX spricht Sutil über den Wechsel zu seinem Wunschteam, die Erwartungen an Melbourne und Probleme und Ziele der Saison 2014.

SPOX: Herr Sutil, in der Saison 2014 starten Sie erstmals nicht für das heute als Force India bekannte Team, bei dem Sie in der Formel 1 debütierten. Wie leicht konnten Sie sich nach sechs Jahren an ihren neuen Rennstall gewöhnen?

Adrian Sutil: Ich habe mich bei Sauber wirklich gut eingelebt. Ich wollte einfach einen Wechsel. Es war Zeit für diesen Schritt. Sauber stand bei mir als Wunschteam lange auf der Liste und wir hatten in den letzten Jahren schon ein paar Mal Kontakt. Für mich ist das perfekt: Ich bin in der Schweiz zu Hause und schneller beim Team. Es fühlt sich auch anders an, mit einem deutschsprachigen Team zu arbeiten. Für mich ist klar, dass es ein Schritt in die richtige Richtung ist. Das Potenzial hier ist höher, ich muss mich jetzt beweisen.

SPOX: Gibt es Unterschiede in der Arbeitsweise beider Teams?

Sutil: Es gibt einige Unterschiede, auch wenn die Resultate in den letzten Jahren identisch waren. Der größte ist Saubers tolle Fabrik mit dem erstklassigen Windkanal. Aber auch auf der operativen Seite gibt es Unterschiede. Jetzt gilt es herauszufinden, was gut ist und was wir anders machen müssen. Im Moment läuft das gut. Das Team war besonders in der Zeit mit BMW erfolgreich, es weiß, wie man Podestplätze und sogar Siege einfährt. Das ist für einen Fahrer wie mich sehr wichtig. Hier kann ich wirklich was lernen.

SPOX: Welche Bereiche wollen Sie denn genau verbessern?

Sutil: Was und wie ich arbeite, möchte ich gar nicht kommentieren. Da muss jeder sein eigenes Urteil fällen, wie er mich sieht. Ich konzentriere mich auf meine Sachen: Was kann ich besser machen? Die ganze Formel 1 strebt nach Perfektion. Aber die völlige Perfektion gibt es nicht. Ich versuche einfach, alle Fehler auszumerzen. Die Herausforderung ist groß, immer wachsam zu sein. Ich muss mich da immer wieder infrage stellen. Ich bin nicht perfekt, das ist keiner. Wichtig ist, dass man stetig Fortschritte macht.

SPOX: Sie gelten als analytischer Fahrer mit guter Fahrzeugkontrolle. Denken Sie, dass sie durch das veränderte Reglement 2014 Vorteile gegenüber ihren Konkurrenten haben?

Sutil: Grundsätzlich freue ich mich immer auf neue Regeln. Das eröffnet auch den kleineren Teams Chancen. Wir müssen jetzt auf ganz andere Dinge achten: Es wird alles unvorhersehbarer und unberechenbarer. Ich bin nach den Tests aber noch nicht auf dem Niveau, dass ich sagen könnte: "Es liegt mir." Das müssen wir erst sehen. Aber ich komme bisher ganz gut zurecht. Ich werde mit jedem Meter besser.

SPOX: Wie fühlen sich die Änderungen für den Fahrer an? Wie groß sind die Unterschiede zwischen V6-Turbo- und den alten V8-Motoren wirklich?

Sutil: Durch die neuen Motoren sind die Autos vollkommen anders zu fahren. Die Autos haben weniger Anpressdruck, deshalb sind die Kurvengeschwindigkeiten ein bisschen niedriger. Aber der Topspeed und die Beschleunigungswerte sind höher als letztes Jahr. Bei den Tests in Bahrain waren die Schnellsten bei 335 km/h, letztes Jahr im Qualifying waren es 315 km/h. Wir haben auch mehr Drehmoment, was das Beschleunigen schwierig macht. Die Räder drehen viel leichter durch, auch weil die Reifen härter geworden sind. Das Auto reagiert einfach ein bisschen anders. Um es zusammenzufassen: Weniger Grip, mehr Leistung.

SPOX: Insgesamt hatten Sie nur zwölf offizielle Testtage zur Verfügung um die völlig neue Powerunit mit dem neuen Sauber in Einklang zu bringen und sich nebenbei selbst anzupassen. Kann man sich in so kurzer Zeit überhaupt ausreichend vorbereiten? SPOX

Sutil: Wir befinden uns wie alle Teams noch in einer Lernphase und hätten gerne mehr Tests gehabt, aber das ist nun mal durch das Reglement nicht möglich. Wir müssen die Erfahrungen jetzt halt in den Rennen sammeln. Das wird sehr spannend, besonders in Melbourne. Wir sind nicht perfekt für den Saisonauftakt vorbereitet. Das bin ich nicht, das ist das Team nicht. Aktuell ist keiner in der Formel 1 perfekt vorbereitet. Jetzt ist spannend, wer durch die Tests am meisten gelernt hat und sich am besten entwickelt.

SPOX: Die Testfahrten begannen allerdings mit Problemen. In Jerez funktionierte das Auto nicht wie gewünscht. Besonders das neue Break-by-Wire-System an der Hinterachse machte Schwierigkeiten.

Sutil: Da war das Auto aber auch noch nicht fertig. Das war unser Rollout, viele Systeme haben noch nicht funktioniert und wir hatten überall Probleme. In Bahrain ging es besser, das Auto war streckenfertig und wir haben jeden Tag Fortschritte gemacht. Rennsimulationen, Qualifying-Simulationen, verschiedene Reifen - das haben wir jetzt alles durch.

Seite 1: Das Fahrgefühl der neuen Autos und die dafür nötige Anpassung

Seite 2: Das Duell mit Sebastian Vettel und Weltmeister-Ziele

SPOX: Sie haben in Bahrain immerhin deutlich mehr erreicht, als das viermalige Weltmeisterteam von Sebastian Vettel. Red Bull fehlt noch immer eine Rennsimulation. Wie hoch sind Ihre Chancen, den amtierenden Weltmeister zu besiegen?

Sutil: Da möchte ich lieber schweigen. Das waren Tests. Unsere Vorteile bringen nichts, wenn wir es am Ende nicht über die Ziellinie schaffen. Wir wissen erst nach dem Rennen in Melbourne, wo wir stehen. Es hängt so viel vom Auto ab, dass es zur richtigen Zeit am richtigen Ort funktioniert. Aber: In diesem Team steckt sehr viel Potenzial.

SPOX: Sie hatten 2013 mehrmals wesentlich aggressiver formuliert, dass Sie in Ihrer Karriere noch Formel-1-Weltmeister werden wollen. Aktuell sind Sie der Fahrer mit den meisten Punkten ohne Podestplatz. Gelingt Ihnen diese Saison endlich erste Sprung unter die ersten drei?

Sutil: Mein großes Ziel ist jedes Jahr, erfolgreich in der Formel 1 zu sein. Dafür brauche ich Siege und Podestplätze. Ich will um die Krone kämpfen. Dieser Wille ist bei mir noch nicht erloschen. Das kurzfristige Ziel ist, endlich einen Podestplatz einzufahren und mich stetig zu steigern. Mein bestes WM-Resultat ist der neunte Platz im Jahr 2011, in den nächsten Jahren will ich das kontinuierlich steigern. Wie weit nach vorne ich dann komme, interessiert mich jetzt nicht. Wir wollen mit Sauber angreifen.

SPOX: Aktuell scheinen die Teams mit Mercedes-Motoren einen Vorsprung vor Ferrari und Renault zu haben. Ihr alter Rennstall Force India fuhr bei den Tests mehrmals die Tagesbestzeit. Haben Sie schon gezweifelt, ob der Wechsel wirklich richtig war?

Sutil: Daran denke ich nicht. Ich habe die Entscheidung zu 100 Prozent getroffen und war mir im Klaren, was es bedeuten kann. Ich bereue nichts. Im Gegenteil: Ich freue mich auf die neue Saison - mit Sauber und mit Ferrari-Motoren. Wir sind sehr gut positioniert. Ich mache mir da keine Sorgen.

SPOX: Sind Sie Force India denn noch dankbar für die Chance auf das Comeback? Sie hatten die Saison 2012 verpasst, nachdem sie vom Amtsgericht München zu 18 Monaten Haft auf Bewährung wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt wurden. Vorausgegangen war eine Auseinandersetzung mit Lotus-Besitzer Eric Lux. Ihre Freundschaft zu Lewis Hamilton zerbrach, weil er nicht für Sie aussagte.

Sutil: Ja, das stimmt. Es war schön, so wieder in die Formel 1 zu kommen. Force India hat einen Fahrer gesucht, der Qualitäten hat, ich stand zur Verfügung. Besonders die erste Saisonhälfte lief sehr gut. Das war ein wichtiger Schritt für mich, um wieder reinzukommen. Und es war der Grund, warum ich jetzt bei Sauber bin.

SPOX: Wie schwer fiel Ihnen die einjährige Zwangspause?

Sutil: Es war anders, aber nicht furchtbar schwer. Natürlich war es ungewohnt und ich hätte gerne einen Platz gehabt. Ich habe mich dann neu orientiert, das hat mir gut getan. Verschnaufen, nachdenken - dafür ist die Zeit zu knapp, wenn man von Jahr zu Jahr Formel 1 fährt. Ich trauere der Pause nicht hinterher, sie hat mich weiter gebracht.

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Adrian Sutil im Steckbrief